Aufatmen in Freiburg: Wiehre-Abriss ist ein Scherz

Abriss in der Wiehre: Das Studentinnenwohnheim St. Luitgard weicht einem Neubau. Das gleiche Schicksal haben Scherzbolde für den ganzen Stadtteil angekündigt. Waren es St. Luitgard-Sympathisanten?
Erstveröffentlicht: 
18.05.2010

Soll die Wiehre abgerissen werden? Ein Flugblatt hat Alarmstimmung im betroffenen Freiburger Stadtteil ausgelöst. Es sieht auf den ersten Blick ziemlich authentisch aus – doch es ist eine Fälschung. Die Wiehre bleibt bestehen.

 

Wäre der 1. April gewesen, hätte sich niemand gewundert. Doch Mitte Mai konnten nur Insider schmunzeln; die angeblich Betroffenen hingegen waren alarmiert: Ein Rundschreiben im Namen der Freiburger Stadtbau GmbH, das in zahlreichen Briefkästen in der Wiehre lag, kündigte "Umbaumaßnahmen des Stadtteils" an. Dieses Modellprojekt mit dem Titel "Wiehre 2015" habe der Gemeinderat im vergangenen Jahr beschlossen. Die Frist für die Bürgerbeteiligung sei abgeschlossen. Für Rückfragen wegen der Umbau- und Abrissarbeiten stehe ein Sachbearbeiter der Stadtbau zur Verfügung.


Täuschend echter Briefkopf und gestelztes Bürokratendeutsch


Die Durchwahl führte zu Projektentwickler Lothar Korzen, und die hohe Frequenz an Anrufen am Montagmorgen zeigt, dass das getürkte Rundschreiben von ziemlich vielen ziemlich ernst genommen wurde. Korzen selbst beschlichen Zweifel, und er fragte bei Stadtbau-Chef Ralf Klausmann nach, was denn da geplant sei. Sie besorgten sich das Flugblatt und waren im Bilde: ein Scherz.

 

"Eigentlich recht witzig", meinte am Montag der Geschäftsführer Ralf Klausmann, der im gefälschten Rundschreiben zweimal mit "ß" auftaucht. "Aber wenn man mitbekommt, wie verstört manche Menschen sind, ist das nicht mehr so komisch."

Denn die angebliche Stadtbau-Information "an die Anwohner des Stadtteils Wiehre" enthält täuschend echt den Briefkopf der städtischen Wohnungsgesellschaft. Und das gestelzte Bürokratendeutsch dürfte auch so manchen Skeptiker überzeugt haben. Dass nach "Abschluss des Modellprojekts Wiehre 2015 für Sie hochwertige Niedrigenergiehäuser zur Verfügung stehen" werden, passt natürlich hervorragend zur "Green City". Dass die Stadtbau "selbstverständlich Ausweichswohnraum zur Verfügung" stellt, gehört zur Gepflogenheit des städtischen Unternehmens.

Wer steckt hinter dem Brief?


Trotzdem: Wer das Schreiben aufmerksam liest, entdeckt jede Menge Ungereimtheiten – nicht nur dass der Geschäftsführer Klaußmann heißt. So enthalten die Fußzeilen noch den Technischen Geschäftsführer Fred Gresens, der allerdings schon vor mehr als drei Jahren die Stadtbau verlassen hat. Oben rechts auf dem Briefkopf ist von einem "Aktenzeichen Vormerkliste" die Rede, die natürlich völlig sinnfrei ist. Und der Gemeinderatsbeschluss zur groß angelegten Stadtteilsanierung soll am 20. April 2009 gefallen sein – das war ein Montag. Der Gemeinderat tagt aber immer dienstags. Ganz abgesehen davon, dass ein solch weit reichender Beschluss nicht denkbar ist ohne mediale Berichterstattung und breit angelegte Bürgerbeteiligung.

Jedenfalls sah sich die Stadtbau am Montag gezwungen, in einer Pressemitteilung auf das Rundschreiben zu reagieren und sich eine Anzeige vorzubehalten. Doch wer steckt hinter dem Brief? Bei der Stadtbau könnte man sich noch am ehesten vorstellen, dass Sympathisanten des einstigen Studentinnenwohnheims St. Luitgard die Aktion ausgeheckt haben. Die Gebäude an der Quäkerstraße in der Wiehre sind zur Hälfte abgerissen. Viele Menschen hatten sich für deren Erhalt eingesetzt.