In Frankreich werden seit einigen Jahren in Einzelfaellen (2015 waren dies ca. 1600 Faelle) Einreiseverbote in bestimmte Departements (kleinere Regionen, Frankreich besteht aus 90) erteilt. Dies geschieht oft als Repression politischer, militanter Aktionen, bspw. Im Zuge von Demos. Haeufig werden diese mit hohen Bewaehrungsstrafen versehen, um die Hemmschwelle, gegen diese zu verstossen, zu erhoehen. Der Staat erhofft sich davon eine Einschraenkung der Handlungsmacht widerstaendiger Personen und die Eindaemmung sozialer Kaempfe durch raeumliche Isolation.
Um gegen diese besonders perfide Art der Repression zu protestieren, zogen wir am Montag, den 27.03., mit etwa 40 Menschen von Bure aus los, um gemeinsam mit einem vom Einreiseverbot betroffenen Genossen symbolisch die Grenze zum Departement zu ueberschreiten. Er befindet sich in Bewaehrung, doch die bei Festnahme drohende Haftstrafe von sechs Monaten hielt ihn nicht davon ab, ein Zeichen gegen die Staatsmacht zu setzen. Nicht zuletzt, weil er die Hoffnung hegt, nur der Anfang einer Serie dieser Aktionen zu sein, wodurch die Herrschenden zumindest dazu gezwungen waeren, ihr Repressionsinstrument zu modifizieren, v.a. aber vor der Widerstaendigkeit und Selbstbestimmung der Betroffenen zu resignieren. Er wurde in Folge der Raeumung der Bezetzung des Bois Lejuc, des von der Atommuelllagerung bedrohten Waldes, wurde Florent im Juli verurteilt - zusaetzlich zu seiner sechsmonatigen Bewaehrungsstrafe- zu zwei Jahren Landverbot in der Meuse. Hier seine Presseerklaerung:
In den letzten Tagen in Bure wurde ein Schalter umgelegt. Der des unterdrückten Zornes und der Resignierung. Die Demonstration des 18. Februar war die Gelegenheit, alle Gegner des Cigéo-Projektes zu sehen, die sich gemeinsam auf den Weg zu den ANDRA-Zaeunen gemacht haben und sie umgelegt haben. Obwohl wir noch viele Jahre Kampf vor uns haben, sind wir entschlossen. Die Zeit scheint mir gekommen, meine Entscheidung, mich dem Landverbot zu widersetzen, in die Oeffentlichkeit zu tragen.
In der Tat wurde ich am 7. Juli 2016 festgenommen waehrend der Raeumung des Bois Lejuc (Wald in der Naehe von Bure), am 6. September wurde ich zu sechs Monaten Gafängnis auf Bewaehrung verurteilt und zu zwei Jahren Verbot, in der Meuse zu erscheinen. Da ich mich Repression nicht beugen will, bin ich weiter nach Bure und in die Umgebung gekommen und gegangen wie ich es wollte und habe dort meine Verbindungen zu meinen Genossinnen und Genossen verstaerkt. Obwohl einige verpixelten Bilder den Nachichtendiensten und Behörden vorliegen müssen, haben die Gendarmen mich noch nicht in die Finger bekommen.
Wenn ich mich heute oeffentlich positioniere, ist es, um die Initiative zu behalten und nicht mehr unter der Angst zu leben, kontrolliert zu werden. Es ist, um hier und überall eine repressive Waffe, die sich systematisiert und die durch Einschuechterung funktioniert, anzuprangern und zu bekaempfen. Ich will den Behoerden auch sagen: «Wir fürchten euch nicht mehr. Ihr könnt euch weiterhin in eurer repressiven Vorgehensweise einschliessen. Ich lasse euch glauben, dass ihr eure Atomwüste mit Landverweisungen bauen koennt. Wir kaempfen weiter!»
Wenn das Cigéo-Projekt Wirklichkeit wird, werden wir alle langfristig Landverbot haben. Seien wir solidarisch und prangern wir die Repression an!
Nach gut zwei Kilometern Demoroute zwischen Aeckern und Wiesen hindurch ohne jegliches Publikum erreichten wir die Departementsgrenze. Dort fand eine kurze Pressekonferenz statt, woraufhin wir nach laengerer Verzierung der Umgebung gemeinsam – der betroffene Genosse an der Spitze – auf das Departement, aus dem wir vorher gekommen waren, zurannten, ein symbolisches Band durchrissen und zu den Toenen epischer Musik die Grenze ueberschritten. Bunt vermummt, mit Masken und kreativen Protestformen stellten wir einen lustigen und widestaendigen Haufen dar. Fahrradfahrer_innen kundeten die Umgebung nach Bullen aus. Diese liesen auch nicht lange auf sich warten. Auf dem Rueckweg nahmen wir unseren gut verkleideten Genossen in die Mitte und liesen keinen Zugriff der Cops zu. Zurueck in Bure jagten wir die dort wachenden Bullen mitsamt Karre mit Geschrei aus dem Dorf.
Das erfreute diese jedoch gar nicht und schon bald kehrten sie mit groesserem Aufgebot zurueck. Ca. 30 Bullen besuchten uns zuhause vor unserer Tuer. Wir verhinderten ihnen zwar den Zutritt zu unserem Haus, aber sie hingen fuenf Stunden dort herum und versuchten, psychische Gewalt mit mackerigem Kraeftemessen sowie mit Filmen und Fotografieren auf uns auszuueben. Als Gruende dafuer wurden der versuchte Angriff auf Bullen, das Verjagen derer aus dem Dorf, die Vermummung mit Skimasken etc. und der illegale inszenierte Grenzuebertritt angegeben. Wir waren so klug, ihnen keinen weiteren Grund zum Zugriff zu liefern, da sie uns zahlenmaessig nun weit ueberlegen waren. Doch schliesslich verschwanden sie wieder aus Bure und mussten einsehen, dass unsere Solidaritaet staerker als ihr blinder Gehorsam ist.
Unserem vom Einreiseverbot betroffenen Genossen war und ist der gemeinsame antinukleare und antikapitalisische Kampf um den Wald und die Region um Bure wichtiger als seine eigene Sicherheit. Er wollte und will sich nicht vom franzoesischen Staat daran hindern lassen, weiterhin hier mit uns zusammen zu leben und zu kaempfen. Er wollte ein oeffentliches Zeichen setzen, gegen staatliche Autoritaet, Repression und Vereinzelung. Doch es wird im Wind verhallen, wenn nicht weitere Folgen. Deshalb zeigt Solidaritaet, tut dasselbe oder ermutigt andere betroffene Genoss_innen dazu. Und kommt nach Bure, wenn ihr mithelfen wollt, beim Kampf um den Wald und einem selbstorganisierten und autonomen Leben darin und ueberall!
Fight Capitalism. Fight Nuclear Power. Fight Repression.
Mehr Info zum Widerstand in Bure: