Protest gegen schwarz-gelbes Sparpaket: Böller sprengt Demo

Der Moment der Explosion. Foto: screenshot www.youtube.com
Erstveröffentlicht: 
14.06.2010

Demonstranten zünden einen Sprengsatz, der zwei Polizisten schwer verletzt. Voraussichtlich Dienstag können sie das Krankenhaus wieder verlassen.

 

 

VON SVENJA BERGT

 

BERLIN taz/dpa | Bei einer Demonstration gegen die Sparpolitik der Bundesregierung sind am Samstag zwei Polizisten von einem Sprengsatz getroffen worden. Nach Polizeiangaben wurden die Beamten schwer verletzt und mussten im Krankenhaus operiert werden. Das Landeskriminalamt habe die Ermittlungen wegen versuchten Totschlags aufgenommen.
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Zu der Demonstration hatte das Bündnis "Wir zahlen nicht für eure Krise" aufgerufen. Die nach Angaben des Veranstalters 20.000 Teilnehmer demonstrierten ansonsten friedlich gegen soziale Kürzungen im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise und gegen den Kapitalismus. Redner aus Betriebsräten und Bündnissen kritisierten die Sparpläne der Bundesregierung und appellierten an die Macht der Straße: "Dieses Kürzungspaket ist auch ein Test dafür, wie weit sie noch gehen können", sagte Janek Niggemann vom Bündnis der Demo-Organisatoren. Auf Transparenten wurden unter anderem "anständig bezahlte Arbeitsplätze" gefordert, und es hieß: "Die Wirtschaft ist für den Menschen da, nicht der Mensch für die Wirtschaft."

Nach Polizeiangaben wurden auf der Torstraße Polizisten aus einem Block vermummter Demonstranten heraus mit Flaschen und Steinen beworfen. Darüber hinaus habe ein Sprengsatz zwei Beamte so stark verletzt, dass sie im Krankenhaus sofort operiert werden mussten. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) berichtet von "mehrere Zentimeter breiten offenen Fleischwunden an den Beinen". In der Mitteilung bezeichnet die Gewerkschaft den Vorfall als "Mordversuch".

 

Teilnehmer, die sich in der Zeit vor der Explosion in der Nähe aufgehalten hatten, berichteten, dass die Polizei zuvor an einer verhältnismäßig engen Stelle in der Torstraße versucht habe, sich zwischen Demonstranten und parkende Autos zu drängen, wodurch Teilnehmer gegen einen Bauzaun gedrückt worden seien. Das zeigt auch ein im Internet veröffentlichtes Foto eines Teilnehmers. Andere berichten, dass versucht worden sei, ein Transparent zu beschlagnahmen. Ein Sprecher der Polizei konnte dazu am Sonntag keine Stellung nehmen. Auch über die Art des Sprengkörpers gebe es noch keine Erkenntnisse. Laut GdP handelte es sich um einen "offenbar selbst hergestellten und mit noch unbekanntem Material gefüllten Sprengsatz". Drei Verdächtige wurden zunächst festgenommen, sind aber mittlerweile wieder auf freiem Fuß.

Michael Prütz vom Bündnis "Wir zahlen nicht für eure Krise" kritisierte: "Wer auch immer die Tat begangen hat, schadet dem Anliegen der Demo und des Bündnisses aufs heftigste." Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) sprach von einem "kriminellen Akt, der mit dem Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit nichts mehr zu tun hat", ein Sprecher der FDP-Fraktion von einem "feigen und hinterhältigen Anschlag". Sollte sich herausstellen, dass es sich tatsächlich um einen Sprengstoffanschlag gehandelt habe, sei das eine neue Form der Gewalt, die auch neue politische Reaktionen erfordere.

Auch Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, sieht den Vorfall kritisch: "Es gibt keinen Grund, mit Böllern oder Ähnlichem auf eine Demonstration zu gehen." In der nun folgenden Debatte gehe nicht nur das legitime Anliegen der Demonstranten unter, sondern auch das manchmal fragwürdige Verhalten von Polizisten, die Demonstrationen begleiten. "Jetzt sind automatisch die Polizisten die Opfer und der schwarze Block die Bösen.

Auf der Abschlusskundgebung auf dem Alexanderplatz ging die Polizei dann rigoros gegen Demonstranten vor. Nachdem zunächst einige Teilnehmer nicht auf den Platz gelassen wurden, stürmten Beamte durch die Menschenmenge und nahmen einzelne Demonstranten fest. Nach Angaben der Veranstalter wurden insgesamt sieben Teilnehmer verletzt.

Die beiden verletzten Polizeibeamten können voraussichtlich an diesem Dienstag das Krankenhaus verlassen. Das teilte Polizeipräsident Dieter Glietsch am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses mit.