Gewaltvorwürfe gegen stadtbekannten Verschwörungstheoretiker

Erstveröffentlicht: 
17.05.2017

Immer häufiger berichten Bürger von einem Mann, der auf Plakaten krude Parolen verbreitet. Nun soll er handgreiflich geworden sein.

 

Er gehört zu den merkwürdigsten Erscheinungen im Berliner Stadtbild: Ein untersetzter Mann mit runder Brille, mildem Blick – und großformatigen Schildern mit wilden Verschwörungstheorien, die er in die Luft hält. "Die zionistischen niederländischen und deutschen Staatsanwälte und Rechtsanwälte beteiligen sich am Mord der Ausländer und Psychischen Folter", steht etwa darauf, oder "Die Zionisten regieren die Welt, nicht Trump und nicht Merkel". Willkommen in der Welt des Mannes, der seinen Namen mit "Usama Zimmermann" angibt.

 

Auf den ersten Blick könnte man meinen, es handele sich nur um wilde, aber letztlich harmlose Verschwörungstheorien. Tatsächlich aber verbreitet der Mann ein eindeutig antisemitisches Weltbild: Seine Parolen reproduzieren das alte Märchen von der "jüdischen Weltverschwörung". Dazu kommt: Usama Zimmermann scheint auch gewalttätig zu sein.

 

Zu besichtigen sind seine Aktionen vor allem in Mitte, etwa vor dem Reichstagsgebäude oder am Bahnhof Friedrichstraße. Aber auch in Neukölln und an anderen Orten wurde er schon gesehen. Nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz baute er sich vor der anwesenden internationalen Presse auf, die den Ort des Geschehens filmen und fotografieren wollte – verkleidet als Weihnachtsmann.

 

Bei dem Gedenken für die Opfer des Terroranschlags auf einen Club in Orlando tauchte er auf. (Hier ein Video des Vorfalls). Auch vor der Internet-Konferenz re:publica in Kreuzberg wurde er gesichtet. Auf seinen Schildern steht häufig auch sein voller Name mit einem Verweis auf seine Facebook-Seite.

 

Bislang galt er vielen als harmloser Spinner. Doch vor kurzem ist bei der Berliner Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) die Meldung eines körperlichen Angriffs durch Zimmermann eingegangen. "Am 4. Mai 2017 wurde eine Frau in der Nähe des S+U-Bahnhofs Friedrichstraße angegriffen, nachdem sie eine Person kritisierte, die Plakate mit antisemitischen Inhalten präsentierte und diese auch lautstark skandierte", schreibt RIAS. "Nachdem die Frau gegen 16:45 Uhr dem ihr unbekannten Mann sagte, er solle es lassen, da es Antisemitismus sei, schlug dieser ihr mit dem Schild auf den Kopf und mit der Faust ins Gesicht."

 

Als die Frau zu Boden gefallen sei, habe er ihr gegen die Rippen getreten, wobei er deutlich gegen ihren Kopf gezielt habe. Erst als Passanten eingegriffen hätten, habe die Frau fliehen können. "Der Angreifer, Usama Z. ist der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus bekannt, jedoch wurde uns bisher nicht von der Anwendung physischer Gewalt berichtet." 

 

Zeuge berichtet von Angriff in Neukölln


Auch andere berichten von Gewalt. Auf der Facebook-Seite von RIAS beschreibt Facebook-User Robert Niedermeier einen Vorfall vom 9. Mai. Er habe Zimmermann in Neukölln wegen der Plakate zur Rede gestellt. Daraufhin habe dieser geschrien "'warum, warum, warum' und schlug wie ein Berserker auf mich ein". Als er sich wehren wollte, habe Zimmermann mehrere Männer herbeigerufen, die ihm zur Flucht verhalfen. Auf Anfrage der Morgenpost bestätigt der 49-Jährige den Hergang.

 

Von dem Angriff hat er Prellungen davongetragen, noch heute hat er Schmerzen. Zusammen mit einem Polizisten konnte er allerdings einen der "Fluchthelfer" festsetzen. Gegen Zimmermann selbst erstattete er Anzeige. Die Parolen auf den Schildern machen Niedermeier noch heute wütend. "Nur weil da nicht explizit draufsteht: 'Vergast alle Juden', wird es nicht als volksverhetzend angesehen, aber das ist es." Er finde nicht, dass man dies dulden müsse.

 

Vorfall Meldung Berlin Mitte, 4. Mai 2017 Angriff nach Kritik an Antisemitismus Am 4. Mai 2017 wurde eine Frau in der...

Posted by Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus - RIAS on Freitag, 12. Mai 2017

Die RIAS-Initiative warnt nicht nur vor Gewalt. Auch die von Zimmermann verbreitete Propaganda sei gefährlich. Der Inhalt der Schilder deute auf ein geschlossenes antisemitisches Weltbild hin, sagt ein Mitarbeiter auf Anfrage der Morgenpost. Das Wort "Zionist" sei deutlich erkennbar ein Codewort für "Jude".

 

"Die Behauptung, dass sich 'die Zionisten' in den Geheimdiensten versteckten und Terror in die Welt bringen würden, steht in einer sehr alten Tradition antisemitischer Verschwörungsmythen und letztlich in direkter Tradition zum Antisemitismus der NS-Zeit", so der RIAS-Mitarbeiter. Auch die Nationalsozialisten gingen davon aus, dass jüdische Mächte aus dem Verborgenen heraus das Weltgeschehen steuerten. Die Aussage, dass nicht Merkel oder Trump die Welt regierten, sondern "die Zionisten", sei letztlich ebenfalls eine wieder aufgewärmte Version des Mythos von der "jüdischen Weltverschwörung".

 

Zu guter Letzt beziehe sich Zimmermann immer wieder auf die "Protokolle der Weisen von Zion", eine fiktionale, antisemitische Hetzschrift aus dem russischen Kaiserreich Anfang des 20. Jahrhunderts. Darin wird das angebliche Treffen eines jüdischen Führers mit den "Weisen von Zion" beschrieben, bei dem diese die Übernahme der Weltherrschaft durch das "Weltjudentum" planen. Auch Adolf Hitler bezog sich in seinem Buch "Mein Kampf" auf die Schrift.

 

Bei der Polizei hieß es am Mittwochmorgen auf Anfrage, man habe von Zimmermann noch nichts gehört. Auch von dem von RIAS gemeldeten Angriff weiß man dort nichts. Auf Facebook kursieren allerdings Videos und Fotos davon, wie Polizeibeamte den Mann ansprechen und dessen Plakate offenbar beanstanden. Die kurzen Clips sind auf den 20. März dieses Jahres datiert. RIAS verweist zudem auf drei Ermittlungen im Zusammenhang mit Zimmermann, die ihnen bekannt seien.