Bautzens Landrat Michael Harig plant am Donnerstag ein Treffen mit dem neuen Kreisvorsitzenden der NPD, Marco Wruck, um über die Krawalle in der Kreisstadt zu sprechen. Wruck hatte Harig nach einer Sitzung des Jugendhilfeausschusses Ende November um das Gespräch gebeten. Politiker verschiedener Parteien kritisieren Harig dafür, die Türen für den NPD-Vertreter zu öffnen.
"Mehr als schäbig"
Der Bautzener Kreisverband der Linken erklärte am Mittwoch, man dürfe Neonazis kein Podium bieten. "Einen Mann, dessen angemeldete Demonstrationen maßgeblich zur Gewalt auf Bautzens Straßen beigetragen haben, so zu hofieren, ist mehr als schäbig", hieß es. Schon seit Jahren bestehe die Strategie der CDU gegenüber rechts aus "abwiegeln, wegschauen, kleinreden – und mit Verfassungsfeinden reden". Die Linksjugend kündigte für Donnerstagnachmittag eine Kundgebung vor dem Bautzner Landratsamt an.
Jens Bitzka, der Kreisvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, schlug in dieselbe Kerbe: "So ein Treffen geht gar nicht." Man könne nicht als Landrat Nazis hofieren. Schließlich sei die NPD eine Partei, die der Bundesrat als verfassungsfeindlich einstuft und verbieten lassen will. Darüberhinaus gebe es andere Wege, wenn NPD-Vertreter mit dem Landrat reden wollten - wie die öffentliche Bürgerfragestunde im Kreistag.
Auch Politikwissenschaftler Steffen Kailitz vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung kritisierte das Vorhaben. Mit dieser Einladung honoriere man die rechten Krawalle in Bautzen. Das würde in der rechtsextremen Szene die Ansicht befördern, dass man nur mehr Krawall anzetteln müsse, um gehört zu werden. So entstehe durch Gewalt ein "Erpressungspotenzial".
Ähnliche Kritik wie Harig hatte auch der Bautzener Oberbürgermeister Alexander Ahrens nach einem Treffen mit Mitgliedern rechter Gruppierungen einstecken müssen.
Harig wehrt sich
Harig verteidigte sein Vorgehen gegenüber MDR SACHSEN. Er treffe sich mit einem Bürger des Landkreises Bautzen, wie es seine Aufgabe sei. Die Anfrage Wrucks sei schriftlich und in "gutem und höflichem Ton" eingegangen. Und das noch bevor Wruck zum NPD-Kreisvorsitzenden gewählt wurde. Außerdem müsse der Konflikt mit Menschen rechter Gesinnung durch Gespräche aufgelöst werden. Man könne die Probleme nicht "wegignorieren".
Er wolle nach den Beweggründen der Rechten fragen und die richtigen Gesprächsthemen ausloten, "um die Situation zu normalisieren", so Harig. Der Gesprächsfaden reiße erst ab, wenn er den Eindruck bekäme, weitere Gespräche lohnten sich nicht. Egal wie das Verbotsverfahren der NPD ausgehe, die Ansichten der Leute würden damit nicht verschwinden, sagte der Politiker. Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer ergänzte, ein Treffen sei nicht falsch, nur weil "grüne Oppositionspolitiker gleich rumschreien". Harig sei ein erfahrener Demokrat und wisse, was er tue.
Auch der Bautzner SPD-Politiker Roland Fleischer unterstützt Harig. Der Landrat habe sich in den letzten Jahren immer gegen rechte Tendenzen gewehrt. Zudem sei es nötig, "den Leuten ins Gesicht zu sagen, was man von ihnen hält." Das Gespräch sei daher legitim.
Wruck: Zehn Monate Haft wegen Betrugs
Wruck sagte im Gespräch mit dem MDR, er wolle mit dem Landrat
verschiedene sozialpolitische Punkte erörtern, darunter die Einhaltung
des Jugendschutzes. Es sei problematisch, wenn Minderjährige auf der
"Platte" bis in die Nacht Alkohol trinken, unabhängig von ihrer
Nationalität. Auf Facebook schrieb er zudem, er werde nicht zulassen,
dass der letzte Anschlag gegen ein Asylbewerberheim in Bautzen "auf die rechte Szene geschoben wird".
In
der rechten Szene ist Wruck als Wortführer der Gruppe "Sachsen wehrt
sich" bekannt. Er hatte am 9. September auf dem Bautzner Kornmarkt eine
Demonstration unter dem Motto "Resignation statt Immigration"
angemeldet. Fünf Tage danach war die Situation in Bautzen eskaliert.
Zum Hintergrund Wrucks gehört nach Angaben der Staatsanwaltschaft
Görlitz auch eine zehnmonatige Gefängnisstrafe wegen Betrugs. Das urteil
fiel 2014.
Dem MDR sagte der NPD-Kreischef, er distanziere sich nicht von den Ausschreitungen und toleriere, "dass die Leute sich wehren" und "Zeichen setzen". Die Ausschreitungen auf dem Kornmarkt Mitte September hatten bundesweit für Schlagzeilen gesorgt.