Diskriminierung von Rollstuhlfahrer - Behinderter musste Café verlassen: "Sie passen hier nicht rein"

Erstveröffentlicht: 
28.01.2017

Hofgeismar. Ein Rollstuhlfahrer und sein Betreuer haben in Hofgeismar öfter ein Lokal besucht - bis es vom Wirt hieß: Sie passen hier nicht rein, bitte kommen Sie nie wieder.

 

Der Hofgeismarer Rohit Singh betreut in seiner Freizeit einen 60 Jahre alten Mann, der in den Hofgeismarer Wohnstätten der Baunataler Diakonie Kassel (BDKS) wohnt. Singh schiebt den Mann in seinem Rollstuhl dann gern durch die Stadt und manchmal suchen sie auch ein Lokal auf, um sich bei einem Tee oder Kaffee zu entspannen. So war es auch vor einigen Wochen: Betreuer und Betreuter hatten gerade Platz in einem Café genommen, als sich der Wirt zu ihnen stellte und fragte, ob sie von jemandem geschickt würden, ausgerechnet sein Café zu besuchen.

 

Singh war konsterniert und wusste nicht, was er antworten sollte, schildert er die Situation gegenüber unserer Zeitung. Denn schließlich waren die beiden schon ein paar Mal in der Lokalität und von den Kellnerinnen immer freundlich bedient und behandelt worden. Aber diesmal hieß es: Die beiden würden nicht in das Café passen. Mit den Worten, sie sollten bitte nie wieder kommen, forderte der Wirt Singh und seinen Betreuten auf, das Lokal zu verlassen.

 

„Ich war völlig schockiert“, sagt Rohit Singh, den der Vorfall auch heute noch tief bewegt. „Dass ich so krass angesprochen werde, habe ich noch nie erlebt“, sagt der 24-Jährige, der in Würzburg Sonderpädagogik studiert und in den Semesterferien und an freien Wochenenden Behinderte aus dem Wohnheim der BDKS betreut. Singh, dessen Eltern aus Indien stammen, vermutet, dass „dem Wirt vermutlich die Kombination von uns beiden nicht gepasst hat: Ein dunkelhäutiger Mensch und ein Behinderter - das war ihm offenbar zu viel.“

 

Auf Nachfrage unserer Zeitung bestätigt der Wirt das Vorkommnis. Von einem generellen Besuchsverbot für Behinderte will er allerdings nichts gesagt haben. Nur eines stellt er klar: „Ich will nicht, dass sich unser Café langsam zu einem reinen Café für Behinderte entwickelt.“ Er müsse auch an die anderen Gäste denken. Aufgefallen sei ihm, dass Behinderte oftmals gerade in sein Lokal kämen und andere Einrichtungen dagegen seltener aufsuchten. 

 

„Noch nicht erlebt“


Es käme hin und wieder schon einmal vor, dass „wir schiefe Blicke ernten“, sagt Susanne Meyenberg, Abteilungsleiterin Stationäres Wohnen der BDKS in Hofgeismar, „aber Diskriminierung in solch krasser Form haben wir in Hofgeismar noch nicht erlebt“, sagt Meyenberg. Dieser Fall werde nun dem Behindertenbeauftragten der Stadt vorgetragen. Die Abteilungsleiterin bestätigt, dass das Café aufgrund seiner guten Erreichbarkeit häufig von Behinderten, aber auch von Mitarbeitern der BDKS aufgesucht worden sei. Man habe sogar schon Weihnachtsfeiern dort veranstaltet. „Aber künftig werden wir das Café nicht mehr aufsuchen“, zieht Meyenberg die Konsequenz aus diesem „Rausschmiss“.

 

Nach langer Diskussion in der Redaktion haben wir uns bewusst entschieden, den Namen des Cafés nicht zu nennen. Rechtlich wäre das vertretbar gewesen. Aber eine Nennung hätte unweigerlich das Ende des Cafés bedeutet. Die Kernfrage war: Ist es moralisch vertretbar, eine geschäftliche Existenz wegen eines solchen (zugegeben schwer entschuldbaren) Fehlverhaltens zu vernichten? Wir haben diese Frage mit Nein beantwortet. Die Redaktion bittet um Verständnis. Wir werden über die Thematik natürlich trotzdem weiter berichten.