"Die Welt zu Gast bei Freunden“ – so trällerte die PR zur Fußball-WM in Deutschland vor vier Jahren. Ein bisschen Nestwärme im kalten Wind der Globalisierung und die spießige Idee, dass man mit der Welt nur etwas zu tun bekommt, wenn man sie einlädt. Um noch viel folgenreichere Selbsttäuschungen, um trügerische Fassaden, Hetzkampagnen und die Politik, die mit Bildern gemacht wird, geht es auch auf der globale10. Und auch eine Fußball-WM steht wieder bevor, aber die Verlierer stehen hier schon fest, bevor das erste Tor gefallen ist: die Tausende, die bei der Zurichtung Südafrikas für das große Spektakel im Wege waren, deren Häuser eingeebnet wurden, weil ihr Anblick von einer anderen Welt erzählt hätte, als die schönen Bilder; Von Menschen, die den Preis zahlen für die Krisen, Verbrechen und Raubzüge des marodierenden Kapitals.
Vom 27. Mai bis 5. Juni findet in Berlin die 6. globale statt - mit rund 35 Filmprogrammen im Kino Moviemento, mit Workshops, Filmscreenings und Aktionen im öffentlichen Raum, und wie immer mit leidenschaftlichen Debatten. Vor allem auch mit Filmemacher_innen und anderen Gästen, die sich in ihrer Arbeit für eine solidarische Welt stark machen und in ihrer Kritik keine falschen Kompromisse eingehen.
Das gesamte Festivalprogramm wird Mitte Mai online stehen und unsere hübschen Programmhefte liegen dann auch bald wieder aus.
Themen der globale10:
Gentrifizierung/ Risikokapital Stadt
Wohnen bleiben! Strategien gegen Gentrifizierung und Verdrängung in Berlin und an anderen Brennpunkten innerstädtischer Privatisierung wie Hamburg, Warschau, Sao Paolo und dem Fußball-WM-Austragungsort Kapstadt.
Privatisierung dessen, was allen gehört
Ein aktueller Fokus auf das Thema Bahnprivatisierung. Beispiel: Italien, Heimspiel: Berlin. Wer profitiert trotz Chaos? Und wie wird die Bahn unsere Bahn?
Arbeit: Kämpfe, Bedingungen
Beispiele aus Mexiko, Indien und Deutschland zeigen konkrete Konflikte in globalisierten, aber lokal ausgefochtenen Arbeitsbeziehungen.
Geschlechterverhältnisse: Care Work
Die Bedeutung von bezahlten Haus- und Pflegedienstleistungen hat global stark zugenommen. Wie die traditionell unbezahlte Reproduktionsarbeit wird diese Arbeit nahezu ausschließlich von Frauen geleistet – die dafür meist migrieren.
Migration/Ausbeutung/Bilder-Politik
Der Zusammenhang zwischen den Strategien des Nordens in Afrika, der Migrationspolitik und der Saisonarbeit illegalisierter Migrant_innen in Südeuropa. Ein Blick auf die europäischen Außengrenzen, aber auch eine selbstkritische Auseinandersetzung mit der Ambivalenz von Film- und Videobildern und der Rolle von medialen Klischees in der Migrationspolitik.
Hierbleiben und Feiern!
Das Boot ist voll und ganz gegen Rassismus: Filmscreening und Solidarisierungsaktion am 30.5. vor dem sogenannten „Ausreisenzentrum“ Motardstraße 101a.
Deutsche Kolonialgeschichten
Fatal zwar, aber die Rekonstruktion des Berliner Schlosses scheint beschlossene Sache. Aber es kommt noch besser, einziehen soll hier nämlich das so genannte Humboldt-Forum: In einem Akt schwarzer Magie beabsichtigt man der reanimierten Preußenmaterie gleich noch den Ungeist ihrer imperialen und kolonialen Projekte einzuverleiben. Haben wir da was gegen? Ja! Filme, Rundgang und Aktion am Schlossplatz.
Israel
Israel ist von mannigfaltigen, spezifischen Konfliktlinien durchzogen. Es geht uns darum, ein vielfältiges Bild dieser Gesellschaft zu zeigen. Statt voreiliger Polarisierung Raum für kritische Stimmen. Was sind linke Handlungsspielräume in Israel und hier?
Testfeld Lateinamerika
Lateinamerika präsentiert sich als krasses Nebeneinander radikal emanzipatorischer Bewegungen und paramilitärischer Kriegszonen, neo-liberaler Freihandelspolitik und vergesellschafteter Bodenschätze. In den Filmen geht es um das schmutzige Geschäft mit genmodifiziertem Saatgut, um Honduras nach dem Militärputsch von 2009 und um den Widerstand indigener Bevölkerungen in Kolumbien und Brasilien.
Tschetschenien
Aus aktuellem Anlass ist die tschetschenische Menschenrechts- und Videoaktivistin Sainap Gaschajewa eingeladen, über die Lage in ihrem Land zu sprechen und das Zeugenarchiv zu den Tschetschenien-Kriegen vorzustellen, das sie in Bern aufbaut.
Medienaktivismus: Selbstkritik
Was ist los mit dem Medienaktivismus? Web 2.0 vs. P2P? Im Rahmen eines zweiten Treffens mit Filmschaffenden und Medienaktivist_innen möchte die globale hinterfragen, was es heißt, ein politisches Filmfestival zu sein. Was wir eigentlich meinen, wenn wir von politischen Filmen und von einem politischen Gebrauch von Bildern sprechen.
Die globale10 ist seit 2003 die sechste Ausgabe dieses Festivals in Berlin. Zeitnah wird es auch eine globale in Montevideo (Uruguay, 21.5.- 28.5.) und in Warschau (im Juni) geben, außerdem gibt es globale-Teams in Leipzig und in Gießen/Marburg, die an eigenen Programmen arbeiten. Auch die globale10 wird organisiert von einer basisdemokratischen, offenen Gruppe. Das heißt: offen für euch, für eure Ideen, euren Tatendrang, eure Solidarität, für eure Kritik und eure Filme. Da wir uns kontinuierlich treffen, könnt ihr uns jederzeit Filme zukommen lassen. Auch zwischen den Festivals organisieren wir öffentliche Filmscreenings, beteiligen uns an Veranstaltungen anderer Gruppen, stellen unser Filmarchiv zur Verfügung und bringen euch in Kontakt mit den Macher_innen der Filme.