Sachsen will die Suchthilfe neu strukturieren und gibt dabei die Kontrolle aus der Hand. Städte und Kreise sollen über die Fördermillionen verfügen. Der Drogenbeauftragte der Regierung schlägt Alarm: Statt Hilfe für Kranke würde Geld in mehr Bürokratie versickern.
Dresden. Der Entwurf ist nur sechs Seiten lang, für politischen Zündstoff sorgt er aber trotzdem. Es geht um das, was abgekürzt „PsySu“ genannt wird – eine Richtlinie zur Förderung sozialpsychiatrischer Hilfen und Suchtprävention. Federführend dabei ist das Haus von Sozialministerin Barbara Klepsch (CDU), im Zentrum steht eine komplette Runderneuerung der finanziellen Förderung von Trägern, Initiativen und Vereinen. Reichte das Land bisher das Fördergeld über einen relativ komplizierten Bewertungsschlüssel weiter, so soll es nun an Landkreise und kreisfreien Städte gehen – pauschal, versteht sich. Insgesamt geht es um beachtliche Summen. Immerhin 12,1 Millionen Euro vom Freistaat sind dafür im laufenden Jahr vorgesehen, im kommenden sollen es gar 12,5 Millionen sein.
Weniger Hilfe - und die auch noch schlechter
An der Richtlinie selbst aber lassen Experten kaum ein gutes Haar. „Damit sind Abbrüche in Quantität und Qualität zu erwarten“, meint Frank Härtel, Suchtbeauftragter bei der sächsischen Landesärztekammer, der seit Jahren als Instanz im Kampf gegen Drogenmissbrauch gilt. Sein Argument: Im Zuge der Pauschalierung würden konkrete Anhaltspunkte über die Anzahl und Qualifikation des Personals abgebaut, im Gegenzug könnten die Kommunen freihändig die Mittel einsetzen – „nach Gefühl und Wellenschlag“.
Doch nicht nur das stößt bei Härtel auf Widerstand. Für ihn ist Klepschs Plan, in Zukunft ausgerechnet die Sächsische Aufbaubank (SAB) als Bewilligungsstelle festzulegen, ein geradezu absurder Gedanke. „Das ist ein Beispiel dafür, wie man produktive Arbeit abwürgt“, meint der Suchtbeauftragte. Denn damit steige der bürokratische Aufwand bei den Beratungsstellen enorm – was das Gegenteil von dem sei, was therapeutisch angesagt ist.
CDU will "Verfahren vereinfachen" - sieht aber Problemen in Großstädten
Klepsch sieht das naturgemäß anders. „Suchthilfe und Suchtprävention ist Aufgabe der kommunalen Ebene“, meint die Sozialministerin. „Mit unserer Finanzierung unterstützen wir sie dabei.“ Der Kampf gegen Drogen und Sucht sei allemal ein wichtiges Thema. „Jetzt wollen wir das Verwaltungsverfahren verschlanken und vereinfachen, dies ist auch ein lang gehegter Wunsch der kommunalen Seite.“
Rückendeckung erhält die Ressortchefin von Alexander Krauß. „Ich mache mir keine Sorgen, dass die Qualität sinkt“, sagt der Sozialpolitiker der CDU-Landtagsfraktion. Die Pauschale verfolge das Ziel, die Verfahren zu vereinfachen, „das ist okay“. Probleme gibt es laut Krauß lediglich in großen Städten, da dort die Beratungsstellen häufig auch von Betroffenen aus den Landkreisen in Anspruch genommen würden. Das führe zu erheblichen Schieflagen der gravierenden Mehrbelastungen – in Leipzig vor allem.
Sachsen hat ein Suchtproblem - Platz vier bei Alkoholismus
Dabei steht seit Langem fest, dass Drogenkonsum – neben den gesundheitlichen, sozialen und finanziellen Folgen für die Betroffenen – einen enormen volkswirtschaftlichen Schaden anrichtet. Auf unglaubliche 40 Milliarden Euro pro Jahr beziffert die sächsische Landesstelle gegen die Suchtgefahren (SLS) die Folgekosten deutschlandweit. Allein in Sachsen müssen sich demnach rund 21.000 Drogenkranke stationär behandeln lassen – ebenfalls pro Jahr.
Dabei liegt der Alkoholmissbrauch in Sachsen mit Abstand an erster Stelle der Problemfelder im Drogenbereich. Rund 77 Prozent aller Patienten in den Kliniken lassen sich deshalb behandeln, erst danach kommt die Horrordroge Crystal. Andere Substanzen dagegen spielen prozentual nur eine untergeordnete Rolle. Makabre Folge: Bei der Anzahl der Sterbefälle durch Alkoholmissbrauch belegt Sachsen bundesweit einen der vorderen Ränge – Platz 4 im Ländervergleich. Mehr Alkoholtote gibt es nur noch in Sachsen-Anhalt, in Mecklenburg-Vorpommern und in Bremen.
Das hat auch Volkmar Zschocke erkannt. „Hier wird ein Damoklesschwert über Suchthilfeprojekte gehängt“, meint der Fraktionschef der Grünen im Landtag. „Damit droht die Gefahr, dass Angebote in ihrer Qualität abgebaut werden.“ Angesichts steigender Suchterkrankungen sei das kontraproduktiv. „Ich halte diesen Kurs der Staatsregierung für falsch“, so Zschocke.
Für den Suchthilfe-Profi Härtel von der sächsischen Landesärztekammer steht genau das seit Langem fest. Weil die Zahl der Klienten auch in Sachsen zunehme, kämen auch auf die Suchthilfe zusätzliche Aufgaben zu. Die geplante Richtlinie aus dem Dresdner Sozialministerium aber verschärfe die Lage. „Die Beratungsstellen sind bis zum Anschlag ausgelastet“, meint er. Schon deshalb seien bürokratische Mehrbelastungen das falsche Signal.