Erstmals prangert ein UN-Bericht die Politik gegen die Palästinenser als Apartheid an. Israels Reaktion: „Völlig verrückt“.
Von Susanne Knaul, Auslandskorrespondentin Israel
JERUSALEM taz | Für schuldig des Verbrechens der Apartheid erklärt ein UN-Bericht den Staat Israel. Auf 74 Seiten untersuchte die UN-Wirtschafts- und Sozialkommission für Westasien „Israels Vorgehen gegen das palästinensische Volk und die Frage der Apartheid“. Das Ergebnis ist vernichtend nicht nur für die von Israel besetzten Gebiete, sondern auch für Israels Politik gegenüber der arabischen Minderheit, die rund ein Fünftel der Staatsbürger ausmacht.
Israels „Politik, Methoden und Maßnahmen schaffen ein System rassischer Diskriminierung, die den regionalen Frieden und die Sicherheit der Region bedrohen“, heißt es in dem Bericht aus der Feder der beiden Amerikaner Richard Falk und Virginia Tilley.
Falk war jahrelang Sondergesandter des UN-Menschenrechtsrats in den Palästinensergebieten und gilt als Persona non grata in Israel. Seit er Israels Besatzungspolitik mit dem Nationalsozialismus verglich, darf er nicht mehr einreisen. UN-Generalsekretär António Guterres distanzierte sich von dem Bericht.
Rückenwind für BDS
Der Vorwurf, Israel sei ein Apartheidsstaat gehört zum Vokabular der Boykottbewegung BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) und ist für einen UN-Bericht ungewohnt scharf. Denkbar ist, dass der Bericht der Boykottkampagne Rückenwind verschafft. Erst vor wenigen Tagen verabschiedete die Knesset ein Gesetz, das Boykottaufrufe gegen Israel verbietet und Einreisesperren gegen Befürworter verhängt.
Als einen „traurigen Moment für die UN“ bezeichnete Dan Gillerman, ehemals Israels Botschafter in New York, den Bericht. Überrascht sei er angesichts der Zusammensetzung der Mitgliedsstaaten, „deren liebstes Hobby das Niedermachen Israels ist“, nicht. Die Wirtschafts- und Sozialkommission für Westasien umfasst gut ein Dutzend arabische Mitgliedsstaaten und hat ihren Sitz in Beirut.
„Festung der Heuchelei“
Die Vereinten Nationen verfolgten, so kommentierte Gillerman, „schon lange keinen doppelten, sondern einen dreifachen Standard, einen für demokratische Staaten, einen für totalitäre Regimes und einen für Israel“. Die UN werde mehr und mehr zu einer „Festung der Heuchelei“.
Der Bericht hält fest, dass das palästinensische Volk „insgesamt“ Opfer rassistischer Diskriminierung ist. Innerhalb Israels finde eine „Marginalisierung“ der arabischen Staatsbürger statt und „demografische Manipulationen“.
So sei es jüdischen Gemeinden möglich, arabische Zuzugswillige abzulehnen. Als „völlig verrückt“ bezeichnete Exbotschafter Gillerman hingegen den Apartheid-Vorwurf gegen Israel, dem einzigen Staat, in dem „ein Palästinenser vor den Obersten Gerichtshof ziehen kann, um gegen die eigene Regierung zu prozessieren“.