Kleiner Eklat auf dem Gipfel der G-20-Finanzminister: USA verhindern Bekenntnis zum »Freihandel«. Die Gegner des Treffens demonstrierten hingegen geeint
Wolfgang Schäuble wirkte noch schlechter gelaunt, als man das von ihm gewohnt ist. Zum Abschluss des zweitägigen Gipfels der G-20-Finanzminister in Baden-Baden musste der deutsche Finanzminister am Sonnabend vor der Presse bekennen, dass es das bei diesen Treffen bisher obligatorische Bekenntnis zum Freihandel und gegen Protektionismus nicht in die Abschlusserklärung geschafft hatte. US-Finanzminister Steven Mnuchin hatte nur den nichtssagenden Satz zugelassen: »Wir arbeiten an einer Stärkung des Beitrages des Handels zu unseren Volkswirtschaften.«
In der Abschlusserklärung des Treffens heißt es zudem, man wolle bestehende Vereinbarungen bezüglich des Wechselkurses verschiedener Währungen beibehalten. Von Währungsabwertungen, die der Industrie des jeweiligen Landes Exporte erleichtern, würden die G-20-Länder Abstand nehmen. Ohnehin sei die Weltwirtschaft dabei, sich zu erholen. Zum Umgang mit den Devisenmärkten heißt es, die Länder würden sich weiter eng miteinander abstimmen wollen.
Finanzminister Schäuble kommentierte dennoch wenig diplomatisch das Verhalten der USA: »Der eine oder andere Staat« müsse noch ein Gefühl dafür bekommen, »wie internationale Zusammenarbeit funktioniert«. Dann schob er eilig nach, die Diskussionen hätten trotzdem belegt, »wie unverzichtbar die Vereinigten Staaten sind in einer Welt, die so viele Probleme hat«.
Im Nachgang der Konferenz berichtete die hiesige Presse weitgehend einheitlich, die USA hätten mit Blick auf ihr Credo »America first« ein Bekenntnis gegen Protektionismus blockiert. Politiker aus Afrika – die Volkswirtschaften ihrer Länder sind weitgehend ungeschützt den Begehrlichkeiten des Westens ausgeliefert – präsentierte Spiegel online als Vorkämpfer des Freihandels.
Das globalisierungskritische Netzwerk ATTAC kritisierte am Sonnabend hingegen, das Treffen der Finanzminister habe »erneut deutlich gemacht, dass von den G20 keine demokratischen und gerechten Antworten auf globale Probleme zu erwarten sind«. Alfred Eibl vom bundesweiten AT TAC-Koordinierungskreis erklärte: »Unter Führung von Schäuble setzen sie weiter auf Deregulierung, Sparpolitik und ungerechten Welthandel – statt endlich entschieden gegen Steueroasen und den Steuerunterbietungswettbewerb vorzugehen und eine wirksame Regulierung der Finanzmärkte voranzutreiben.«
Beim Thema Welthandel sei ebenfalls keine Besserung zu erkennen, so ATTAC weiter. »Ob Trumps ›fairer‹ Handel oder sogenannter Freihandel im Sinne der deutschen Exportwirtschaft: Es geht um ungerechte Handelsregeln zu Lasten der Schwachen«, sagte Alexis Passadakis von der ATTAC-Projektgruppe G20. Seine Organisation fordere einen kooperativen Welthandel mit gerechten Regeln für alle. »Davon sind die Handelskrieger à la Trump ebensoweit entfernt wie die neoliberalen Freihändler à la Merkel und Schäuble«, so Passadakis.
Der in Baden-Baden besprochene Ansatz der G-20-Finanzminister, durch verstärkte private Investitionen die Entwicklung Afrikas zu beschleunigen, geht für die Globalisierungskritiker ebenfalls am Problem vorbei. Christian Blank vom ATTAC-Koordinierungskreis: »Damit wollen die G20 darüber hinwegtäuschen, dass ein Großteil der armen Länder von ihren Treffen ausgeschlossen ist. Angesichts der zunehmenden globalen Ungleichheit ist es höchste Zeit, alle Länder des Südens mit an den Tisch zu holen.«
Trotz Kälte und Regen beteiligten sich rund 600 Menschen am Sonnabend an einer Demonstration gegen das Finanzministertreffen im Zentrum Baden-Badens. »Die relativ geringe Teilnehmerzahl hängt damit zusammen, dass die Stadt ziemlich abgelegen ist«, sagte Stefan Reiner vom Demobündnis im Gespräch mit junge Welt. Die Stimmung unter den Protestierenden sei dennoch gut gewesen. Mit der Demonstration habe man ein Zeichen gegen die Politik der G20, aber auch generell gegen Kapitalismus und Ausbeutung gesetzt.
Die mit einem Großaufgebot angetretene Polizei habe sich zurückgehalten, so Reiner. Bei der Demo sei die vor kurzem vom Bundesinnenministerium verbotene Fahne der kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG mitgeführt worden. Die Polizei habe aber nicht eingegriffen.