150.000 € bei Rechtsrock-Konzert in der Schweiz – Geld landet auf Konto der Thüringer Neonazi-Szene

Neonazi-Konzert am 15. Oktober 2016 in Toggenburg (via Antifa Bern)

Am 15. Oktober 2016 fand in der Schweizer Region Toggenburg ein Konzert mit mehreren Tausend Neonazis statt, bei dem über 150.000 € durch Eintrittsgelder umgesetzt worden sein könnten. Beim Kartenvorverkauf wurde eine IBAN für Überweisungen verwendet, die zuletzt bei einem Neonazi-Konzert in Kirchheim (Thüringen) zum Einsatz kam.

 

Über 5.000 Besucher beim Konzert


Das Konzert in der Schweiz mit den Bands Stahlgewitter, Confident of Victory, Frontalkraft und Amok war zuvor für den Raum „Süddeutschland“ angekündigt worden. Besucher sollten sich am Nachmittag im Raum Ulm aufhalten, zuletzt kamen noch die extrem rechten Musiker Makks Damage und Ekzess dazu. Thüringen Rechtsaußen hatte vorab auf eine organisatorische Beteiligung von Neonazis aus Thüringen hingewiesen. Am Wochenende reisten mehrere Fahrgemeinschaften von Nord- bis Ostthüringen schließlich in die Schweiz, zuvor hatten auch Neonazis aus den Regionen Ballstädt und Saalfeld intensiv die Werbetrommel innerhalb der Szene gerührt.

 

ie „Brigade Werratal-Rennsteig“ aus Südthüringen plante bereits am 20. September 2016 ihre Anreise und suchte über Facebook nach Unterstützern, „starten soll die wilde Fahrt ab 8 oder 9 Uhr“ hieß es in dem kurzen Aufruf zum Flyer. Der aus Saalfeld stammende David Heinlein, der im Januar 2013 an einem versuchten Messerangriff beteiligt war, stellte seine Kontodaten für das große Konzert zur Verfügung. Interessierte Neonazis sollten auf Anfrage im Vorfeld 30 € auf seine IBAN DE38100100100012359123 bei der Postbank Berlin überweisen, wie eine „Reichsmusikkammer“ mitteilte.

 

Schweizer Medien berichten im Nachgang über 5.000 bis 6.000 Teilnehmer beim Konzert in Toggenburg. Ohne Kosten für Bands, Anreise, Miete und weitere Logistik dürfte der Umsatz aus dem Verkauf von Eintrittskarten daher bei mindestens 150.000 € liegen. Weitere Einnahmen werden bei solchen Konzerten vor allem durch den Ausschank von Getränken und den Verkauf von CDs und Kleidung generiert. Besucher des Konzertes in der Tennis- und Eventhalle von Unterwasser (Toggenburg) berichteten auf Facebook zudem, dass angeblich ein Bier 3,50 € und eine Wurst 5,00 €  gekostet haben sollen.

 

„Rock gegen Überfremdung“ mit Wohlleben-Plakat im August 2016 in Thüringen

 

 

David Heinlein, der auch dem Umfeld der neugegründeten „Anti-Antifa Osttühringen“ angehört, agiert nicht alleine, sondern dürfte innerhalb eines Netzwerkes eher die Rolle eines „Strohmannes“ einnehmen. Auch beim Konzert „Rock gegen Überfremdung“ am 20. August 2016 in Kirchheim mit über 450 Neonazis wurde beim Kartenverkauf Heinleins IBAN angegeben. Damals sollten 25€ pro Person auf sein Konto überwiesen werden. In der Annahme das rund 50 Personen als Funktionspersonal (Bar, Bands, Security…) keinen Eintritt zahlen mussten, blieben immerhin noch rund 10.000 € alleine durch die Eintrittsgebühren übrig, die gegenüber den Behörden gerne als „Spenden“ deklariert werden.

 

Beim „Rock gegen Überfremdung“ waren an der Konzertorganisation auch Neonazis aus dem Kreis der Angeklagten im Ballstädt-Prozess beteiligt. Im Februar 2014 überfiel eine Neonazi-Gruppe von bis zu 15 Personen eine Kirmesgesellschaft in Ballstädt und verletzte 10 Menschen, einige von ihnen schwer. In Kirchheim soll auch der Saalfelder Steffen Richter eine zentrale Rolle eingenommen haben und als Anmelder aufgetreten sein. Er macht keinen Hehl aus seiner Unterstützung für das „Hammerskin“-Netzwerk und tritt mit dessen Logo auf. Richter gilt als einer der engsten Vertrauten des mutmaßlichen NSU-Helfers Ralf Wohlleben. Auf der Bühne in Kirchheim wurde zudem ein großes Transparent mit dem Gesicht von Wohlleben und der Parole „Freiheit für Wolle“ aufgehangen.

