»Viele dachten, sie seien in Connewitz sicher«

Erstveröffentlicht: 
05.01.2017

Vor zwei Jahren begannen in Leipzig die Legida-Aufmärsche. Drei Bündnisse wollen gegenhalten.

Gespräch mit Juliane Nagel,  Interview: Gitta Düperthal

 

Juliane Nagel ist Abgeordnete der Fraktion Die Linke im sächsischen Landtag und Anmelderin der Demonstration des Bündnisses »a monday without you«

»a Monday without you« am Montag, ab 17.30 Uhr, Treffpunkt Herderplatz

»Leipzig nimmt Platz«-Demonstration am Montag, ab 18 Uhr, Auftakt auf dem Augustusplatz

»Willkommen in Leipzig« am Montag, 17 Uhr, Nikolaikirche

 

Weshalb rufen verschiedene Bündnisse aus dem bürgerlichen und kirchlichen Spektrum, Vertreter der Jugendorganisationen von Linken, Grünen und SPD sowie der Antifa für Montag, den 9. Januar, in Leipzig zu Aktionen gegen Legida auf?


Anlass ist der zweite Jahrestag der Gründung von Legida, dem rassistischen Ableger der Pegida in Leipzig. Dessen erster Aufmarsch in der Stadt fand im Januar 2015 statt. Ein Jahr später, am 11. Januar 2016 der schlimmste Überfall von Rechtsradikalen auf den linksalternativen Leipziger Stadtteil Connewitz verübt. Mehr als 200 Neonazis und Hooligans haben dort übel randaliert. Wir wollen mit unseren Aktionen darauf aufmerksam machen, dass wir alle weiterhin wachsam sein müssen und protestieren dagegen, dass die Staatsanwaltschaft nach einem Jahr immer noch keine Anklage gegen die Gewalttäter erhoben hat. Das Bündnis »a monday without you« startet in Connewitz; unser Schwerpunkt sind die Anschläge, die dort damals stattfanden. Das kirchliche Bündnis »Willkommen in Leipzig« wird ein Friedensgebet abhalten und demonstrieren. Eine weitere Demo hat das Bündnis »Leipzig nimmt Platz« angemeldet.

 

Ihr Büro liegt im Stadtteil Connewitz. Welche Stimmung herrscht dort?


Mein Abgeordnetenbüro linXXnet ist zugleich Treff der außerparlamentarischen Szene im Stadtviertel, es ist ein Scharnier zwischen Linkspartei und letzterer. Nach der Erschütterung aufgrund der brutalen Übergriffen der Neonazis rückte der Stadtteil zunächst zusammen. Es gab politische Analysen, wie so etwas passieren konnte, und Beratungen über Sicherheitskonzepte. Viele Menschen hatten bis dahin gedacht, in dem linken Milieu vor rechter Bedrohung sicher zu sein, anders als im sächsischen Normalumfeld. Sie muss­ten lernen, dass dem nicht so ist. Dass es immer noch keine Anklage seitens der Staatsanwaltschaft gibt, führt fast zu Selbstjustiz. Vor Sylvester tauchten Plakate auf, auf denen die Namen der Täter veröffentlicht waren. Die Polizei entfernte sie wieder.

 

Wieso gilt Connewitz als links­alternative Hochburg?


Hier gibt es linke Zentren wie Conne Island oder das Zoro. Das sind ehemals besetzte Häuser, die inzwischen legalisiert wurden. In den 90er Jahren gab es deshalb Attacken von Neonazis, zugleich zogen junge linke Leute hierher, weil das Viertel fast legendär ist.

 

Welche unterschiedlichen Herangehensweise haben die Bündnisse?


Unser Bündnis »a monday without you« ist weitgehend von Parteien unabhängig. Ich bin also keine typische Vertreterin des Bündnisses, sondern eher die Ausnahme. In unserem Aufruf machen wir darauf aufmerksam: Der gesellschaftliche Boden, auf dem der Aufschwung von AfD und Pegida fußt, geht vom Rechtstrend des gesamten politischen Parteienspektrums aus. Als Grundlage dafür sehen wir eine Entsolidarisierung, die auch die SPD und die Grünen mitzuverantworten haben, etwa durch die Asylrechtsverschärfungen und eine zunehmende soziale Schieflage in der Bundesrepublik. Das sehen andere Bündnisse anders. »Leipzig nimmt Platz« erklärt das Erstarken der Rechten eher mit den Verhältnissen im Bundesland Sachsen, wo eine besonders konservative CDU regiert. Das Bündnis »Willkommen in Leipzig«, um den Leipziger Pfarrer Christian Wolff, versucht das bürgerliche Spektrum anzusprechen.

 

Haben die verschiedenen Bündnisse mit ihren Aktionen ein Zurückdrängen der Rechtsnationalisten erreicht?


Ja. Legida bringt nicht mehr als 150 Leute auf die Straße, das ist ein von uns erreichter Teilerfolg einerseits. Andererseits liegt es an deren Zerstrittenheit. Dennoch ist die Bedrohung nicht gebannt. Die Täter der rechtsextremen Szene sind weiter aktiv und betreiben brutale Sportarten wie Freefight. Wir wollen deshalb alle Gegenkräfte wieder auf die Straße holen.