Acht Polizeiautos in Eimsbüttel ausgebrannt. Spirale der Eskalation im Gang: Weitere Anschläge für April geplant.
Von Daniel Herder, Christoph Heinemann und André Zand-Vakili
Eimsbüttel. Normalerweise ist der Dienst in der Außenstelle der Polizeiwache 23 an der Grundstraße von äußerster Ruhe geprägt. Damit ist es in der Nacht zu Montag vorbei: Um 2.42 Uhr hören zwei Polizeibeamte aus Richtung des Innenhofs einen lauten Knall. Dort sehen sie kurz darauf einen lichterloh in Flammen stehenden Mannschaftswagen. Das Feuer greift sofort auf weitere Fahrzeuge über. Die Hitze ist so gewaltig, dass mehrere Fenster am Dienstgebäude zerspringen. Der Brand ist offenbar ein Fanal von Linksextremisten vor dem G20-Gipfel im Juli in Hamburg.
Die Feuerwehr, mit einem größeren Aufgebot zum Einsatzort ausgerückt, greift mit Löschschaum an. Doch von den Polizeiautos bleibt nicht viel übrig. Vier Mannschaftswagen vom Typ Mercedes Sprinter brennen auf dem Gelände der nur sporadisch besetzten Außenstelle komplett aus. "Zwei weitere Mannschaftswagen und zwei zivile Funkstreifenwagen wurden ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen", sagt Polizeisprecher Florian Abbenseth. Die Höhe des Sachschadens sei nicht bekannt.
Neue Qualität von Anschlägen vor G20-Gipfel
Mit den Ermittlungen beginnt die Staatsschutzabteilung der Kriminalpolizei noch in der Nacht. Während der Löscharbeiten wird ein Mann festgenommen; er steht allerdings nicht im Verdacht, die Polizeiautos angezündet zu haben. Der Anwohner hatte wegen "ruhestörenden Lärms" Polizisten und Feuerwehrleute bepöbelt und war nach "Widerstandshandlungen" abgeführt worden. An der Mauer entdecken die Beamten in der Nacht zudem eine Klappleiter, mit der sich der oder die Täter Zutritt zum Gelände verschafft oder von wo aus sie Brandsätze über die Mauer geschleudert haben könnten.
Wenig später folgt Polizeihund Trude einer Fährte bis zu einem Schlachter an der Ecke Methfesselstraße/Osterstraße. Dort verliert sich die Spur. Hatten der oder die Täter dort ihr Fluchtfahrzeug abgestellt? Eine Videoaufzeichnung der Tat gibt es nicht. Mehrere Kameras erfassen zwar auch den Innenhof der Wache, sie zeichnen aber nicht auf. Die Bilder werden live auf einen Monitor im Wachraum übertragen. Ob und gegebenenfalls was die Beamten gesehen haben, müsse nun erst ermittelt werden, so Abbenseth.
Am späten Montagabend dann bekannte sich auf Indymedia eine Gruppe mit dem Namen SmashG20 zu dem Brandanschlag in der Grundstraße. "Wir wollten es uns nicht nehmen lassen, die heißen Tage vor dem Gipfel anzuheitzen", heißt es auf dem bei Indymedia veröffentlichten Pamphlet unter der Überschrift "Ganz Hamburg hasst die Polizei/Die ganze Welt hasst die Polizei." Weiter steht dort: "Wir haben genau deshalb die Polizei angegriffen, da sie in dieser perfiden Maschinerie die unmittelbar ausführende Gewalt sind."
Rund 100 Tage vor Beginn des G20-Gipfels ist damit eine Spirale der Eskalation im Gang. Vor zehn Tagen verübten Linksextremisten zwei Brandanschläge. An der Schmarjestraße, in der Nähe der Wohnung von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), ging in der Nacht zum 17. März ein Transportwagen der Polizei in Flammen auf; zur gleichen Zeit wurde unweit des Polizeipräsidiums in Winterhude ein Bus der Gewerkschaft der Polizei (GdP) angegriffen und zerstört.
Linke planen Anschläge im April
Bereits im September 2016 hatten unbekannte Täter zwei Privatfahrzeuge eines Hamburger Polizeidirektors vor dessen Haus in Lemsahl-Mellingstedt abgefackelt – in einem Bekennerschreiben "begründeten" sie ihre Tat auch mit der künftigen Funktion des hochrangigen Beamten beim G20-Gipfel. Der Anschlag in Eimsbüttel hat jedoch eine neue Qualität: Erstmals scheuten Extremisten nicht davor zurück, die Polizei auf eigenem Terrain anzugreifen.
