Kapuzenmänner - Der Ku-Klux-Klan in Deutschland

Erstveröffentlicht: 
20.02.2017

Wer glaubt, der Ku-Klux-Klan sei ein rein US-amerikanisches Phänomen, irrt. Die Journalisten Frederik Obermaier und Tanjev Schultz kommen in "Kapuzenmänner. Der Ku-Klux-Klan in Deutschland" zu einem ganz anderen Ergebnis und weisen in ihren Recherchen sogar Verbindungen zum rechtsextremen NSU nach.

Von Mirko Smiljanic

 

Ist der Ku-Klux-Klan tatsächlich in Deutschland präsent? Männer mit Kapuzen über dem Kopf, die für das "Überleben der weißen Rasse" kämpfen? Brennende Kreuze in Gärten und auf Lichtungen? Er ist es - trotz der zum Teil kruden Ideenwelt. Ein Blick ins Glossar des Buches "Kapuzenmänner. Der Ku-Klux-Klan in Deutschland" verdeutlicht das. Auf sieben Seiten übersetzen Frederik Obermaier und Tanjev Schultz gängige Begriffe aus der Welt des Klans. "Asgard" ist das Leitungsgremium des Ordens; "Grand Wizard", Großer Hexenmeister, nennt sich der Chef eines Klan-Ortsverbandes; "Klavern" heißen Klan-Ortsgruppen; "Kloran" das heilige Buch mit allen Regeln und Ritualen und so weiter und so fort. Ein Game-of-Thrones-Drehbuch voller harmloser Fantasiebegriffe? Leider nein! Auf Seite fünf des Glossars erscheint das Kürzel "NSU", Nationalsozialistischer Untergrund. Der deutsche Ableger des in den USA gegründeten Geheimbundes ist eng mit der rechtsextremen Szene verwoben.

"Die sich dem Klan anschließen oder mit ihm sympathisieren, das sind aus meiner Sicht und Sicht meines Mitautors Frederik Obermaier einfach ganz klar Rassisten. Es gibt immer mal so Rechtfertigungsstrategie, man interessiere sich für irgendwelche christlichen Geschichten, für Mythen, für Geheimbündelei, aber im Kern geht es immer wieder um Rassismus, um die angebliche weiße Rasse, um Ariertum, und das steht eigentlich im Mittelpunkt aller Aktivitäten." 

 

Schwierige Recherche in der Szene


Tanjev Schultz, Professor für Journalismus an der Universität Mainz, und Frederik Obermaier, Redakteur bei der 'Süddeutschen Zeitung', beobachten seit Jahren die Ku-Klux-Klan-Szene. Keine einfache Recherche. Der Klan produziert zwar martialische Bilder und verfolgt rassistische Ziele, anders als rechtsextreme Gruppierungen und Organisationen hat er hierzulande aber einen schwachen Organisationsgrad.

"Durch die gesamte Geschichte des Ku-Klux-Klans zieht sich, dass es ganz viele – in den USA viele, in Deutschland nicht ganz so viele – Untergruppen gibt, Verbände, die sich teilweise auch Konkurrenz machen, sich manchmal auch spinnefeind sein können, sich dann aber auch an anderen Stellen zusammenarbeiten wo es Überlappungen gibt." 

 

Nordische Sagengestalten standen hoch im Kurs


Auf 260 Seiten, unterteilt in einen Prolog, neun Kapitel und dem schon erwähnten Glossar, beschreiben Obermaier und Schultz den Klan von seinen Anfängen in den USA, über erste Kontakte ins Deutschland der 20er-Jahre des letzten Jahrhunderts, bis hin zu seinen Aktivitäten der letzten Jahre. Der Ku-Klux-Klan fasste Fuß in Deutschland in einer von Rassismus geprägten Zeit, nordische Sagengestalten standen hoch im Kurs. Die Bedeutung des brennenden Kreuzes erklärte 1925 ein deutsches Klanmitglied so:

"Das Kreuz bedeutet die brennende Liebe zu den Mitmenschen, insbesondere zu den Brüdern und Schwestern der germanischen Rasse. Der Totenkopf sollte die Treue, die von jedem Mitglied durch den Eid gelobt war, verkörpern. Das später eingeführte weiße Kleid sollte die Reinheit, Wahrheit und Unschuld versinnbildlichen." 

