Am 6. Februar wurde mit der Rodung von Tausenden Bäumen an der Mur begonnen. Das war der erste Schritt für den Bau des Murkraftwerks (MKW). Seitdem verhindern und stören Aktivist_innen kontinuierlich die Bauarbeiten. Hier die Argumente gegen das MKW und eine Übersicht über den Kampf an der Mur.
Die Ereignisse der letzten Wochen in Graz zeigen wie komplex das Thema Murkraftwerk ist. Im Widerstand gegen den Kraftwerksbau verschränken sich nämlich gleich mehrere Kämpfe auf unterschiedlichen Ebenen:
1. Der Kampf für die Erhaltung der Mur und seiner Ufer als Ökosystem
2. Der Kampf gegen kapitalistische Interessen und die Logik der Technologisierung
3. Der Kampf gegen den Unwillen sich mit der Nazivergangenheit von Graz auseinander zu setzen
Nicht zuletzt ist der Widerstand gegen das MKW ein Kampf um Würde und Selbstbestimmung der in Graz lebenden Menschen.
In ein paar Worten wollen wir das näher ausführen:
Die renaturalisierte Mur und ihre Ufer sind das Zuahuse von (bedrohten) Tierarten. Der Fluss, der mitten durch Graz fließt, wurde vor hundert Jahren begradigt, hat aber im Laufe der Zeit einen naturnahen Charakter entwickelt. Die Tierarten wie der Huchen und die Würfelnatter verlieren nun durch den Kraftwerksbau ihren Lebensraum und die Wasserqualität wird schlechter. Das alles für mehr „Ökostrom“ aus einem ineffizienten Kraftwerk. In Österreich sind außerdem schon fast alle Flüsse verbaut. Nur noch wenige Kilometer fließen frei. Anstatt die Logik des immer größeren Energieverbrauchs zu hinterfragen wird Wasserkraft dem Atomstrom gegenübergestellt.
Das Kraftwerk macht aus volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten keinen Sinn und kann nur durch öffentliche Förderungen durchgedrückt werden. Wer profitiert, sind die Unternehmer_innen, die selbst zugeben, dass der Bau des Kraftwerks sein eigentlicher Zweck ist. Und der Bürgermeister, der sich selbst ein Monument errichtet und die Bedürfnisse seiner Baufreunde befriedigt.
Das Murkraftwerk wird auf dem Gelände des „Lagers Liebenau“ errichtet. Dieses NS-Zwangsarbeiterlager war in den letzten Kriegsmonaten eine Zwischenstation des Todesmarschs von ungarischen Juden Richtung Mauthausen. Zeitzeugen berichten von der Ermordung dutzender Juden auf dem Gelände. Nach Kriegsende versanken die Geschichten um das Lager im kollektiven Vergessen der Stadt. Die Grazer Stadtregierungen seit 1945 interessierten sich nicht für die Aufarbeitung der Geschehnisse im Lager. Durch die aktive Verdrängung leugnen sie, dass Graz eine Stätte des Holocaust ist. Nun zeigt sich, dass sie mit dem Versiegeln des Bodens die Aufarbeitung für immer unmöglich machen wollen.
Kampf um die Würde
Diese Argumente umfassen aber nicht alles, worum es im vielschichtigen Kampf gegen das Murkraftwerk geht. Es geht nicht „nur“ um den Schutz der Auen. Es geht nicht „nur“ um den Kampf gegen Kapitalismus. Und es geht nicht „nur“ darum Graz als Nazistadt zu entlarven…
… es geht hier auch um revolutionäre Beziehungen zwischen souveränen Menschen und dem Territorium, auf dem sie sich entschieden haben zu leben. Es geht um die Freiheit. Es geht um die Würde. Es geht um gegenseitige Hilfe. Starke, wilde Individuen, die lieber angreifen, als in Demut zu leben. Es geht darum gegen die Zerstörung des Lebens zu kämpfen. (Aus: Einige Vorschläge zum Kampf für die Freiheit der Menschen, den Kampf für die Mur, für einen neuen Antimilitarismus, sowie einige zur Zerstörung der Industrie, der Wirtschaft und der Herrschaft.)
