Dienstag, 27.12.2016 „Wir sind keine braune Hochburg“

Erstveröffentlicht: 
27.12.2016

Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens spricht über Bautzens Mitte, das Lauenareal und seine Chefsache.

 

Bautzen hatte ein turbulentes Jahr – eine Herausforderung für den neuen OB Alexander Ahrens (parteilos), der im Wahlkampf hohe Erwartungen geweckt hatte.

 

2016 war für Bautzen ein denkbar schlechtes Jahr. Herr Ahrens, welche Schlagzeile wünschen Sie sich für 2017?


Gar keine. Ich wünsche mir Ruhe. Wenn Schlagzeilen, dann welche über Industrieansiedlungen.

 

Das klingt nach etwas Konkretem?


Bei Wirtschaftsansiedlungen sind wir in vielversprechenden Gesprächen. Wir haben einen Interessenten aus der Kunststoffbranche, der uns sehr gut tun würde. Der würde auch seinen Hauptsitz nach Bautzen verlegen, was für uns steuerlich sehr vorteilhaft wäre.

 

Sie wollten die Wirtschaftsförderung zur Chefsache machen. Ist das jetzt so?


Ist es. Ich führe regelmäßig selbst Gespräche mit Interessenten. Wir haben die Rückmeldung bekommen, dass das sehr positiv von den Firmen aufgenommen wird.

 

Wann rollen am Lauenareal die Bagger?


Ich bin mir sicher, dass wir 2018 Bauaktivitäten sehen werden. Momentan besprechen wir die Entwicklungsziele mit den beiden großen Eigentümern – mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft BWB und mit dem Investor Säurich & Sassenscheidt. Wir wünschen uns belebte Erdgeschosszeilen und eine Innenhofgestaltung mit hoher Aufenthaltsqualität. Wenn wir aus dem Hof nur eine Parkfläche machen, wäre das Ziel verfehlt.

 

Sie haben am Lauenareal ein Haus gekauft. Das stößt manchem sauer auf, weil Sie von der Gebietsentwicklung selbst profitieren. Verstehen Sie das?


Vielleicht vor dem Hintergrund, dass einige sich Gedanken machen, ob das ein unsauberes Geschäft war. Aber das Haus ist über einen Makler verkauft worden, es hätte also jeder kaufen können. Und: Wir mussten uns sehr kurzfristig entscheiden. Das hätten wir weder als Stadt noch als BWB gekonnt. Deswegen bin ich in die Bresche gesprungen. Ich habe auch gesagt, dass ich bei Bedarf bereit bin, das Haus an die Stadt oder die BWB zu verkaufen, sodass wir möglichst viel Fläche haben, die im Sinne der Stadt auch gestaltet werden kann. Das mag eine unkonventionelle Vorgehensweise sein, aber gerade weil ich das Areal für so wichtig halte, war es mir nicht egal, wer dort die Grundstücke besitzt.

 

Die Kita- und der Sportstättengebühren wurden erhöht. Müssen sich die Bautzener auf weitere Belastungen einstellen?


Es wird in der Kämmerei geprüft, die Grundsteuer anzuheben, was dazu führen würde, dass der Besitzer eines Einfamilienhauses mit rund 20 Euro im Jahr mehr belastet wird. Wir haben die Straßenbaubeitragssatzung abgeschafft und müssen nun andere Einnahmen generieren. Ich halte es da für gerechter, wenn jeder Hauseigentümer einige Euro mehr im Jahr bezahlt und dafür nicht in einzelnen Gebieten Straßenbaubeiträge umgelegt werden.

 

Die Stadt ist schuldenfrei, dennoch steigen Beiträge. Wie passt das zusammen?


Wir müssen uns auch in Zukunft unsere Handlungsfähigkeit erhalten. Ich möchte nicht, dass wir in fünf Jahren uns darüber unterhalten, dass wir gewisse Ausgaben nicht mehr tätigen dürfen, weil wir die wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür nicht mehr haben.

 

Wann kommt die Brötchentaste für die Parkautomaten?


Ich möchte nächstes Jahr das Projekt so weit eintüten und dann im Stadtrat zur Diskussion stellen, ob wir eine Brötchentaste umgesetzt kriegen. Ich würde es für sinnvoll halten, weil es zu einer Belebung der Stadt führt. Auch hätte ich gerne Automaten, bei denen man ebenfalls mit einer Kreditkarte bei minutengenauer Abrechnung bezahlen kann. Wenn wir Touristen in der Stadt haben wollen, dann sollten wir uns auf solche Gepflogenheiten einstellen.

 

Es gab Krawalle auf dem Kornmarkt zwischen Rechten und Ausländern. Brandsätze flogen auf das Flüchtlingsheim Spreehotel. Der Eigentümer fragte nach Bautzens Mitte. Wo ist sie?


Die große Mehrheit der Bevölkerung will ihre Ruhe haben. Der Wille allein reicht aber nicht aus. Man muss sich positionieren. Das ist unbequem aber notwendig. Ansonsten haben wir die Situation, die das zu Ende gehende Jahr geprägt hatte, dass wir Akteure am äußersten rechten Rand haben, die der Meinung sind, nicht nur für die Mehrheit der Bevölkerung zu sprechen, sondern auch für sie zu handeln. Und dann stehen wir in der medialen Außenwahrnehmung als das da, was wir nicht sind. Nämlich als braune Hochburg.

 

Sie sind als parteiloser Bürgermeister von einer Mitte gewählt worden. Wer, wenn nicht Sie, sollte es eigentlich schaffen, diese Mitte zu mobilisieren?


Das sehe ich genauso. Das ist tatsächlich eine große Aufgabe und sie ist viel schwieriger als man gemeinhin glauben könnte.

 

Sie haben mit Rechtsextremen gesprochen. Das sorgte für viel Kritik ...


Ich habe mit denen als Vertreter von rechten Webseiten gesprochen. Mir ging es auch darum, ein paar Gesichter zuordnen zu können. Bemerkenswert fand ich, dass in dem Gespräch keiner der vier Vertreter dieser Webseiten den Mut hatte, zu seinem bisherigen Verhalten zu stehen. Da wurde dann zum Beispiel gesagt, wir sind überhaupt keine Rassisten. Da wurde gesagt, wir sind überhaupt nicht für Gewalt. Wenn man in der persönlichen Konfrontation an dieser Stelle schon zurückrudert, ist das für mich auch ein gewisses Zeichen. Es ist ein Zeichen, dass wir an der Sache dranbleiben müssen. An meiner Entschlossenheit, rechte Gewalt oder Rassismus nicht zu tolerieren, ändert so ein Gespräch nichts.

 

Man darf die Außenwirkung nicht unterschätzen. Der Landrat Michael Harig hat sich jetzt mit dem neuen NPD-Kreischef getroffen. Geht das für Sie in die richtige Richtung?


Ich empfinde es als sehr unglücklich, wenn man sich mit jemandem trifft, der da als neuer Kreisvorsitzender der NPD kommt. Diesen Termin hätte ich aufgrund dieser Entwicklung abgesagt. Dennoch liegt es mir fern, den Landrat da zu kritisieren.

 

Gespräch: Madeleine Arndt und Sebastian Kositz