„Der Staat muss seine Feinde nicht finanzieren“

Erstveröffentlicht: 
11.04.2017

Parteienrechtler Martin Morlok unterstützt den Vorschlag von Bundesinnenminister Thomas de Maizières, der NPD die staatlichen Gelder zu streichen. Trotzdem sieht er Probleme bei der Legitimation.

 

Thomas de Maizière (CDU) fand klare Worte, um sein Vorgehen gegen die rechtsextreme NPD zu begründen: Es sei ein „nur schwer erträglicher“ Zustand, eine als verfassungsfeindlich eingestufte Partei mit Steuermitteln zu unterstützen, sagte der Bundesinnenminister.

 

Anfang des Jahres hatte das Bundesverfassungsgericht der Partei ein politisches Konzept bescheinigt, das die Menschenwürde missachte und mit dem Nationalsozialismus wesensverwandt sei. Verboten wurde die Partei jedoch nicht. Zu gering seien ihre Aussichten, die bestehende freiheitlich-demokratische Grundordnung tatsächlich zu beseitigen, argumentierten die Richter.

 

„Dieses Urteil der Karlsruher Richter war ein Novum und zunächst einmal eine Liberalisierung des Parteiengesetzes“, sagt Parteienrechtler Martin Morlok. Er ist Direktor des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung an der Universität Düsseldorf. Zwar vertritt die NPD bereits seit ihrer Gründung 1964 rechtes Gedankengut, aber erst im Januar diesen Jahres stufte das Bundesverfassungsgericht sie offiziell als verfassungsfeindlich ein. „Nach bisheriger Rechtsprechung wäre die NPD verboten und aufgelöst worden. Jetzt hat man gesagt: Unsere Demokratie hält so eine kleine, quasi bedeutungslose Partei aus“, sagt Morlok.

 

Allerdings heißt das auch, dass die NPD weiter Geld durch die staatliche Parteienfinanzierung erhält – 2014 insgesamt 1,4 Millionen Euro. Diese Summe machte laut Rechenschaftsbericht knapp die Hälfte der Parteieinkünfte aus. Ein Vorstoß, die NPD auf lokaler Ebene von Fördermitteln auszuschließen, scheiterte kürzlich in Hessen. Die Stadt Büdingen nahe Frankfurt am Main wollte vier Abgeordneten der NPD im Stadtparlament das Fraktionsgeld von 370 Euro im Jahr entziehen, da sie „erkennbar verfassungsfeindlich“ seien. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof entschied allerdings, dass dies gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verstößt.

 

De Maizière hält die Förderung der NPD für nicht hinnehmbar und möchte daher unter anderem das Grundgesetz ändern. Artikel 21 soll um folgenden Passus ergänzt werden: „Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen.“ Wird der Ausschluss festgestellt, so soll künftig auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien entfallen.

 

Auf der Gesetzesebene möchte de Maizière also durchsetzen, dass die NPD nicht mehr von dem Staat profitiert, den sie bekämpfen will. Auch das Verfassungsgericht hatte auf die Möglichkeit hingewiesen, die Partei von staatlicher Förderung auszuschließen. Morlok unterstützt den Vorstoß des Ministers: Die jetzige Regelung hält er für „irrsinnig“. „Der Staat ist nicht verpflichtet, seine eigenen Feinde zu finanzieren“. In diesem speziellen Fall sei auch eine Abkehr vom Grundsatz der Gleichbehandlung aller Parteien gerechtfertigt.

 

Allerdings hält Morlok die vom Bundesinnenminister vorgeschlagene Gesetzesänderung in ihrer Form für problematisch. Mit de Maizières Vorschlag würden künftig drei von fünf Absätzen des Artikels 21 das Parteienverbot behandeln. „Das ist völlig unausgewogen“, sagt Parteienrechtler Morlok.

 

Er kritisiert auch, dass sich der Vorschlag auf eine direkte Vorlage des Innenministeriums beruft und nur scheinbar aus der Mitte des Parlaments kommt. Zwar sollen letztlich die Fraktionen der Regierungsparteien Union und SPD den Gesetzesentwurf in den Bundestag einbringen – die entsprechende Formulierungshilfe hatte allerdings de Maizière an die Fraktionsspitzen gesandt. 

 

NPD hat noch 5000 Mitglieder


Zudem hält Parteienrechtler Morlok das Vorhaben für übereilt. „Eine Grundgesetzänderung sollte man nicht so kurz vor Ende der Legislaturperiode durch das Parlament peitschen.“ Auch nach der Bundestagswahl im September würde sich die notwendige Zweidrittelmehrheit dafür finden, ist sich Morlok sicher.

 

De Maizières Vorhaben zielt auf eine Partei, die ohnehin geschwächt ist. Hatte sie vor zehn Jahren noch rund 7200 Mitglieder, sind es heute nur noch etwa 5000. Laut Rechenschaftsbericht für das Jahr 2014 erwirtschaftete die Partei trotz staatlicher Hilfen ein Minus von mehr als 350.000 Euro. Zudem verlor die NPD 2016 ihre letzten Landtagsabgeordneten, als sie in Mecklenburg-Vorpommern nur drei Prozent der Stimmen erreichte und den Wiedereinzug ins Länderparlament verpasste.

 

Im Europaparlament bleibt ihnen der ehemalige Parteivorsitzende Udo Voigt, der dort als Abgeordneter allerdings fraktionslos und isoliert ist. Im Bundestag war die Partei ohnehin noch nie vertreten. Auf kommunaler Ebene ist die NPD allerdings weiterhin aktiv und stellt in zahlreichen Kreistagen und Stadtparlamenten Volksvertreter.

 

Auch wenn Verfassungsfeinde wie die NPD gegenwärtig schwach seien, müsse die Idee einer wehrhaften Demokratie aufrechterhalten werden, mahnt Morlok: „Wer die Freiheit liebt, darf alle Freiheiten geben – nur nicht die, die Freiheit abzuschaffen.“