Viele glauben, Höcke habe als "Landolf Ladig" für ein NPD-Blatt geschrieben. Höcke bestreitet das. Gleich zwei Männer behaupten jetzt, sie seien Ladig – eine Neonazi-Posse.
Wer hätte gedacht, dass man mit dem AfD-Zinnsoldaten Björn Höcke so viel Spaß haben kann? OK, eigentlich alle, die schonmal entdeckt haben, dass es ihm unfassbar auf die Nerven geht, wenn man ihn "Bernd" nennt. Aber wie der letzte Samstag gezeigt hat, geht da noch mehr. Viel mehr.
Aber der Reihe nach: Am Samstag sollte nämlich eines der großen Geheimnisse geklärt werden, die Björn Höcke schon seit Beginn seiner AfD-Karriere plagen: nämlich die Frage, ob Höcke früher mal unter dem Pseudonym "Landolf Ladig" ein paar Artikel für zwei NPD-Magazine geschrieben hat. Diese 2010 und 2011 erschienenen Texte sind noch um einiges schlimmer als alles, was Höcke (Funfact: von Beruf Geschichtslehrer) unter seinem eigenen Namen vom Stapel gelassen hat: Sie enthalten nicht nur Werbung für die NPD, sondern auch Verherrlichungen der NS-Zeit.
Höcke leugnet bis heute, dieser Landolf Ladig zu sein. Das glaubt ihm aber nicht mal seine eigene Partei. Die benutzt die Texte nämlich als eines der Hauptargumente, um zu belegen, dass er es verdient, aus der Partei geschmissen zu werden. Nur kann auch die AfD nicht endgültig beweisen, dass Höcke die Texte wirklich geschrieben hat – auch wenn sehr viele Indizien dafür sprechen.
Und jetzt kommen wir zum letzten Samstag, denn da passierten gleich zwei wunderbare Wendungen in dem Fall Höcke/Ladig.
Zuerst veröffentlichte die FAZ einen Artikel, in dem der Autor Justus Bender erklärt, er habe Kontakt zum echten "Ladig" – und das sei nicht Björn Höcke, sondern ein anderer Mann, der aber gerne anonym bleiben möchte und den er deshalb nur "Herr H." nennt.
Und kurz darauf meldete sich dann der NPD-Chef Thorsten Heise zu Wort, um live auf Facebook ebenfalls "den echten Landolf Ladig" vorzustellen – allerdings war das wieder ein anderer Mann, nämlich der über 80-jährige rechtsextreme Dinosaurier Rigolf Hennig. Obwohl dessen Name auch auf H endet, hat der Herr H. aus der FAZ allerdings schon "empört" von sich gewiesen, Hennig zu sein.
Die Verwirrung ist damit komplett. Jetzt haben wir also zwei Männer, die beide behaupten, "Landolf Ladig" zu sein. Einer von beiden lügt offensichtlich – aber warum sollte das jemand tun? Was das Ganze noch verwirrender macht: Thorsten Heise ist genau der NPD-ler, in dessen Magazinen die Texte von "Ladig" erschienen sind – also einer der wenigen Menschen, die wirklich wissen, wer hinter dem Pseudonym steckt. Aber trotzdem nimmt man ihm nicht so recht ab, dass es sich dabei um Rigolf Hennig handelt.
"Die Geschichte ist extrem fadenscheinig", urteilt auch Andreas Kemper auf seinem Blog. Der Soziologe ist so etwas wie der erste Experte auf dem Gebiet Höcke/Ladig: Er hat alle Texte von Ladig gelesen und ausgiebig mit den Reden Björn Höckes verglichen, und er ist sich ziemlich sicher, dass derselbe Kopf dahintersteckt. Vor allem, weil in beiden Texten dieselben Wortschöpfungen vorkommen, die sonst niemand so benutzt. Der alte Reichsbürger Hennig dagegen hatte bisher so gut wie nichts mit den Themen "Ladigs" zu tun.
Aber warum stellt sich Heise dann hin und präsentiert jemanden als "Ladig", obwohl er weiß, dass der es nicht ist?
Der Soziologe Kemper hat auch dazu eine interessante Theorie: Heise weiß, dass Höcke hinter "Ladig" steckt, und er weiß, dass sein Wissen Höckes Karriere beenden kann. Aber als NPD-Chef ist es für ihn viel interessanter, Höcke mit diesem Wissen zu erpressen: Die AfD gräbt der NPD jetzt schon seit Jahren massiv Wähler und Bedeutung ab, und zwar vor allem in Höckes und Heises gemeinsamem Heimatland Thüringen. Sein Wissen über Höckes rechtsextreme Vergangenheit ist also so ziemlich der letzte Trumpf, den Heise noch gegen die AfD in der Hand hält.
Das würde auch erklären, warum die FAZ fast gleichzeitig einen anderen "Ladig" an der Angel hat: Dieser andere, mutmaßt Kemper, könnte ein Manöver Höckes und einiger AfD-Freunde sein, um sich den Erpresser Heise endlich vom Hals zu schaffen. Vielleicht handelt es sich um einen befreundeten AfDler, der auch tatsächlich an ein paar der "Ladig"-Texte mitgewirkt hat und jetzt behauptet, der alleinige Urheber zu sein. Überzeugt ist Kemper davon aber nicht: "Die Geschichte stinkt", schreibt der Soziologe (und Björn-Höcke-Stalker). "Wichtige Indizien, die die Identität zwischen Höcke und Ladig aufzeigen, werden nicht widerlegt, noch nicht einmal angesprochen." Zum Beispiel so kleine Details, dass einer von "Ladigs" Artikeln sich ausgiebig mit dem Wohnort Björn Höckes, dem 300-Einwohner-Ort Bornhagen, beschäftigt.
Wie ihr seht, ist die Lage da unten in Thüringen ziemlich kompliziert. Irgendjemand hat fiese Nazi-Artikel in einer Nazi-Postille geschrieben, und diese Texte klingen ziemlich nach Björn Höcke, der will damit aber nichts zu tun haben, dafür behaupten aber zwei andere Typen, sie hätten die fiese Nazi-Kacke verfasst. Und es hilft auch gar nicht, dass alle vier (!) involvierten Typen einen Nachnamen haben, der mit "H" anfängt. Wie soll man sich da auskennen?
Muss man vielleicht gar nicht. Das Wichtigste, was man sich merken muss: Irgendwas ist da faul, und vielleicht müssen wir uns ja nicht mehr allzu lange darüber den Kopf zerbrechen, wie dieser Höcke nun wirklich mit Vornamen heißt.