 

Amerikanischen GIs brachten den Klan nach Deutschland


Die Autoren nutzten alle verfügbaren Informationsquellen: Zeitungsartikel und die leider eher magere Literatur über den Klan, Gerichtsakten und Material des Bundeamtes für Verfassungsschutz, Interviews mit Aussteigern und verdeckt gedrehte Videos usw.

 

Frederik Obermaier und Tanjev Schultz haben ihre Wurzeln im investigativen Journalismus, was dem Buch zugutekommt. Es liefert eine Fülle von Informationen, es ist flüssig und spannend geschrieben, und bringt manchen erstaunlichen Zusammenhang ans Licht.

"Nach Ende des Zweiten Weltkrieges knüpften die Rassisten diesseits und jenseits des Atlantiks schnell wieder neue Bande. Man kann sogar sagen: Mit den amerikanischen GIs, den in der westlichen Besatzungszone und dann in der Bundesrepublik stationierten Soldaten, kommt der Klan überhaupt erst so richtig nach Deutschland."

 

Spätestens seit den 50er-Jahren hatten deutsche Behörden Hinweise auf Aktivitäten des Ku-Klux-Klans. Die meisten Kontakte ließen sich noch in die Vereinigten Staaten zurückverfolgen, Mittelsmänner waren in Deutschland stationierte GIs. Das änderte sich in den 60er-Jahren.

"Im Januar 1966 werden an Wänden der Toilette im Münchner Amerikahaus drei brennende Kreuze gepinselt. An die Türen pinseln die unbekannten Täter Naziparolen. Die Polizei vermerkt in ihren Akten, dass 'Ausdrucksweise und Wortstellung' auf einen Täter hinweise würden, 'der nicht Amerikaner' ist."

 

Detailliert recherchierten Obermaier und Schultz auch Geschichte und Umtriebe des Klans im Deutschland der Nachwendezeit. Erschreckend ist der Fall eines nigerianischen Lehrers, den ein Mob in den 90er-Jahren in einer brandenburgischen Diskothek fast gelyncht hat.

"Einer der Anführer dieses Mobs, der dann auch verurteilt wurde, wurde dann später angeworben als V-Mann des Verfassungsschutzes, dann führt diese Spur bis hin zum Kreise des NSU, wo er Informationen geliefert hat, es gibt da alle möglichen komischen Querverbindungen, und wir sehen, dass auch die Sicherheitskräfte in vielerlei Hinsicht verwoben sind mit diesen Geschichten des Ku-Klux-Klans, teilweise um den natürlich auszuheben, teilweise sind da aber auch Personen, die eine sehr ungute dubiose Doppelrolle gespielt haben." 

 

Verbindungen zum rechtsterroristischen NSU


In Baden-Württemberg waren zwei Polizisten Mitglied des Ku-Klux-Klans, weitere Beamte hatten Kontakt zu Klanmitgliedern. Wie tief die Verbindung des Klans mit der rechtsextremen Szene in Deutschland reicht, schildern die Autoren im Kapitel "Feiern vor dem Feuer: Die Kreise des NSU".

 

"Sehr geehrte Frau Zschäpe,[...] So beginnt ein Schreiben, das ein Kriminalobermeister des Thüringer Landeskriminalamtes am 1. August 1996 aufsetzt. [...] Die Polizei hatte Fotos beschlagnahmt, auf denen Mitglieder der rechten Szene vor einem brennenden Holzkreuz posieren, Bier tranken und den rechten Arm in die Höhe streckten."

 

Mit auf dem Bild: Beate Zschäpe, angeklagt in München unter anderem wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung. Der Ku-Klux-Klan ist mittlerweile fest verankert in Deutschlands rechter Szene. Wer diese Szene in ihrer ganzen Breite verstehen will, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Unbedingt lesen!

 

Frederik Obermaier und Tanjev Schultz: "Kapuzenmänner. Der Ku-Klux-Klan in Deutschland"
dtv, 260 Seiten, 16,90 Euro.