Vier Frauen wurden von weißen Männern in der U-Bahn verprügelt / Betroffene erheben schwere Vorwürfe gegen die Polizei
Erst die sexuellen Übergriffe an Silvester 2015, dann das Racial Profiling am Silvester 2016: Köln ist zum Schauplatz der Auseinandersetzung um sexualisierte Gewalt und Rassismus geworden. Im Kölner Karneval kommt es nun zu neuen Ereignissen: Frauen, die sexuelle Belästigung und Gewalt erlebt haben, wurde bei der Aufnahme ihrer Anzeige scheinbar nahe gelegt, die Täter als »Nordafrikaner« einzustufen. Als sie das nicht taten, wurde der Vorwurf der sexuellen Gewalt relativiert. So lautet jedenfalls der Vorwurf, den eine Betroffene auf Facebook gegen eine Beamtin der Bonner Polizei erhebt.
Angriff von vier Männern in der U-Bahn
Ihrem Bericht zufolge war die Betroffenen zusammen mit drei Freundinnen an Weiberfastnacht am Kölner Neumarkt unterwegs. An der U-Bahnhaltestelle gerieten sie in eine Auseinandersetzung mit vier Männern. Sie wurden sexistisch beleidigt, angefasst und brutal verprügelt. Eine der Betroffenen beschreibt das Erlebte in einem längeren Bericht auf Facebook.
Gegen neun Uhr abends seien sie von vier Männern an einer Rolltreppe abgefangen und nach Feuer gefragt worden. Die Frauen verneinten. Die Männer sollen daraufhin aggressiv geworden sein und am unteren Ende der Treppe versucht haben, einer der Frauen an die Brust zu fassen, was eine andere verhinderte. Daraufhin seien die Frauen verprügelt worden. Die Männer hätten sie zu Boden gerissen und ihnen mehrfach ins Gesicht geschlagen. Dabei hätten sie gebrüllt, sie würden keine Frauen schlagen, und die Frauen als »scheiß Lesben« beschimpft.
Die Frauen hätten sich gegen den Angriff gewehrt und zurückgeschlagen. Auch Passanten hätten versucht, einzugreifen und die Frauen zu schützen. Schließlich sei es ihnen gelungen, wegzurennen, berichtet die Betroffene auf Facebook. »Wenn ihr Kerle gewesen wärt, hätten wir euch längst abgestochen!«, soll einer der Täter noch gerufen haben.
Auf der Polizeiwache: »Waren es Nordafrikaner?«
Am Freitag hätten die Betroffenen dann entschieden, Anzeige bei der Polizei in ihrer Wohnstadt Bonn zu stellen und die Verletzungen ärztlich dokumentieren zu lassen. Die Beamtin habe mehrmals nachgefragt, wie die Täter aussahen, dabei sei mehrmals das Beispiel »Nordafrikaner« gefallen. Nach mehrmaligen Insistieren, dass es sich um Weiße gehandelt habe, habe sie schließlich festgestellt, dass es also »Deutsche« gewesen seien.
Im anschließend ausgedruckten Anzeigentext sei der Vorwurf der sexualisierten Übergriffe jedoch nicht übernommen worden. Die Polizistin habe, so der Bericht der Betroffenen, »ungefähr Folgendes« aufgeschrieben: »Wir gehen davon aus, dass das Verhalten [gemeint war das an der Rolltreppe] nicht als sexuelle Belästigung motiviert war«. Die Anzeigestellerinnen hätten daraufhin irritiert nachgefragt, warum das so aufgenommen worden sei, hätten sie doch das genaue Gegenteil geschildert. Nach längeren Diskussionen sei der Vorwurf schließlich erst in einer dritten Version aufgenommen worden – »mit möglichst lascher Formulierung«. Die Beamtin habe den Betroffenen zudem geraten, sich mit der Einreichung des ärztlichen Attests Zeit zu lassen. Wegen Karneval werde der Fall ohnehin erst in der nächsten Woche an die Kölner Polizei weitergegeben.
»Wir feiern hier Karneval!«
Ähnliches ließ die Bonner Polizei auf nd-Nachfrage verlauten. Auf die Frage, ob es möglich sei, vielleicht direkt mit der betreffenden Beamtin zu sprechen, antwortete ein Sprecher: »Woher rufen Sie an, aus Berlin? Dann haben Sie wohl keine Ahnung, was hier los ist. Wir feiern hier Karneval!« Die Bonner Polizei sei derzeit mit mehreren Hundert Beamten in Einsatz. Der Sprecher versicherte jedoch, dem Vorfall auf den Grund zu gehen.
Der Übergriff war unterdessen nicht der einzige während der ersten Karnevalstage. Zwischen vergangenem Freitag und Samstag hätten die Beamten für den Raum Köln und Leverkusen insgesamt 190 Strafanzeigen aufgenommen, davon 30 Sexualdelikte und 126 Körperverletzungsdelikte, berichtet die Polizei in einer ersten Bilanz. Im Vorjahr hätten die Zahlen noch bei 20 beziehungsweise 96 gelegen.
Der Vorfall in der Kölner U-Bahn ist hierbei noch nicht mitgezählt. Die Betroffenen berichten unterdessen, dass sie mit Prellungen, Schmerzen im Kiefer, Beulen am Kopf, Striemen und Blutergüssen am Hals, mit Rückenschmerzen und Fußschmerzen davon gekommen seien. Doch erst auf der Polizeiwache hätten sie sich als Opfer gefühlt.