 

Verbindungen zu Blood & Honour und Ballstädter Neonazi-Szene


Beim Konzert am 15. Oktober 2016 in der Schweiz soll nach Einschätzung der Antifa Bern Kevin Gutmann, der vorbestrafte Sänger der Band „Amok“, in die Organisation eingebunden gewesen sein. Gutmann ist aktives Mitglied der Züricher Sektion „Blood & Honour“ (B&H). Er pflegt gute Kontakte zur Neonazi-Szene um die „Hausgemeinschaft Jonastal“, die von Crawinkel in die Immobilie „Gelbes Haus“ nach Ballstädt gezogen ist. Dort wohnt auch Thomas Wagner, Kopf der Band „S.K.D.“, die ebenfalls auf Konzerten und CDs von B&H vertreten war.

 

Der Schweizer B&H Aktivist Gutmann ist auf Facebook mit Rocco Boitz. einem Angeklagten im Ballstädt-Prozess befreundet. Boitz ist Mitglied der Schweizer Rechtsrock-Band „Treueorden“  ist, die 2015 mindestens sechs Auftritte in Kirchheim absolvierte. In der Freundesliste von Guthmann findet sich auch der SKD-Gitarrist Mario Kelch sowie Steffen Mäder aus dem Umfeld der Band, der im Österreicher Objekt 21 Prozess zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Mäder und Kelch treten im Ballstädt-Prozess als Unterstützer auf und gehören regelmäßig mit zu den ersten, die neue Konzertplanungen innerhalb ihrer Netzwerke streuen.

 

Als drei Tage vor dem Konzert mitte Oktober 2016 in der Schweiz das Infotelefon für das Konzert aus technischen Gründen ausfiel, verbreitete Kelch, der 2013 wegen Körperverletzung im Gefängnis saß, auf Facebook einen neuen Flyer mit einer zweiten Infonummer, der gleich 40 mal geteilt wurde. Im Jahr 2012 zündeten Neonazis vor dem alternativen Hausprojekt „j.u.w.e.l“ in Gotha eine Kugelbombe, Kelch stellte anschließend unter Pseudonym ein Video davon ins Internet. Früher war er Gitarrist bei der Erfurter Band „PAK 88″.

 

Neonazis als selbsternannte „Mudschahedin“? Nächstes Ballstädt-Soli Konzert am 5. November 2016 in Kirchheim (Thüringen)


Steffen Mäder, der ebenfalls an der Organisation der Solidaritätskonzerte für die Angeklagten im Ballstädt-Prozess beteiligt ist, bewirbt inzwischen auch ein weiteres Rechtsrock-Konzert unter dem Titel „Thüringen Rockt“ für den 5. November 2016 in „Mitteldeutschland“ und hat einen entsprechenden Flyer veröffentlicht. Auftreten sollen die Bands „Ex Umbra in Solem“ und „N.A.P.O.L.A“. Außerdem angekündigt sind „Unbeliebte Jungs“ und „TreueOrden“, in denen jeweils Angeklagte aus dem Ballstädt-Prozess mitwirken. Auf eine fingierte Kartenbestellung von Thüringen Rechtsaußen wurde die IBAN DE45820640380200050164 zur Einzahlung der Eintrittsgelder übermittelt. Es handelt sich um das private Konto von André Keller bei der Volks- und Raiffeisenbank Westthüringen. Keller ist nicht nur Käufer des neonazistischen Wohn- und Veranstaltungsortes „Gelbes Haus“ in Ballstädt, er wird derzeit ebenfalls beim Landgericht Erfurt als Angeklagter beschuldigt, an dem gewalttätigen Überfall im Februar 2014 beteiligt gewesen zu sein.

 

Die Summe der erwarteten Überweisungsgelder liegt bei 5.000 €, 25 € pro Ticket für limitiert 200 Karten. Kellers IBAN wurde zum selben Zweck bereits für ein Soli-Konzert im November 2015 verwendet, eine IBAN von Mäder für ein entsprechendes Konzert im Februar 2015, in den meisten Fällen war der Veranstaltungsort Kirchheim. Kelch, Keller und Mäder posierten 2012 mit den Schlägern von Ballstädt mit Paintball-Waffen für ein Foto, dass mit „NSU reloaded“ beschrieben wurde. Beim Kartenkauf für das geplante Konzert 5. November 2016 wies die Kontaktperson vom Organisationskreis per Mail darauf hin, dass man abgeschieden feiern möchte: „Ab 18 Jahre!, keine Kameras, keine Handys!!!“.