Dazu passt, dass die Linke auch öffentlich ihren Protest symbolhaft in Szene setzt. Seit Sonntagnachmittag prangt auf der Roten Flora eine bläuliche Lichtinstallation mit dem Schriftzug "No G20" – wobei "G20" mit Stacheldraht umrandet ist.
Eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht. Wie das Abendblatt aus linken Kreisen erfuhr, soll der April als "Aktionsmonat" die "heiße Phase" vor dem Gipfel einläuten. Sowohl gemäßigte als auch extremistische Gruppen haben dafür konkrete Planungen entworfen – die Bandbreite soll von offiziellen Veranstaltungen zur Geldgewinnung über Konferenzen bis zu gezielten Anschlägen auf noch unbekannte Ziele reichen. Auch in Polizeikreisen ist man über den Aktionsmonat informiert.
Verfassungsschutz: 11.000 Gewaltbereite erwartet
Nach Abendblatt-Informationen geht der Bundesverfassungsschutz davon aus, dass zum G20-Gipfel rund 11.000 gewaltbereite Demonstranten aus dem In- und Ausland in Hamburg aktiv werden wollen, insgesamt wird mit rund 150.000 Demonstranten gerechnet. In Lagepapieren der Polizei ist davon die Rede, dass während des Gipfels Anschläge auf Straßenverkehr, Bahnverbindungen und Luftraum möglich sind – zudem könnten Demonstranten versuchen, die Anfahrtswege für die Staatsgäste zu blockieren.
Die Anschläge im Vorfeld des Gipfels kämen nicht überraschend, heißt es aus Sicherheitskreisen. Die Maßnahmen sollen bereits in naher Zukunft hochgefahren werden. Insgesamt werden beim G20-Gipfel dann mindestens 14.000 Polizisten in Hamburg im Einsatz sein, mehr als jemals zuvor.
Die abgebrannten Einsatzfahrzeuge sind, wie alle Fahrzeuge von Polizei und Feuerwehr, nicht versichert. Schäden und Ersatz müssen aus dem Haushalt für Sachmittel – und damit vom Steuerzahler – bezahlt werden. Gerade bei den Mannschaftswagen ist die Zahl der zur Verfügung stehenden Ersatzfahrzeuge aber nicht so groß.
Kommentar: Politik muss handeln (Seite 2)
Von Daniel Herder
Folgen Anschläge von Linksextremen auf Menschen? Nach den Vorfällen sind die Politik und die Polizei in der Pflicht.
Auf viele Polizeibeamte muss das neue Wahrzeichen der Roten Flora, eine Leuchtinstallation mit dem Schriftzug "No G20", wirken wie blanker Hohn – die Tafel wurde am Sonntag in Betrieb genommen, wenige Stunden vor dem Brandanschlag auf eine Eimsbütteler Dienststelle der Polizei. Der eine Teil der linken Performance gegen den Gipfel geht als Meinungsäußerung in Ordnung. Der andere Teil, der Anschlag in Eimsbüttel, ist ein Ausdruck von Hass und Selbstgerechtigkeit.
Am späten Montagabend tauchte ein Bekennerschreiben auf. Die Bekennung nach den zwei Brandanschlägen vor elf Tagen legte bereits Zeugnis ab von der Enthemmung der Gewalttäter. Da wird die Polizei mit platten Parolen zum legitimen Angriffsziel und im gleichen Abwasch deren Berufsvertretung zum "politischen Arm" der Polizei erklärt. Nach dieser Diktion darf man Autos abfackeln, selbst wenn die nur Kaffee von einem Einsatzort zum nächsten transportieren. Geht's noch?
G20-Protest hat Grenze überschritten
Man mag zum G20-Gipfel stehen, wie man will. Auch zur Frage, ob es sinnvoll ist, eine derartig große, polarisierende Veranstaltung in eine Millionenstadt zu holen. Nicht verhandelbar ist aber die Frage, welche Grenzen der Protest hat. Mehr oder weniger offen haben Linksextremisten damit gedroht, dass im Aktionsmonat April die "heiße Phase" vor dem Gipfel eingeläutet werden soll. Es steht also zu befürchten, dass weitere Anschläge folgen. Etwa gezielte Angriffe auf Menschen?
Dass sich Extremisten nicht von ihrer Hass-Mission abbringen lassen, liegt in der Natur der Sache. Also sollten Politik und Polizei hart gegensteuern. Eine stärkere Überwachung des Fuhrparks und rigorose Gefährderansprachen sind das Mindeste. Vielleicht sollte man auch bereits jetzt über den Einsatz zusätzlicher Beamter aus anderen Bundesländern in Hamburg nachdenken.