Hintergründe zu Hausner

Siegfried Hausner

Das »Kommando Holger Meins« besetzt vor 35 Jahren die deutsche Botschaft in Stockholm, nimmt zwölf Botschaftsangehörige gefangen  und verlangt die Freilassung von politischen Gefangenen. Beim Sturm auf die Botschaft kommt es zu einer Explosion, bei der das Kommandomitglied Ulrich Wessel getötet wird und das Kommandomitglied Siegfried Hausner leichte Verletzungen erleidet.

 

Die folgende Dokumentation legt den Focus auf die Umstände, unter denen Siegfried Hausner "seinen Verletzungen erlag"- und sie erhebt nicht den Anspruch einer ausführlichen Darstellung der schwedischen Botschaftsbesetzung.  
(Originalzitate aus Akten werden in alter Rechtschreibung wiedergegeben - mit Großbuchstaben geschriebene Namen sind im Original auch in Großbuchstaben geschrieben.)

Nach seiner Gefangennahme am 25.4.1975 wird der lebensgefährlich verletzte Hausner wenige Tage später ohne ausreichende ärztliche Versorgung von Schweden nach Deutschland ausgeflogen. Auf Drängen des damaligen deutschen Außenministers Genscher stimmte die schwedische Regierung der unverzüglichen Auslieferung Siegfried Hausners zu, ein schwedischer Arzt protestierte gegen diese  Ausweisung, Siegfried Hausner sei transportunfähig und der Transport sei Hausners Todesurteil. Gegen den Arzt wurde in Schweden Anzeige erstattet. Zum Zeitpunkt der Auslieferung war Hausner an einen Tropf angeschlossen und konnte nur durch eine(n) Kanüle/Tubus in der Luftröhre atmen. (Aktenvermerk zum Gesundheitszustand HAUSNER: Nicht ansprechhar, Luftröhrenschnitt mit Tubus, ausgedehnte Verbrennungen des 2.und 3. Grades lt. Auskunft des begleitenden Arztes aus Schweden, Dr. GIES, ist HAUSNER äußerst infektionsgefährdet.) Durch Schläge mit Gewehrkolben hatte Hausner mehrere Schädelbrüche erlitten. 
Im Einreisedokument heißt es:
"Durch Beschluß des schwedischen 'Arbeitsmarktministeriums' vom 28.4.1975 wurde der Beschuldigte Siegfried HAUSNER, geb. 24.1.52 in Selb/Bayern, aus Schweden ausgewiesen und mit einer Sondermaschine nach Köln-Wahn transportiert, wo er gegen 22.20 Uhr desselben Tages in Begleitung des Arztes Dr. GIES und der Krankenschwester RITZ eintraf."
Auf Betreiben des BKA mit Zustimmung des Generalbundesanwaltes Buback verlegte man Siegfried Hausner nicht wie erforderlich in eine Spezialabteilung, sondern transportierte ihn nach Stuttgart-Stammheim, wo weder seine Schädelverletzungen noch seine Verbrennungen behandelt werden konnten. 
Dazu weitere Aktenvermerke:
"Am 29. 4. 1975 wurde Siegfried Hausner durch die Ärzte der Universitätsklinik Köln-Lindenberg untersucht und die Transportfähigkeit festgestellt, Siegfried Hausner wurde daraufhin am 29.4.1975, um 18.55 Uhr von Köln/Wahn (militärischer Teil) mit BGS-Hubschrauber in die Haftanstalt Stuttgart-Stammheim verbracht. Während des Fluges übernahmen ein Arzt des Krankenhauses Köln-Lindenberg und ein Sanitäter des Malteser-Hilfsdienstes die Betreuung.
Als Begleitbeamte waren eingesetzt: RKR Hager, BKA und KR Rose, PP Köln." (RKR und KR sind Dienstbezeichnungen für Polizeibeamte)
Der Flug verlief reibungslos. Nach der Ankunft in Stuttgart-Stammheim wurde die sofortige Verlegung von Hausner auf die Intensivstation des Krankenreviers der Haftanstalt veranlasst. Es erfolgt die Eröffnung des Haftbefehls (im Protokoll ist der Name des Beamten unleserlich) Zitat:
"Der Beschuldigte wurde in dem Krankenzimmer aufgesucht. Das Krankenzimmer ist die Intensivstation im Krankenrevier der Vollzugsanstalt Stuttgart. Er wurde von Dr. med. Henck angesprochen und gab Anzeichen bzw. Reaktionen von sich, wonach Dr. Henck sein Einverständnis damit erklärte, daß dem Beschuldigten der Haftbefehl eröffnet werde. Ich habe damit begonnen, ihm den Haftbefehl zu eröffnen; bereits nach wenigen einleitenden Sätzen geriet der Beschuldigte in zunehmende Erregung. Es kam zu starken Atmungsgeräuschen, Daraufhin habe ich sofort die Eröffnung des Haftbefehls abgebrochen."
Weiter heißt es:
"Der Beschuldigte gab noch zu erkennen, daß er RA Dr. Croissant sprechen wolle; ein entsprechendes Begehren war laut Dr. Henck von ihm schon vorher geäußert worden, d.h. auf schriftlichen Notizen war der Name Croissant notiert worden. Diese Notizen wurden von Dr. Henck dem Vertreter der Bundesanwaltschaft übergeben Von einer Benachrichtigung des Dr. Croissant wurde abgesehen, da eine Eröffnung des Haftbefehls nicht stattgefunden hat, hiernach eine Zuständigkeit des Haftrichters nach Auffassung des Herrn Beinhard nicht besteht und die Benachrichtigung von der Bundesanwaltschaft übernommen wird."
Der schwerverletzte Hausner verlangte immer wieder einen Rechtsanwalt zu sprechen, indem er, weil er kaum sprechen konnte, eine Reihe von Vermerken auf Zetteln machte (z.B. am 30.4.75: "Beantrage ich sofortige Rücksprache mit meinem Rechtsanwalt Dr. Klaus Croissant, bzw. Gerd Temming, M.L.Becker, Siegfried Haag, Jürgen Laubscher. Bitte teilen Sie den beiden Büros mit, wo ich mich befinde. Telefon Croissant 294387, Becker Telefonbuch.").
Bundesanwalt Krüger verfasste zwar eine Benachrichtigung mit Datum vom 30. April, die aber erst am 5. Mai, einen Tag nach Hausners Tod, zur Post gegeben wird.

