Die Dresdner Polizei hat am Dienstagabend mit einem großen Aufgebot einen Auftritt des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke im Ballhaus Watzke abgesichert. Die Veranstaltung begann mit einer knappen Stunde Verspätung, da sich am Eingang des Ballhauses eine lange Schlange gebildet hatte, hunderte Gäste verfolgten die Veranstaltung der Jungen Alternative. Pressevertretern regionaler und überregionaler Medien wurde kein Zutritt gewährt, allerdings wurde die Veranstaltung per Livestream übertragen.
Etwa
200 Menschen versammelten sich am Abend an der Leipziger Straße zu
einer Gegendemonstration. Es flogen einige Schneebälle, ein Rauchtopf
wurde gezündet, größere Vorkommnisse registrierte die Polizei nicht. Die
Identität von zwei Demonstranten sei festgestellt worden, teilte ein
Sprecher aus dem Lagezentrum der Polizei mit.
Im Ballsaal
kritisierte Höcke "Altparteien", Bundeswehr, Kirchen und Gewerkschaften
und lobte Dresden als Hauptstadt des Widerstandes. Offensichtlich mit
Blick auf das Holocaust-Mahnmal in Berlin sagte Höcke auf der
Veranstaltung der Jungen Alternative: "Wir Deutschen, also unser Volk,
sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das
Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat." Zudem verglich Höcke
Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem ehemaligen DDR-Staatschef Erich
Honecker.
Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco
Wanderwitz bezeichnete Höcke bei Twitter als "Nazi". Der
CDU-Landtagsabgeordnete Sebastian Fischer schrieb dagegen: Freiheit ist
das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen. Gilt für AfD
und Antifa!" Der sächsische Grünen-Landeschef Jürgen Kasek, der die
Gegendemonstration angemeldet hatte, schrieb bei Twitter: "Höcke hat
sich mit seinen Aussagen zum Mahnmal der ermordeten Juden in Berlin als
überzeugter Antisemit geoutet." Mehrere hundert Zuhörer im Saal
bedachten Höcke dagegen mit tosendem Applaus. Gegen 21:00 Uhr war der
Großeinsatz der Polizei mit der Abreise Höckes beendet.
Update Mittwoch: Bundespolitische Reaktionen
Am
Mittwochmorgen reagierten auch mehrere Bundespolitiker auf die
Höcke-Reden in Dresden. SPD und Grüne Bundespolitiker kritisierten Höcke
für seine Rede scharf. Der AfD-Politiker sagte, bis jetzt sei der
deutsche Gemütszustand der "eines brutal besiegten Volkes". "Anstatt die
nachwachsende Generation mit den großen Wohltätern, den bekannten,
weltbewegenden Philosophen, den Musikern, den genialen Entdeckern und
Erfindern in Berührung zu bringen, von denen wir ja so viele
haben,...vielleicht mehr als jedes andere Volk auf dieser Welt..., und
anstatt unsere Schüler in den Schulen mit dieser Geschichte in Berührung
zu bringen, wird die Geschichte, die deutsche Geschichte, mies und
lächerlich gemacht", sagte Höcke.
SPD-Vize Ralf Stegner sprach
bei Twitter von einer "Hetz-Rede" und forderte: "Null Einfluss für das
Neonazipack!" Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter nannte die Rede des
AfD-Politikers "unsäglich". "Die AfD muss sich unmissverständlich davon
distanzieren und sich bei unseren jüdischen Freundinnen und Freunden
entschuldigen."
Höcke sprach mit Blick auf die "führenden
Altparteien-Politiker" von "erbärmlichen Aparatschiks". Die Regierung
Merkel sei "zu einem Regime mutiert" Weder "Habitus noch ihre
floskelhafte Phraseologie unterscheidet Angela Merkel von Erich
Honecker", sagte Höcke unter "Merkel muss weg"-Rufen der Zuhörer.
