Mehrfache Mutter als Nazi-Aktivistin?

Erstveröffentlicht: 
05.06.2010

Rechtsextremismus: Antifa-Gruppe erhebt schwere Vorwürfe gegen Frau aus Mannheim / Familie prüft rechtliche Schritte


Mehrfache Mutter als Nazi-Aktivistin?

Hat diese Frau wirklich zwei Gesichter? Auf der einen Seite die Mutter, die in zwei Elternbeiräten sitzt und die heile Welt ihrer Großfamilie auf der eigenen Internetseite präsentiert? Auf der anderen die Neonazi-Aktivistin, die auf einer Plattform im Netz über "Rassestolz" schwadroniert, gegen Juden hetzt und zu Hause mit ihrem Nachwuchs Torten mit Hakenkreuz-Verzierung kreiert? Oder ist, wie die betroffene Familie beteuert, alles nur ein großes Missverständnis?


Fakt ist: Die Autonome Antifa Freiburg (AAF) erhebt schwere Vorwürfe gegen eine Mutter aus Mannheim. Die Organisation hat es sich zum Ziel gemacht, Neonazis zu enttarnen - auch mit Mitteln, die rechtlich zumindest fragwürdig sind. Im Internet steht jetzt ein siebenseitiges Dossier über die Mannheimerin mit rechtsradikalen Äußerungen, die sie in einschlägigen Internetforen gemacht haben soll. Das Pikante daran: Das Dossier enthält privateste Informationen über die Frau - von der Adresse über Telefon- und Steuernummer bis hin zu Größe und Gewicht, dazu eine Reihe von Bildern. Bereits am Mittwoch hatten Unbekannte Flugblätter in der Nachbarschaft der Familie verteilt - das Papier war eine Kurzversion des Dossiers im Netz. Jetzt berichten auch überregionale Medien über den Fall.


Projekt Nazi-Enttarnung

Dem Dossier zufolge spielt die Frau eine wichtige Rolle auf Deutschlands größter Nazi-Plattform im Internet. Knapp 3000 Beiträge soll sie dort unter einem Codenamen veröffentlicht haben. Unter anderem hat sie laut AAF Sätze geäußert wie "Jude ist wieder Schimpfwort, den Leuten geht langsam ein Licht auf", "ein gewisser Antisemitismus ist normal und gesund" oder "Gegen die Durchrassung ist der Rassestolz notwendig". Auch der Holocaust wird thematisiert, den Angaben zufolge hat die Frau gesagt, dass der Massenmord an Juden nicht stattgefunden habe und dass in Konzentrationslagern keine Menschen durch Gas gestorben seien. Laut AAF veröffentlichte sie im Internet auch Bilder ihrer selbst kreierten Hakenkreuz-Torten und eine Schnittvorlage für Hakenkreuz-Fahnen.

Ihre Nazi-Enttarnungen haben der AAF schon viel mediale Aufmerksamkeit beschert. Unter anderem machte sie einen mutmaßlichen rechten Bombenbauer öffentlich, bei dem die Polizei dann auf Chemikalien und Baupläne stieß. "Wir machen das, um Menschen vor Nazis zu schützen", wird ein Mitglied in der "Süddeutschen Zeitung" zitiert. Wie die AAF an ihre Informationen kommt, ist unklar. Die Organisation erklärt, sie sei quasi inkognito in den Foren unterwegs. Experten gehen aber auch davon aus, dass sie Computer anzapft. Das Vorgehen der AAF hat bereits die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen, wegen möglicher Tatbestände wie etwa Verstoß gegen das Datenschutzgesetz. Die Ermittler kamen aber nie an die Urheber der Texte.

Der Ehemann der betroffenen Mannheimerin weist im Gespräch mit dem "MM" die Vorwürfe gegen seine Frau zurück. "Wir haben damit nichts zu tun und erwägen rechtliche Schritte", sagt er. Er wirkt ruhig und sachlich, was angesichts der Vorwürfe und der Kampagne gegen seine Familie überrascht. Seine Frau sei vorübergehend bei Freunden, nachdem sie einen Nervenzusammenbruch erlitten habe. "Sie hat sich nie auf der Nazi-Plattform bewegt." Und wie erklärt er sich die Vorwürfe? "Wir haben im Internet zu viele Informationen über uns preisgegeben." Jemand habe diese Einzelheiten über seine Frau genutzt, sich eine künstliche Identität zusammengebaut und damit auf der Plattform agiert. Überhaupt träfen viele Einzelheiten aus dem Dossier gar nicht auf seine Frau zu - beispielsweise sei sie gar keine Elternbeirätin. Die Bilder im Netz dagegen, die die Mannheimerin bei Aufmärschen von Rechten zeigen, seien echt. "Meine Frau hat ein breitgefächertes politisches Interesse, sie war auch schon bei Demos der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung und der SPD."

Jetzt ist die Polizei am Zug. Sie will ermitteln, so ein Sprecher gestern, ob an den Vorwürfen gegen die Frau etwas dran ist. red