Im Streit um die Reform des Sexualkundeunterrichts sind am Sonntag mehrere tausend Menschen für und gegen den neuen Lehrplan in Hessen auf die Straße gegangen. Ein Großaufgebot der Polizei verhinderte, dass die beiden Gruppen aufeinandertrafen.
Rund 2.000 Menschen zogen nach
Angaben der Veranstalter am Mittag vom Wiesbadener Hauptbahnhof auf das
Dernsche Gelände, um für Akzeptanz sexueller Vielfalt und für den neuen
Sexualkunde-Lehrplan in Hessen zu demonstrieren. Die Polizei sprach von
1.500 Teilnehmern.
Zu dem Marsch und zu der Abschlusskundgebung
auf dem zentralen Platz neben dem Rathaus hatte ein breites Bündnis aus
mehr als 100 Parteien, Gewerkschaften, Vereinen und Initiativen
aufgerufen. Redner forderten, "schwul" dürfe kein Schimpfwort mehr an
den Schulen sein, der Unterricht müsse ein diskriminierungsfreier Ort
sein.
Die Aktion richtete sich gegen Gegner des Sexualkunde-Lehrplans, das Aktionsbündnis "Ehe und Familie", das zu einer "Demo für alle" vor dem Kultusministerium in Wiesbaden aufgerufen hatte. An der Anti-Lehrplan-Kundgebung nahmen laut Polizei etwa 2.000 Menschen teil. Auf Schildern stand etwa "Ehe bleibt Ehe" oder "Stoppt Gender". Ihre Demonstration versuchten etwa 300 Gegner mit Sitzblockaden zu verhindern. Daraufhin verkürzten die Anmelder der "Demo für alle" ihre Route. Mit bis zu 6.000 Demonstranten beider Lager war gerechnet worden.
Auch rechtsextreme Gruppen hatten ihr Kommen zur "Demo für alle" angekündigt, darunter die NPD, die völkische "Identitäre Bewegung" und "Der III.Weg", eine Gruppe gewaltbereiter Neonazis.
Journalistin und Autoinsasse verletzt
Laut Polizei versuchten
teilweise Gegner der "Demo für alle", die vorgesehene Demoroute zu
verlassen. Vereinzelt seien Gegenstände geworfen worden, teilte die
Polizei mit. Zwei Menschen wurden den Angaben zufolge verletzt. Es kam
auch zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Gegendemonstranten, eine Journalistin der Frankfurter Rundschau wurde dabei verletzt und musste ins Krankenhaus gebracht werden.
Zudem
wurde laut Polizei nach den Demonstrationen ein Autoinsasse verletzt,
weil ein Pflasterstein das Fahrzeug traf. Der Tatverdacht richtet sich
gegen zwölf Personen, die vorläufig festgenommen wurden.
Lehrplan-Gegner befürchten "Frühsexualisierung"
Die Lehrplan-Gegner befürchten eine Frühsexualisierung und Indoktrinierung der Schüler. Die Veranstalter, darunter viele konservative Christen, hatten sich bereits in Baden-Württemberg gegen ähnliche Änderungen gewendet. Die Organisatorin, Hedwig von Beverfoerde, kündigte dauerhaften Widerstand gegen den neuen Lehrplan an. Beverfoerde distanzierte sich von rechtsextremen Gruppierungen.
Der neue Lehrplan wurde zum laufenden Schuljahr in Kraft gesetzt. Er sieht als Ziel die Akzeptanz sexueller Vielfalt vor und damit einen diskriminierungsfreien Umgang auch mit Homo-, Trans- oder Bisexualität. Kultusminister Alexander Lorz (CDU) hat von einem Routinevorgang gesprochen, mit dem der bisherige Lehrplan den gesellschaftlichen Gegebenheiten angepasst worden sei.