Chronologischer Überblick:
Jänner: Bannertage mit Sprüchen wie „Lebensräume statt Managerträume“ und „Der Widerstand wächst“ bzw. „Murkraft verhindern“
4. Februar: „Rettet die Mur“ veranstaltet Demonstrationsmarsch gegen das Kraftwerk, 4 000 Menschen nehmen Teil
5. Februar: Gemeinderatswahlen – Der Bürgermeister, der das Kraftwerk unterstützt, wird wiedergewählt
6. Februar: Baustart gegen 4 Uhr früh: Bauzäune werden aufgestellt, Securities und Polizei sperren Rodungsgebiet zwischen Puchsteg und Puntigamer Brücke ab. Als Aktivist_innen versuchen in den Baubereich zu gelangen, reagieren Securities gewalttätig, die Rodungen starten
Nachmittag: Menschenmengen verlangsamen die Rodungen, wiederholtes gewalttätiges Vorgehen von Securities, Polizei schreitet nicht ein – Spontandemo, Baustellenbesetzung und Räumung durch die Polizei, 7 Festnahmen wegen strafrechtlicher Vergehen
8. Februar: Störaktionen kurz vor der "Rettet die Mur"-Kundgebung, Bauarbeiten werden auf die nördliche Seite des Puchstegs verlegt, Harvester wird für kurze Zeit außer Gefecht gesetzt, Securities tragen Aktivist_innen vom Bagger
Während der Kundgebung kommt eine Gruppe von Kajakfahrer_innen an und kann durch Paddeln die Rodungsarbeiten immer wieder behindern und rauszögern, am Nachmittag werden die Rodungsarbeiten mit starkem Protest stark verlangsamt, drei Bäume besetzt, einer in der Nähe der Puntigamerbrücke, wo noch ein kleiner Baumbestand übrig ist und zwei nördlich des Puchsteges auf der westlichen Seite der Mur.
Gleichzeitiges Errichten vom Protestcamp „Murcamp“, auf der östlichen Seite der Mur.
9. Februar: ~ 19 Uhr. Am Abend kommen Securities mit Polizeiverstärkung ins Camp und kündigen an, dass das Protestcamp am nächsten Morgen geräumt würde, da die Energie Steiermark (ESTAG) den Grund aufgekauft hätte, die Rodung für den besetzen Teil anstehe und das Camp somit illegal hier wäre. Barrikadenbau
Oppositionelle Politiker_innen bieten an zu vermitteln und schwächen so den Widerstand
10. Februar: ~ 4 Uhr. Securities fordern zu Campräumung auf, Menschen weigern sich, Polizei stellt Fluchtlichtscheinwerfer auf, LKW mit Bauzäunen wird mit Bierbänken blockiert, zwei der drei Zufahrten zum Murufercamp blockiert – die Polizei kommt nicht weiter.
Im Norden, Höhe Seifenfabrik, Ostseite wird der Radweg gesperrt, passiver Widerstand von Aktivist_innen, mit Polizeiverstärkung wird das Vorhaben durchgesetzt, 2 Menschen gelangen ins abgesperrte Gebiet und besetzen Bäume
~09.30 Uhr. Polizeiverstärkung, die Lage spitzt sich zu. Camp wird mit Bauzäunen gekesselt, Sitzblockaden im Norden werden geräumt, danach das Camp, Cobra räumt Baumbesetzer, Rodungen werden fortgesetzt
11. Februar: Neuerrichtung des Murcamps am Ufer nördlich der Seifenfabrik
12. Februar: Bagger und Ufer wird beim Puchsteg blockiert, Polizei spricht Ultimatum aus, Gelände wird freiwillig verlassen
13. Februar: Baggerbesetzung, 4 Stunden Baustopp, 2 Festnahmen
14. Februar: mehr als 200 Personen im Baugelände, Baggerblockaden
15. Februar: große Protestbeteiligung; mehrere Blockaden, sämtliche Bauarbeiten auf der Olympiawiese zum Stehen gebracht
Estag kündigt medial Zivilrechtsklagen an.
Räumung des Geländes durch Cobra, 5 Festnahmen
17. Februar: Widersprüchlicher Kampf – bei einer Demonstration wird Nationalsozialist Konrad Lorenz zitiert
24. Februar: Aktionsmobilisierung, ca. 80 Personen auf der Baustelle Olympiawiese, Securities reagieren gewalttätig gegen Aktivist_innen
nicht bestätigte Bodenfunde aus der Zeit des ehem. NS-Lager Liebenau gesichtet, werden untersucht
am Nachmittag Demonstrationsmarsch vom Augartensteg zum Puchsteg
27. Februar: 2 kurze Baggerbesetzungen, gewalttätige Übergriffe von seiten der Securities (würgen, Haare reißen, kopfüber vom Bagger zerren), sie fotografieren unter Gewaltanwendung mit Privathandies die Gesichter der Aktivist_innen (bzw. versuchen es), Polizei sieht zu
4. März: Bannerdrop „Murkraftwerk stoppen“ auf dem Schlossberg in der Innenstadt
5. März: Aktivisten verhindern kurzzeitig das Zuschütten von Teilen des NS-Lager Liebenau, Transpis mit „Gasleitung durch NS-Lager?“ und „Aufarbeitung muss Stadt finden“, 5 Festnahmen und eine Identitätsfeststellung, 17.30 Uhr Sponti für die Opfer des NS-Lagers vom Hauptplatz Richtung Polizeianhaltezentrum (PAZ)
15. März: Die Besetzung einer Baumaschine von 9 Aktivist_innen führt zum Stillstand des ganzen Baubetriebs, 4 Aktivist_innen entkommen nach dem Eintreffen der Polizei, 5 Aktivist_innen harren mehrere Stunden aus und werden von der Cobra geräumt, Banner mit „Stoppen wir den MURks“, erneut Übegriffe durch Securities, 5 Festnahmen
to be continued...