In Leipzig treffen am Wochenende Mannschaften des Klubs Roter Stern auf Teams mit Spielern, die 2016 an einem Neonazi-Aufmarsch teilgenommen haben. Die Folge: Polizei und Security in der siebten Liga.
Wenn am Samstag der Bornaer SV und Roter Stern Leipzig (RSL) in der siebten Liga aufeinandertreffen, wird das kein normales Amateur-Fußballspiel: professionelle Security, ein separater Einlass für die RSL-Anhänger, Polizisten vor Ort.
Der Grund: Am 11. Januar 2016 war ein Mob von gut 250 Neonazis durch Leipzigs Szenestadtteil Connewitz gezogen und hatte dort - bewaffnet mit Äxten, Messern und Totschlägern - Verwüstungen hinterlassen. Treffpunkte der linken Szene wurden attackiert, darunter auch das Lokal des alternativen Fußballklubs RSL, der 2010 wegen seiner Integrationsarbeit vom DFB ausgezeichnet worden war. In einen Döner-Imbiss warfen die Rechten einen Sprengsatz, nachdem sie dort die Kasse geraubt hatten.
Warum das für ein Fußballspiel in der siebten Liga wichtig ist? Beim Aufmarsch waren drei Spieler des Bornaer SV dabei, der nun Roter Stern Leipzig empfängt, darunter der Kapitän.
Die Akteure werden gegen RSL nicht auflaufen, das hat der Klub aus Borna angekündigt. Dennoch werden die Sicherheitsvorkehrungen massiv verschärft: "Das ist natürlich sehr ungewöhnlich für ein Spiel in der Landesklasse Nord", sagt RSL-Sprecher Conrad Lippert: "Aber ein normales Spiel konnte das auch nicht werden."
Ein Leak sorgt für Bekanntwerden der Angreifer
Seitdem die Namen der Teilnehmer am Aufmarsch von damals publik sind, ist klar: Am Wochenende treffen gleich drei RSL-Teams auf Mannschaften, bei denen rechte Angreifer aus dem Januar gemeldet sind. Parallel zum Spiel der ersten Mannschaft in Borna tritt die dritte Herrenmannschaft des RSL beim TSV Seegeritz an. Und auch beim Leipziger FC, der am Sonntag die zweite Herrenmannschaft empfängt, waren Aktive an den Randalen beteiligt. Bei beiden Partien werden die entsprechenden Spieler ebenfalls nicht auf dem Platz stehen. Aber dennoch sind längst die Polizei, der Landessportbund und der sächsische Fußballverband in die Planung der kommenden Begegnungen involviert.
Der gespenstische Aufmarsch der Rechten fand in der Hochphase der Dresdner Pegida-Aufmärsche statt, deren Leipziger Ableger, "Legida", sich keinerlei Mühe gab, sich von Rechtsextremen abzugrenzen und an führender Stelle von rechten Fußball-Hooligans geleitet wurde. Der gewalttätige Aufmarsch in Connewitz war sofort als Machtdemonstration gelesen worden: Dem vermeintlichen Zentrum der Antifa sollte gezeigt werden, wem die Straße gehörte. Eine Hundertschaft der Thüringer Polizei setzte die Rechten damals fest und nahm deren Personalien auf.
Dass eine Liste mit den Personalien von 215 rechten Angreifern inklusive Klarnamen und Fotos nun im Netz kursiert, ist offenbar das Ergebnis eines geleakten Dokuments der Behörden. Erste Vermutungen sind seitdem Gewissheit: Zahlreiche Hooligans von Dynamo Dresden und Lok Leipzig (aber auch aus Erfurt, Chemnitz, Jena und Gera) waren dabei. Unter den sonstigen Aktivisten aus Nazi-Kameradschaften, Rotlicht-Größen und Biker-Klubs stellte die Polizei auch die Personalien von Mitgliedern der "Gruppe Freital" fest, gegen die die Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt.
Militante Aktionen von Linken als Reaktion
Nachdem die Identität der Rechten bekannt war, gab es allerdings auch militante Aktionen, die von Linken ausgingen. So wurde das Vereinslokal der SG Rotation Leipzig mit dem Slogan "Ihr habt einen Nazi-Hooligan im Verein" beschmiert, die Wohnung eines Hooligans und NPD-Aktivisten wurde völlig verwüstet.
Und beim Bornaer SV gingen nach Auskunft des Vorsitzenden Ingo Dießner mehrere Drohmails ein. Dabei hat der Verein eine Erklärung abgegeben, in der er sich deutlich positioniert, indem er für Samstag ankündigt, dass "Auftreten, mit dem u.a. rassistische, fremdenfeindliche, extremistische, homophobe, diskriminierende Ansichten zum Ausdruck kommen" angezeigt würde.
Seegeritz wird die beiden Spieler sogar über das Wochenende hinaus bis zur weiteren Klärung der Ereignisse nicht mehr einsetzen. Die Zusammenarbeit zwischen den Vereinen läuft also vernünftig und deeskalierend ab. Auch wenn sich mancher in Leipzig gerade fragt, ob Menschen, die gemeinsam mit militanten Neonazis und Kriminellen randalieren, vorher tatsächlich jahrelang ihre Gesinnung versteckt gehalten hatten.