Als
"zutiefst empörend und völlig inakzeptabel" hat der Zentralrat der
Juden die Äußerungen des AfD-Politikers Björn Höcke zum
Holocaust-Gedenken in Deutschland bezeichnet. Höcke trete das Andenken
an die sechs Millionen Juden, die in der NS-Zeit ermordet wurden, mit
Füßen. Mit seinen Worten relativiere der AfD-Politiker dieses schwerste
und in dem Ausmaß einzigartige Menschheitsverbrechen, erklärte der Zentralratsvorsitzende Josef Schuster am Mittwoch.
Der Bundestagsabgeordnete Dieter Dehm hat nach eigenen Angaben Anzeige wegen Volksverhetzung erstattet. Höcke selbst verteidigte seine Rede in einem Facebookpost,
es sei ihm darum gegangen zu hinterfragen, wie wir Deutschen auf unsere
Geschichte zurückblicken. Höcke schreibt dort: "In meiner Dresdner Rede
ging es mir darum, zu hinterfragen, wie wir Deutschen auf unsere
Geschichte zurückblicken und wie sie uns im 21. Jahrhundert
identitätsstiftend sein kann. Zweifellos müssen wir uns in unserer
Selbstvergewisserung der immensen Schuld bewusst sein. Sie ist ein Teil
unserer Geschichte. Aber sie ist eben nur ein Teil unserer Geschichte.
Auch darauf habe ich in meiner Dresdner Rede hingewiesen."
Polizei-Bilanz zu Einsatz in Dresden
Die
Dresdner Polizei veröffentlichte am Mittwochmittag ihr Fazit zum
Einsatz an der Leipziger Straße. "Im Verlauf des lautstarken Protests
kam es zu vereinzelten Schnee- und Eisballwürfen in Richtung der
anreisenden Veranstaltungsteilnehmer sowie Einsatzkräften. Ein
24-jähriger Dresdner muss sich wegen versuchter Körperverletzung
verantworten", heißt es in der Pressemitteilung.
"Gegen 18.15 Uhr
zündeten Unbekannte im Bereich der Mohnstraße einen Rauchkörper, der in
der Folge selbstständig erlosch. Verletzt wurde dadurch niemand. Ab
19.00 Uhr entfernten sich die ersten Gegendemonstranten vom Ort.
Darunter eine Gruppe von ca. 50 Personen, die jedoch über die
Robert-Matzke-Straße und Leipziger Straße wieder zum Ballhaus Watzke
zurückkehrte. Als Einsatzkräfte sie in Höhe eines dortigen Nachtklubs
stoppten, flogen erneut Schnee- und Eisbälle auf die Einsatzkräfte. Eine
Einsatzbeamtin erlitt durch einen vereisten Schneeblock leichte
Verletzungen am Unterarm."
Polizisten kontrollieren Fahrscheine
Die
Gruppe löste sich in der Folge auf, 15 Personen von ihnen stiegen
anschließend in eine Straßenbahn. Polizeibeamte begleiteten die Gruppe
in der Straßenbahn. Da die Beamten den Eindruck hatten, dass niemand
einen Fahrschein lösen würde, kontrollierten sie die Personen. Letztlich
war es nur eine Person, die keinen gültigen Fahrschein vorweisen
konnte. Insgesamt waren gestern 140 Beamte im Einsatz.
(Redaktioneller
Hinweis: Update am Mittwochmorgen: Artikel wurde um weitere
bundespolitische Reaktionen ergänzt. (via dpa) Auch die Reaktion Höckes
und neue Informationen der Polizei wurden ergänzt.)
(1808) #Höcke eben im #Watzke eingetroffen #DD1701 pic.twitter.com/8sYPtS1gN6
— Radio Dresden (@RadioDresden) 17. Januar 2017
Wer nach dem #AfD Auftritt heute in #Dresden daran zweifelt, dass wir das wiedererwachen des NS sehen, dem ist nicht mehr zu helfen. #noafd
— Jürgen Kasek (@JKasek) 17. Januar 2017
@Herr_Decker @LenaKampf Das ist ein Nazi. Und er ist dort nicht der einzige.
— Marco Wanderwitz (@wanderwitz) 17. Januar 2017