Die Wohnungen im Johannstädter Plattenbau sind veraltet. Was jedoch im Treppenhaus passiert, ist besonders ekelhaft.
Es sind nur 24 Cent pro Quadratmeter. Für Bärbel Niemann heißt die Mieterhöhung: 14 Euro zusätzliche Ausgaben im Monat. Sie zahlt nun 350 Euro warm. Den Gürtel wird sie künftig noch enger schnallen müssen – denn die 54-jährige Dresdnerin lebt monatlich von 600 Euro. 450 Euro verdient die EU-Rentnerin als Putzfrau in einer Kita. Obwohl die Finger schmerzen und das künstliche Knie Probleme bereitet, geht Bärbel Niemann jeden Abend los, um nachts für Ordnung zu sorgen. Trotz körperlicher Anstrengung macht Bärbel Niemann ihren Job gern, fühlt sich dadurch gebraucht. Nach getaner Arbeit kehrt sie in ihre Wohnung im unsanierten Plattenbaublock an der Pfotenhauerstraße zurück. Wohl fühlt sie sich dort aber nicht.
Bärbel Niemann ist nicht aus freien Stücken in die Johannstadt gezogen. Weil das Geld knapp ist und ihr Sohn auf eigenen Beinen steht, tauscht sie 2008 ihre geliebte Neustädter Altbauwohnung gegen das marode Plattenbauhochhaus. Das Arbeitsamt fordert den Umzug. Dass ihre neuen vier Wände unsaniert sind, stört sie zunächst nicht. „Ich hatte damals gehofft, dass das Haus bald saniert wird“ sagt sie. Darauf wartet Bärbel Niemann bis heute. Steckdosen und Technik, Türen und Klinken, Fußbodenbelag und sogar der Fahrstuhl – ihre Wohnung und das gesamt Haus befinden sich auf dem Niveau der frühen 1970er-Jahre. 1972/73 wurde der Block an der Pfotenhauerstraße gebaut, Plattenbauwohnungen mit Fernheizung waren zu DDR-Zeiten sehr gefragt.
„Heute zieht hier wohl niemand mehr freiwillig ein“, schätzt Niemann. Mit einer Kaltmiete von 4,40 Euro bietet die Vonovia in dem unsanierten Gebäude vor allem ein Domizil für Menschen, die wie Bärbel Niemann kein Geld für mehr Luxus haben. Dennoch erwartet Niemann, dass das Haus gepflegt wird. Was sie Anfang Dezember im Treppenhaus entdeckt, verschlägt der Johannstädterin allerdings buchstäblich den Atem. Unter der Treppe im Erdgeschoss findet sie einen Kothaufen – und er stammt definitiv nicht von einem Tier. „Ich habe natürlich sofort den Hausmeister informiert.“ Zwei Wochen geschah nichts. Auch, als die SZ am 22. Dezember vor Ort ist, liegen die Exkremente noch unter der Treppe. Vonovia-Sprecherin Bettina Benner bestätigt auf Anfrage, dass die Sonderreinigung am 13. Dezember in Auftrag gegeben wurde. Warum die Beseitigung so lange dauerte, lässt sie unbeantwortet. Wer auch immer diesen Platz für die Verrichtung seines Geschäftes auserwählt hat – er findet offenbar Gefallen daran. Denn schon in der vergangenen Woche war er an gleicher Stelle wieder aktiv. „Die Beseitigung wurde sofort erneut beauftragt“, so Benner. „Leider kommt dies gelegentlich in diesem Block vor. Auch von unseren Mietern konnte bisher kein Verursacher beobachtet werden.“
Für Bärbel Niemann ist das eine Sauerei. Immerhin – im vergangenen Jahr hat Vonovia in den Brandschutz investiert. Für rund 860 000 Euro ließ das Unternehmen Brandschutztüren im Keller und auf den Etagen einbauen und brennbare Fußbodenbeläge entfernen. Die alten Wohnungstüren wurden gegen feuerhemmende ausgetauscht. Im Innenhof des Plattenbaukarrees wird derzeit eine neue Feuerwehrzufahrt gebaut. Der Großvermieter investiert hier allerdings nicht ohne Grund: Im vergangenen Jahr zündelten Unbekannte mehrmals in den Kellern des Zehngeschossers. Allein im Juni brannte es dreimal innerhalb von zwei Tagen. „Wir hatten damals große Angst, dass sich das Feuer ausbreiten könnte.“ Jetzt fühlt sich Bärbel Niemann zumindest etwas sicherer. Die Kosten für den Brandschutz muss sie nun aber selbst mit tragen. Und die Mieterin macht sich Sorgen, dass sie noch mehr Geld bezahlen muss, wenn die Feuerwehrzufahrt fertig ist. An die Mieterhöhung nach einer Komplettsanierung des Blocks mag sie derzeit noch gar nicht denken.
Doch so schnell wird sich da wohl ohnehin nichts tun. In diesem Jahr lässt Vonovia zunächst den Wohnblock in der Florian-Geyer-Straße 38 bis 48 sanieren. Die Modernisierung der 240 Wohnungen dort kostet rund 13 Millionen Euro. Im Block an der Pfotenhauerstraße gibt es derzeit noch unsanierte 360 Wohnungen – darunter auch die von Bärbel Niemann. Deren Sanierung werde gerade geprüft, ein Zeitpunkt stehe noch nicht fest, teilt Bettina Benner mit.