Mietervereinschef Peter Bartels über die vielen freien Wohnungen in den Nobelvierteln und die Ansprüche der Vermieter.
Das zweite Kind kündigt sich an, ein Paar zieht zusammen – Gründe, warum die alte Wohnung zu klein wird, gibt es viele. Doch immer mehr Dresdner finden keine geeignete Wohnung. Vor allem in den familienreichen Vierteln wie Blasewitz, Striesen, Bühlau und der Johannstadt steigen die Mieten. Im SZ-Gespräch spricht Mietervereinschef Peter Bartels über die Ursachen.
Herr Bartels, viele Wohnungen im Weißen Adler sind nicht vermietet, Bühlau hat mit den höchsten Wohnungsleerstand in der Stadt, will niemand auf dem Weißen Hirsch wohnen?
Ganz klar: den meisten sind Preise von über acht oder mehr Euro kalt zu teuer.
Warum reagiert der Investor nicht und verringert die Miete?
Das muss er nicht. Er hat wohl genügend Geld in der Hinterhand und kann Verluste steuerlich mit anderen Einnahmen verrechnen.
Was sind die Ursachen für die steigenden Mieten in Blasewitz und Loschwitz?
Der geringe Leerstand. Wenn es für eine freie Wohnung zehn oder zwanzig Bewerber gibt, dann wird die Wohnung nicht mehr nach den tatsächlichen Kosten vermietet, sondern zum Höchstpreis, den ein Mieter bereit ist, zu bezahlen.
Gibt es stadtweit wirklich so wenig freie Wohnungen oder nur in beliebten Vierteln?
Freie Wohnungen sind in guten Wohnlagen ab etwa neun oder zehn Euro pro Quadratmeter vorhanden und diese besonders in der Neustadt, Blasewitz oder Loschwitz. Der Wohnungsmangel ist im unteren Preisbereich bis 6,50 Euro pro Quadratmeter vorhanden.
Warum genau dort?
Bei den preiswerten Wohnungen ist der Leerstand am kleinsten. Klammert man die schwer vermietbaren Wohnungen aus, dann haben Menschen, die dringend eine angemessene Wohnung suchen, große Mühe, etwas zu finden. Vermieter nutzen diese Situation aus und erhöhen die Preise. Die Mieten sind insgesamt um 6,7 Prozent gestiegen. Bei einfachen Wohnungen liegt die Steigerungsrate mit mehr als 15 Prozent deutlich über dem Durchschnitt.
Immer wieder gibt die Stadt andere Werte beim Leerstand an als der Mieterverein, wer hat recht?
Wir sind in der Wohnungsnot angekommen. Es gibt nur noch etwa zwei Prozent vermietbare Wohnungen. Und ein Teil davon liegt im 6. Stock eines Plattenbaus oder in unsanierten Wohnungen in einer sozial benachteiligten Gegend. Die sieben Prozent, die die Stadt angibt, schließen Wohnungen mit ein, die sich in Ruinen befinden, oder Wohnungen, die aufgrund ihres Zustandes nicht vermietbar sind.
Wie stark sieben die privaten Vermieter heute aus?
Teilweise extrem. Mieter müssen sich mehr und mehr „nackig“ machen. Gehaltsauskunft, Schufa – das alles wollen die Vermieter wissen. Gerade alleinerziehende Mütter oder Menschen mit Migrationshintergrund haben es sehr schwer.
Jahrelang gab es doch zu viele Wohnungen in der Stadt, wann ist das gekippt?
Wir sind 1990 mit einer katastrophalen Wohnungsnot gestartet. Von 1995 bis 2005 lebten die Bürger in einem Mieterparadies. So wurde angeboten, die ersten drei Monate mietfrei zu wohnen, oder es gab eine Kücheneinrichtung ohne zusätzliche Kosten.
2006 verkaufte die Stadt die Woba. Ein Fehler?
Definitiv. 2006 war deutlich erkennbar, dass die Talsohle beendet war und Dresden wieder wächst. Meine Aussage war: Spätestens in zehn Jahren werden wir die Folgen des Woba-Verkaufs zu spüren bekommen. Jetzt, zehn Jahre später, sind wir in einer neuen Wohnungsnot angekommen und werden eine neue Woba gründen.
Wann ist die Spirale am Ende?
Das Ende kann nur erreicht werden, wenn durch ausreichenden Wohnungsbau in der Stadt Vermieter wieder zu Konkurrenten werden. Nur wenn Vermieter Konkurrenz fürchten, wird es Mieten geben, die entsprechend der tatsächlichen Kosten erforderlich sind.
Das Interview führte Julia Vollmer