16 Jahre nach den Protesten in Genua übernimmt der Staat teilweise die Verantwortung für die brutalen Übergriffe durch Beamte
Nach 16 Jahren erkennt die italienische Regierung ihre Verantwortung für die Folter von sechs Demonstranten, die im Juli 2001 im Rahmen der Proteste gegen den G8-Gipfel in der Polizeikaserne Bolzaneto in Genua verhaftet wurden, zumindest teilweise an. Die Regierung werde jedem Opfer 45.000 Euro als Entschädigung zahlen, berichtete die Tageszeitung »La Repubblica«. Außerdem erkläre sich Italien bereit, seine Polizeibeamten in der Achtung der Menschenrechte besser auszubilden. Der Schadenersatz sei eine »gütliche Einigung« zwischen dem italienischen Staat und umfasse nur sechs der insgesamt 65 in der Kaserne verhafteten Demonstranten, die vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen Italien geklagt hatten, schrieb »La Repubblica«. Die anderen Kläger wollen die Richterentscheidung abwarten.
Keinesfalls scheint mit dieser Schadensersatzzahlung das dunkle Kapitel des G8-Gipfels in Genua abgeschlossen zu sein. Die juristischen Grenzen der Einigung zeigt Laura Tartarini, die einige der Kläger verteidigt, auf. Die gütliche Einigung betreffe das Zivilrecht, erläuterte die Anwältin gegenüber der Presse. Daher handele es sich um keine Aushandlung, die das Schuldbekentnis einer der Parteien impliziere. Den Schadenersatz haben die Kläger vor allem aus ökonomischen und persönlichen Gründen angenommen. »Diese Einigung ist keine moralische Befriedigung«, fügte Tartarini hinzu.
»Die chilenische Nacht«, so wird von der Presse die Nacht vom 21. auf den 22. Juli 2001 genannt. Damals brachen Polizeieinheiten in die Diaz-Schule ein und schlugen die dort schlafenden Demonstranten brutal zusammen. Viele von ihnen brachte die Polizei anschließend in die Kaserne Bolzaneto, in der etwa 200 Menschen festgehalten wurden. In Bolzaneto wurden sie stundenlang physisch sowie psychologisch gefoltert.
In Italien hatte 2013 ein Prozess gegen die Misshandlungen in Bolzaneto zur Verurteilung von sieben Polizeibeamten geführt. Die Angeklagten erhielten Gefängnisstrafen von fünf Monaten bis zu drei Jahren, während die Straftaten von 70 weiteren Polizisten bereits verjährt waren. Grund für die Verjährung war, dass nach dem geltenden italienischen Strafrecht solche Folterfälle nicht ausreichend untersucht und bestraft werden können, wie 2015 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Fall der Diaz-Schule erklärte.
Politisch bleibt dieser Punkt noch offen. Bisher hat die italienische Regierung noch kein geeignetes Gesetz beschlossen, um folternde Polizisten effektiv verfolgen zu können. Mehrere Versuche wurden bisher im Parlament von der sogenannten »Partei der Polizei«, der konservative Kräfte angehören, erfolgreich sabotiert. Ein Schadenersatz ist daher als eine Art von Spende anzusehen, die diese Schande ausblenden soll.