 

Die Emailadresse thueringen.rockt@gmx.de trug dabei den Aliasnamen „Mucha Hedin“, eine Anspielung auf die bewaffnete islamistische Untergrundorganisation der Mudschahedin, die für den „Dschihad“ kämpfen. Wie das mit den Demonstrationen von „Thüringen gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Thügida), an denen auch Neonazis aus Ballstädt immer wieder teilnahmen, konform geht, bleibt wohl deren Geheimnis.

 

Die Szene um Crawinkel und Ballstädt ist hingegen seit Jahren über Grenzen hinweg aktiv und pflegt internationale Kontakte, besonders in die Schweiz und nach Österreich. Im Rapperswil existiert zum Beispiel der Neonazi-Tattoo Laden „Barbarossa“ um den tschechischen Tätowierer Ondrej Ciporanov und den Deutschen Matthias Melcher. Bei mehreren organisierten Besuchen in Thüringen residierte der Tätowierer im „Gelben Haus“ in Thüringen und das Schweizer Tattoo-Geschäft warb wenige Monate nach dem Überfall in Ballstädt öffentlich mit einem „Ballstädt-Soli“-T-Shirt.

 

Auch der Schläger Marcus Russwurm, der für das Label „Ansgar Aryan“ als Model auftritt und ebenfalls auf der Anklagebank im Ballstädt-Prozess sitzt, stand bereits im April 2014 im Verdacht an einem B&H Konzert zum 125. Geburtstsg von Adolf Hitler im französischen Dorf Oltingue organisatorisch mit der Sektion Zürich von B&H beteiligt gewesen zu sein. Russwurm lebte damals in einer Züricher Neonazi-WG. Zwischenzeitlich fanden weitere Konzerte mit Bands statt, in denen Angeklagte aus dem Ballstädt-Prozess mitspielen. Bei einigen gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Einnahmen zur Abdeckung von Prozess- und Anwaltskosten sowie zur Abzahlung des Hauskredites vom „Gelben Haus“ in Ballstädt verwendet werden.

 

Schweizer Konzert wurde für 600 Personen unter Legende angemeldet


Das Konzert soll als „Rocktoberfest“ in der Schweiz über eine „Bewilligung“ (ähnlich einer Genehmigung) verfügt haben, es wurde für 600 Personen angemeldet. Das Schweizer Tageblatt (tagblatt.ch) titelte „Neonazi-Schwemme in Unterwasser“. Dder Gemeindepräsident von Unterwasser sagte gegenüber der Zeitung: „Vor ein paar Wochen haben wir ein Gastwirtschaftspatent erteilt. Ein junger Mann hat bei uns angefragt, ob er ein Konzert abhalten könne – und zwar mit fünf oder sechs Nachwuchsbands aus der Schweiz“. Tickets wollten die Musiker „in ihrem Verwandtschafts – und Kollegenkreis“ verkaufen. Von den tausenden Neonazis habe sich Gemeinde überrumpelt gefühlt.

 

Die St. Galler Kantonspolizei war zwar vor Ort, aber nicht in der Halle gewesen. „Die Veranstaltung sei vorschriftsgemäss und aus polizeilicher Sicht problemlos und friedlich über die Bühne gegangen“ so der Polizeisprecher. Die Antifa Bern spricht vom größten Rechtsrock-Konzert der Schweiz. Wohin die Einnahmen aus diesem Konzert am Ende fließen werden, ist noch nicht bekannt. Die Gewinnspanne dürfte die der Kirchheim-Konzerte aber um Längen übertreffen.

 

Interessant könnte auch werden, welche Erklärung der Saalfelder David Heinlein dem zuständigen Finanzamt Pößneck präsentieren möchte, dürfte das wiederholte Sammeln von Konzerteintrittsgeldern auf seinem Privatkonto doch ausreichend Anhaltspunkte für eine gewerbliche Tätigkeit bieten, die neben der entsprechenden Anmeldung auch die Abführung einer Einkommenssteuer erforderlich machen würde. Am 7. Mai 2016 fand in Hildburghausen (Südthüringen) bereits ein Konzert der Neonazis Tommy Frenck und Patrick Schröder mit über 3.500 Besuchern statt. Das Geschäft mit dem Rechtsrock ist unverändert attraktiv. Dass die extreme Rechte in Thüringen davon auch weit über die Landesgrenzen hinaus profitiert zeigt auch das Konzert in der Schweiz.