Mit den Stimmen von CDU und SPD: Sachsen führt Abschiebgewahrsam ein

Sächsischer Flüchtlingsrat

Ungeachtet der Proteste von etwa 50 Menschen hat der Sächsische Landtag bereits am 17. Mai mit den Stimmen von CDU und SPD für die rechtliche Grundlage zur Einrichtung eines so genannten „Ausreisegewahrsams“ gestimmt. Nach Hamburg, wo bereits im vergangenen Jahr in Flughafennähe eine Abschiebeeinrichtung eröffnet worden war, wird Sachsen als zweites Bundesland erneut zum Vorreiter bei der weiteren Verschärfung des Asylrechts. Insgesamt sind in dem Gebäude bis zu 30 Plätze vorgesehen.

 

Unter der Begründung, dass sich „ausreisepflichtige“ Menschen möglicherweise einer Abschiebung entziehen könnten, dürfen Asylsuchende in Zukunft mit richterlichen Beschluss bis zu vier Tage in Gewahrsam genommen werden. Im April lebten nach Angaben des Sächsischen Innenministers Markus Ulbig (CDU) in Sachsen noch 8.865 als „ausreisepflichtig“ geltende Menschen.

 

Zuvor hatte der Sächsische Flüchtlingsrat in einer von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Initiativen und Vereinen unterzeichneten Pressemitteilung noch einmal seine Kritik am Gesetzesvorhaben bekräftigt. Obwohl nach einer ersten Kritik aus den Reihen der Zivilgesellschaft im November 2016 einige Änderungen eingebracht wurden, bedeutet auch der überarbeitete Entwurf des Sächsischen Ausreisegewahrsamsvollzugsgesetz (SächsAusrGewahrsVollzG) nach Auffassung von Ali Moradi, dem Geschäftsführer des Sächsischen Flüchtlingsrats, einen „Schritt zurück“: „Andere Landesregierungen nehmen Abstand von Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam. In Sachsen aber soll für veranschlagte drei Millionen Euro ein aus unserer Sicht völlig sinnloses, in den Folgen aber verheerendes Vollzugsinstrument geschaffen werden.“

 

Zudem zeigte sich der Flüchtlingsrat besorgt über die fehlende psychotherapeutische und soziale Beratung. Anders als der geplante sechsköpfige Beirat, welcher künftig eine Kontrolle gewährleisten soll, bemängelten die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner die fehlende Möglichkeit für Betroffene, mit Anwältinnen oder Anwälten zu sprechen oder von Angehörigen Abschied zu nehmen. Zweifel äußerte Moradi auch am Standort der Einrichtung in unmittelbarer Nähe zum Dresdner Flughafen: „Vorschnell wird hier ein als ultima ratio angedachtes Abschiebeinstrument geschaffen. Ich wiederhole noch einmal die Forderung unseres Appells vom November 2016 an die Mitglieder des Landtags: stimmen Sie dem Gesetz nicht zu! Ein so schludriges Gesetz wird Grundrechtsverletzungen zur Folge haben, ganz abgesehen davon dass der Ausreisegewahrsam selber eine reine Grundrechtsverletzung ist.“

 

Was die Gesetzesverschärfungen für die betroffenen Menschen bedeuten, zeigt das Beispiel des in Essen geborenen Selami Prizreni, dessen Familie seit 30 Jahren in Deutschland lebt und der am Tag vor der Abstimmung im Sächsischen Landtag in den Kosovo abgeschoben wurde: „Dass Menschen künftig für die Dauer ihres Asylverfahrens isoliert in Erstaufnahmeeinrichtungen leben sollen – wie CDU und SPD im Bund planen – oder vor ihrer Abschiebung eingesperrt werden sollen – wie CDU und SPD in Sachsen planen – ist in keiner Weise hinnehmbar.“

 

Nachdem Prizreni 2010 bereits einmal abgeschoben worden war, prozessierte er 2013 erfolgreich gegen seine Abschiebung und floh zurück nach Deutschland. Dort rief gemeinsam mit seinem Bruder die Initiative Roma-Art-Action ins Leben und reiste dazu als Hip-Hop-Künstler durch Deutschland. Nun haben Freundinnen und Freunde eine Petition gestartet, um für ihn ein „sofortiges und dauerhaftes Bleiberecht“ zu erwirken.