Am 18.6. 1975 stellte der Stuttgarter Rechtsanwalt Dr. Croissant "Strafanzeige wegen der vorsätzlichen Tötung Siegfried Hausners" gegen die verantwortlichen Staatsschutzbehörden. Diese Anzeige stützt sich auf folgende Tatsachen:
"Siegfried Hausner ist durch die Explosion zwar verletzt worden, jedoch nicht lebensgefährlich. Er war nach der Explosion voll bei Bewußtsein. Sein Handeln war in jeder Phase klar und überlegt. Die Brandverletzungen Hausners waren nach den Beobachtungen der überlebenden Gefangenen relativ gering. Zusammen mit Lutz Taufer trug Siegfried Hausner den erheblich verletzten Bernhard Rössner raus ins Freie. Teilweise schleppte Hausner ihn allein, weil der Durchgang durch kreuz und quer herumliegende Trümmer erschwert war. Danach kehrte er mit Taufer in das Botschaftsgebäude zurück, um seinen sterbenden möglicherweise schon toten Genossen Ulrich Wessel hinauszutragen. Taufer und Hausner trugen Wessel noch aus einem brennenden Botschaftszimmer bis zum Absatz des Treppenhauses, als sie erkannten, daß Ulrich Wessel bereits tot war."
Croissant weiter: "Unmittelbar nach der Festnahme wurden die wehrlosen Gefangenen von der schwedischen Polizei schwer mißhandelt:
1. Bernhard Rössner erhielt mit dem Kolben von Maschinenpistolen mehrere Schläge auf den Kopf. Seine blutende Kopfverletzung mußte in Schweden sofort ärztlich versorgt und genäht werden. 2. Auch Lutz Taufer wurde mit Kolben von Maschinenpistolen geschlagen, jedoch nicht auf den Kopf sondern in das Genick. . ..Siegfried Hausner erhielt unmittelbar nach seiner Festnahme sofort schwere Kolbenschläge mit Maschinenpistolen, da verlor er das Bewußtsein, so daß er in das Krankenhaus eingeliefert werden mußte. Durch die Kolbenschläge hatte er mehrere Schädelbrüche erlitten. Bei seiner Einlieferung lag er im Koma."
Fünf Tage nach seiner Strafanzeige wurde Dr. Klaus Croissant verhaftet. Seine Strafanzeige "wegen der vorsätzlichen Tötung Siegfried Hausners" wurde irgendwann im Herbst 1975 zurückgewiesen, da keine strafbare Handlung ersichtlich sei. Der Stuttgarter Rechtsanwalt Dr. Croissant saß wegen seiner Unbotmäßigkeit fast zwei Monate in U-Haft und wurde erst am 8. August 1975 gegen Sicherheit und unter strengen Auflagen entlassen.
Vor 35 Jahren, am 4.Mai 1975, starb Siegfried Hausner.
 „Die Revolution sagt ich bin, ich war, ich werde sein. “