Milde Strafe für den Machetenschläger

Erstveröffentlicht: 
24.11.2016

Das Gericht in Regensburg ging bei der Attacke eines Kelheimers auf einen Flüchtling nicht von einem Tötungsvorsatz aus.
Von Marion von Boeselager

 

Regensburg. Mit einer mörderischen Waffe – einer fast einen halben Meter langen Machete – drang im Februar ein 23-jähriger Zimmererhelfer aus Kelheim in die dortige Asylbewerberunterkunft ein und ging auf einen jungen Afrikaner los. Zuvor soll er auf der Straße Naziparolen gegrölt haben. Anders als der Staatsanwalt, der für den Kelheimer eine Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren, unter anderem wegen Mordversuchs, gefordert hatte, wertete das Gericht die Attacke lediglich als versuchte gefährliche Körperverletzung in zwei Fällen sowie fahrlässige Körperverletzung. 

 

Drei Jahre und vier Monate Haft


Die Kammer unter Vorsitz von Richter Werner Ebner ging nicht von einem Tötungsvorsatz des Angreifers aus. Drei Jahre und vier Monate Haft lautete das Urteil des Schwurgerichts am Donnerstag. Außerdem wird der alkoholkranke Kelheimer unverzüglich in eine Entziehungsanstalt eingewiesen. Wegen der übrigen Vorwürfe – die Staatsanwaltschaft warf dem 23-jährigen Kelheimer auch noch Volksverhetzung und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vor – wurde der Kelheimer frei gesprochen. Die Taten seien ihm nicht nachzuweisen.

 

Der Vorsitzende Richter Ebner schickte seiner Urteilsbegründung einige Worte voraus: Die Zahl politisch motivierter und gegen Ausländer und deren Unterkünfte gerichteten Straftaten habe in Deutschland in den letzten Jahren stark zugenommen, sagte der Vorsitzende. Zuvor hatte er noch aus einer Statistik des Bundes-Innenministeriums zitieren lassen, wonach die Zahl der Fälle politisch motivierter Kriminalität von rechts von 17020 Fällen 2014 auf 22960 Fälle 2015 hochgeschnellt sei. Das sei eine Steigerung um fast 35 Prozent.

 

„Die Abscheu rechtschaffener Bürger vor diesen Taten und Tätern ist verständlich und begrüßenswert“, sagte Ebner. Dennoch dürften die mit diesen Taten befassten Gerichte sich nicht von diesen Gefühlen beeinflussen lassen. Es sei vielmehr „vornehme Aufgabe der Richter, unabhängig von politischen Strömungen und Erwartungshaltungen ausschließlich auf Grundlage nachgewiesener Fakten die Gesetze auszulegen und Recht zu sprechen.“ 

 

Von Klein auf Probleme gemacht


Es gebe „keine Hinweise darauf, dass der Angeklagte der rechten Szene angehörte oder Gedankengut der Neonazis verinnerlicht hatte“, betonte Ebner. Allerdings habe der junge Kelheimer, in den seine Adoptiveltern viel Liebe investierten, von Klein auf Probleme gemacht. Das ADHS- und Legasthenie-Kind machte jeden Blödsinn mit, hatte wenig Erfolg in der Schule und schmiss drei Ausbildungen. Er kam früh mit Alkohol und Drogen in Kontakt. Deren Konsum habe sich laufend gesteigert. Auch mehrere Therapien fruchteten nicht.

 

Am Nachmittag des 11. Februar, skizzierte Ebner den Tattag, traf sich der Kelheimer mit einem Kumpel (19). Man trank reichlich Bier und Wodka, rauchte eine Kräutermischung. Auf der Straße stieß das Duo dann auf einen dritten Mann, der dem 19-Jährigen ein Paket mit zwei Macheten und zwei Wurfsternen übergab - wohl als Honorar für ein Drogengeschäft.

 

Die beiden Kumpels tranken und rauchten dann in der Kelheimer Obdachlosenunterkunft weiter. Die liegt genau gegenüber einem Haus, in dem Flüchtlinge untergebracht sind. Während der Alkoholpegel bei den Feiernden weiter anstieg, öffnete der der 19-Jährige das Paket mit den Waffen. Er und der Angeklagte, der als Mitläufer charakterisiert wurde, griffen sich eine Machete. Beide Männer wetterten gegen Asylbewerber. Ob dabei jedoch von „Abschlachten“ die Rede war – wie es in der Anklageschrift heißt – oder nur von „platt“ oder „fertig machen“, darüber gingen die Zeugenaussagen auseinander. Auch sei nicht geklärt, von wem die verhängnisvolle Aufforderung kam, ins Flüchtlingsheim zu gehen. Zugunsten des Angeklagten ging das Gericht davon aus, dass es dessen Kumpel war. 

 

Wer brüllte die Naziparolen?


Beide Männer begaben sich mit den Waffen nach draußen, so Ebner. Wer aber dann die rechten Parolen gegrölt habe und wo genau, das sei nicht geklärt. Die Zeugen hatten niemanden gesehen, nur die Worte gehört.

 

Allein der Angeklagte betrat dann das Flüchtlingsheim, brüllte herum und hieb mit der Machete gegen die Tür des Flüchtlings aus Sierra Leone. Der öffnete einen Spalt. Da schlug der Angeklagte zu, jedoch nicht in Richtung Kopf, wie es in der Anklage hieß, sondern waagrecht in Richtung Brust oder Bauch. Das bezeugte der junge Afrikaner „vorbildlich differenziert und ohne Belastungseifer“, so Ebner. „Der Angeklagte nahm die Verletzung der Person, die die Tür öffnete, billigend in Kauf.“ Ein direkter oder bedingter Tötungsvorsatz sei ihm aber nicht nachzuweisen. Denn er habe nicht versucht, die schnell zugedrückte Tür wieder zu öffnen.

 

Der Afrikaner sprang aus dem Fenster, wobei er sich leicht verletzte, warnte die Mitbewohner und lockte dann den Täter mutig aus dem Haus. Als er stolperte, holte der Kelheimer erneut zum Schlag mit der Machete aus, diesmal in Richtung Oberkörper des Opfers. Auch hier habe er „eine lebensgefährliche Verletzung des Opfers billigend in Kauf genommen.“ Doch der Afrikaner konnte ausweichen, brachte den Kelheimer zu Fall und kickte die Waffe weg. Dann eilten ihm Passanten zu Hilfe und fixierten den Kelheimer am Boden.

 

Der Angeklagte hatte die Attacke, soweit ihm erinnerlich, gestanden. Mit über drei Promille Alkohol im Blut hatte ihm der Sachverständige eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit bescheinigt.