Mit einer bewegenden Aussage einer Zeugin und ekelerregenden Details hat der erste Strafprozess gegen US-Entertainer Bill Cosby begonnen. Der 79-Jährige inszenierte sich zuvor als Opfer – und brachte prominente Unterstützung mit.
Norristown. „Free Cosby“ skandierten gut ein Dutzend Fans, während Bill Cosby um 9.18 Uhr flankiert von vier Polizisten und seinem Assistenten Andrew Wyatt das Gericht betrat. Ein Großaufgebot der Polizei sicherte das Gelände ab, über dem Gebäude kreisten Drinnen versuchte der Entertainer noch den Auftakt seines Prozesses wegen sexueller Nötigung in Norristown (Bundesstaat Pennsylvania) zu seiner eigenen Show zu machen. Gemeinsam mit Keshia Knight Pulliam, die seine jüngste Tochter Rudy Huxtable in der „Bill Cosby Show“ gespielt hatte, betrat der ehemalige Komiker das Montgomery County Gericht. Kurz alberten die beiden herum und twitterten Selfies. „Ich bin gekommen, um die Wahrheit zu hören“, kündigte Cosby an. Die Wahrheit ist: Dem 79-Jährigen drohen bis zu 30 Jahre Gefängnis.
Klare Worte an die Presse
Gleich zu Beginn des Prozesses machte Richter Steven O’Neill klar, wer in dem Saal das Sagen hat. Seine Ermahnung an die versammelte Presse: „Meine Rolle ist es, eine faire Verhandlung zu garantieren und unsere Jury so gut es geht zu schützen. Ich verstehe die Rechte einer freien Presse, aber sie darf in diesen Prozess nicht eingreifen.“ Kurz darauf, um 9.35 Uhr betraten die zwölf Geschworenen den Saal. Um Befangenheit auszuschließen hatte man sie aus dem 500 Kilometer entfernten Pittsburgh bestellt.
O’Neill verlas die Vorwürfe gegen Cosby – sexuelle Nötigung in drei Fällen – und erinnerte die Jury daran, dass „der Angeklagte als unschuldig gilt, bis ein Urteil gesprochen worden ist“. Cosby pocht darauf, dass der Sex mit der Universitätsangestellten Andrea Constand einvernehmlich und nicht unter Medikamenteneinfluss erzwungen worden war. O’Neills Warnung an die Geschworenen: „Ihnen ist es nicht erlaubt mit anderen über den Fall zu reden – auch nicht miteinander.“
Vertrauensbruch und Verrat
Um 10.30 Uhr eröffnete Staatsanwältin Kristen Feden ihr Plädoyer für die Anklage: „Es kann gar kein Sex im gegenseitigen Einvernehmen stattgefunden haben. Als Cosby Andrea die Pillen gab, wusste er, dass sie danach nicht mehr in der Lage sein würde, sich gegen seine Avancen zu wehren.“
Für Feden geht es in diesem Prozess um Vertrauensbruch und Verrat. Sie beschuldigt Cosby, seine Power und seinen Ruhm ausgenutzt zu haben. Constand habe ihn als väterlichen Freund und Mentor betrachtet: „Er hat eine vertrauenswillige, jüngere Frau in einen Zustand versetzt, in dem sie nicht mehr Nein sagen konnte – damit er sich sexuell befriedigen konnte.“
Sie verwies auf Cosbys eidesstattliche Erklärung von 2005. In der hatte die Comedy-Ikone zuggeben hatte, Constand anderthalb Benedryl-Tabletten gegeben zu haben: „Sie konnte sich danach weder bewegen, noch reden. Er hat ihre Hand genommen, sie auf seinen Penis platziert und masturbiert“.
Das dementierte Cosbys Anwalt Brian McMonagle bei seinem Verteidigungsplädoyer vehement: „In der Vergangenheit hat Andrea Constand immer wieder ihre Story geändert. In Wahrheit hatten sie eine Beziehung auf Gegenseitigkeit. Sie hat seine Geschenke angenommen und freiwillig bei ihm im Bett übernachtet.“
„Er hatte nur einen Bademantel an“
Die erste Zeugin der Anklage war Kelly Johnson. Die 55-Jährige hatte ab 1990 als Assistentin für Cosbys Agenten Tom Illius in der renommierten Hollywood-Firma William Morris gearbeitet. Im Laufe der Jahre entwickelte sie eine Freundschaft mit dem Star, der sie 1996 zum Lunch ins Bel Air Hotel einlud.
Das fand nicht im Restaurant statt – wie sie nach ihren Angaben geglaubt hatte – sondern in Cosbys Miet-Bungalow: „Er hatte nur einen Bademantel an als er die Tür aufmachte. Er wollte, dass ich Wein trinke, doch ich habe ihm gesagt, dass ich mir nichts aus Alkohol mache.“ Daraufhin habe Cosby ihr eine „große weiße Pille“ in die Hand gedrückt: „Damit ich mehr relaxt sein würde. Ich habe die Pille unter meiner Zunge versteckt, doch er hat mich gezwungen, meinen Mund aufzumachen und sie dann zu schlucken.“ Mit zitternder Stimme und Tränen in den Augen führte sie fort: „Ich fühlte mich, als sei ich plötzlich unter Wasser und muss dann ohnmächtig geworden sein.“ Als sie später zu sich kam, lag sie in Cosbys Schlafzimmer im Bett: „Ich trug noch mein Kleid, doch meine Brüste waren entblößt. Und unten war es über meine Hüfte geschoben.” Später habe Cosby dafuer gesorgt, dass ihr Boss sie feuerte.
Cosby-Anwalt zweifelt an Glaubwürdigkeit
Im Kreuzverhör attackierte McMonagle die Glaubwürdigkeit von Johnson und berief sich auf deren eidesstattlichen Erklärung aus dem Jahr 1996: „Damals haben sie behauptet, der Vorfall hätte sich bereits 1990 ereignet. Und sie haben nicht Cosby, sondern Ihren Boss der sexuellen Nötigung beschuldigt.“ Johnsons Antwort: „Ich hatte Angst, die Wahrheit zu sagen. Es stand mein Wort gegen einen der größten Promis der Welt.“