Die Statue, die einst am heutigen Wiener Platz stand, wird versteigert. Dresden möchte sie gerne zurückhaben.
Von Andreas Weller
Dresden. Nach der Wende wurde Lenin in Dresden verschmäht, sozialistische Abbilder aus der Stadt verbannt. Am 5. März 1992 beschloss die damalige Stadtverordneten- versammlung, die überlebensgroße Statue von Lenin und Ernst Thälmann einem Liebhaber im bayerischen Gundelfingen zu überlassen. Josef Kurz musste nur den Abbau und Transport bezahlen. Nun könnte das Denkmal von Gundelfingen wieder nach Dresden zurückkehren.
Kurz plante damals, die 1974 in Dresden aufgestellte Statue und weitere solcher Abbilder zu einem Sozialisten-Park auf seinem Firmengelände zusammenzustellen. Doch es kam nie dazu, weil Kurz starb. Sein Sohn und Erbe hat nun die gesammelten Statuen zur Versteigerung freigegeben. Am 17. Juni versteigert ein Potsdamer Auktionator sie. Das Einstiegsgebot für Lenin liegt bei 150 000 Euro. Doch einige haben etwas dagegen, dass die Statue aus Dresden einfach so meistbietend weggeht.
Bereits 1991, vor der Übereignung an Kurz, hatte der Münchner Bildhauer Rudolf Herz ganz andere Pläne mit Lenin. Er schlug Oberbürgermeister Herbert Wagner (CDU) vor, „Lenins Lager“ zu errichten. Dieses Konzept kam bei der Stadt zunächst gut an. „Meine künstlerische Konzeption sah vor, das Granit-Denkmal an Ort und Stelle zu belassen, jedoch in seine einzelnen Blöcke zu zerlegen und so zu arrangieren, dass offenbleibt, ob es sich um einen Abbau oder Aufbau handelt“, so Herz heute. Doch das hätte 32 000 Mark gekostet, und die Stadt hatte dieses Geld nicht.
Herz hat nun auch einen Aufruf an Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) und den Stadtrat gestartet, Lenin zurückzuholen und sein Projekt umzusetzen. Denn in der Begründung der Stadtverwaltung von 1992 hieß es: „Eine Verfremdung des Denkmals in Form des Vorschlages von Herz zeigt den Willen der Stadt und ihrer Bürger, Vergangenheit zu bewältigen, nicht nur zu verdrängen.“ Die Konfrontation mit den „Trümmern eines gestürzten Systems mit maßlosem Anspruch“ rege zur geistigen Auseinandersetzung an und das entspreche den Erfahrungen der Dresdner im Umgang mit den Trümmern der Vergangenheit und korrespondiere mit dem „geistigen Anspruch“ der Kulturstadt Dresden.
Linke-Fraktionschef André Schollbach fordert die Stadt auf, zu prüfen, ob sie beim Bieten um Lenin einsteigt. „Das Dresdner Lenin-Denkmal ist zweifelsohne ein Kulturgut und von großem historischen Wert. Eine Kunst- und Kulturstadt sollte Kunstwerke bewahren und damit auch zeitgeschichtliche Entwicklungen dokumentieren.“ Und die Verwaltung ist nun wieder aufgeschlossen gegenüber Lenin. „Der Anspruch von damals könnte auch heute noch so formuliert werden und wäre ein Argument dafür, dass sich Dresden an der Auktion beteiligt“, so Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Linke).
Zu klären wäre allerdings noch die Finanzierung, benennt Klepsch das derzeit größte Hindernis. Denn im Haushalt ist dafür kein Geld vorgesehen, weil bei dessen Planung diese Wendung noch nicht absehbar war. Und es ist auch überhaupt nicht absehbar, wie hoch die Gebote für das Lenindenkmal gehen werden. Wohin das 80 Tonnen schwere Monument gestellt werden könnte, will Klepsch auch noch nicht festlegen. Vielmehr sollen die Dresdner gefragt werden. „Käme es zu einem Erwerb, sollten im Anschluss die Dresdner über einen Aufstellungsort in einem Beteiligungsprozess mitentscheiden.“
Herz würde am liebsten die Versteigerung verhindern. Dresden solle Lenin zurückfordern. „Die geplante Versteigerung des Denkmals ist nicht akzeptabel. Sie bedeutet die Privatisierung eines öffentlichen Monuments, mit dem sich kollektive, auch kontroverse Erfahrungen und Erinnerungen verknüpfen.“ Dresdens Erinnerungspolitik sei damit gescheitert. Die Stadt habe die Statue Kurz für seinen Park überlassen, nicht zum Weiterverkauf. Doch geschenkt ist geschenkt, auch nach 25 Jahren.