An den Krawallen auf dem Bautzner Kornmarkt waren etliche Rechte beteiligt. Dass die Lage eskalierte, war wohl ihr Kalkül.
Jagdszenen, ausländerfeindliche Parolen – einmal mehr rückt Bautzen sehr unrühmlich in den Fokus. Auf dem Kornmarkt eskaliert am Abend des 14. Septembers die Lage. Dutzende Männer und Frauen hetzen 20 junge Asylsuchende quer durch die Innenstadt. Vorausgegangen, so sagen Augenzeugen und die Polizei, waren Provokationen durch die Zuwanderer. Was sich derzeit in Bautzen abspielt, zeigt allerdings auch, wie sehr rechtsextreme Strukturen inzwischen die Situation in der Stadt bestimmen. Für Beobachter kam der Gewaltausbruch keineswegs überraschend.
Zweifelsfrei hatten sich am 14. September nicht nur Trunkenbolde und „erlebnisorientierte“ Jugendliche auf dem Platz zusammengerottet. Die Polizei verweist auf „gewaltbereite Personen“, die „dem politisch rechten Spektrum zuzuordnen“ seien. Augenzeugen bestätigen das. Viele der Angreifer hätten szenetypische Kleidung getragen. Und: Später seien diese in Autos mit Kennzeichen unter anderem aus Weißwasser und Kamenz gestiegen. Ein Hinweis darauf, dass es zuvor Absprachen gab.
Martialisch und extrem militant
Tatsächlich ist es für Außenstehende schwer, die braunen Verflechtungen in Ostsachsen zu überblicken. Jens Wolfer von der Regionalen Arbeitsstelle für Integration und Demokratie in Dresden (kurz RAA Sachsen) und seine Kollegen haben die rechte Szene in der Region seit Jahren im Blick. „Es ist schwierig, Personen und Gruppen genau festzumachen. Klar ist aber, dass es einen hohen Organisationsgrad gibt“, so der Experte, der zugleich auf über Jahre gewachsene Strukturen verweist.
Nach den Vorfällen auf dem Kornmarkt hatten sich vier verschiedene Gruppen gemeinsam übers Internet an die Öffentlichkeit und die Stadtverwaltung gewandt. In einem Aufruf boten sie einen vorläufigen Verzicht auf Demonstrationen an, forderten aber im Gegenzug „spürbare Veränderungen“ durch die Politik. Darunter standen die Namen der Gruppen „streambz#fotografie“, „Nationale Front Bautzen“, „rechtes-kollektiv.BZ“ und „Die Sachsen Demonstrationen“. Bei Facebook machen die vier Gruppen keinen Hehl aus ihrer rassistischen Haltung. Allen voran gibt sich Stream BZ dabei besonders martialisch und extrem militant.
Dass Mitglieder dieser Gruppen tatsächlich bei den gewalttätigen Krawallen auf dem Kornmarkt vertreten waren, lässt sich bislang nicht belegen. „Sie geben sich große Mühe, unerkannt zu bleiben“, sagt Jens Wolfer. Die Gruppe Stream BZ sei aber in der Vergangenheit schon mehrfach in Bautzen in Erscheinung getreten, hatte unter anderem von Anti-Asyl-Demos berichtet. Auf Aufklebern, die im ganzen Stadtgebiet verteilt wurden, fordert Stream BZ eine „NS-Zone“ und einen „Nazi-Kiez“. Parolen wie „Unser Nazi-Kiez!“ sollen laut Augenzeugen auch am 14. September bei den Krawallen gerufen worden sein.
„Wir können nicht belegen, dass sie dabei waren. Aber sie haben die Stimmung, die in der Stadt herrscht, in jedem Fall entscheidend mitgeprägt“, sagt Jens Wolfer, der zugleich von einem Klima der Angst unter den Betroffenen der rechten Hetze und Gewalt berichtet. Die RAA habe dieses Jahr in Bautzen bereits 20 Übergriffe von Rechtsextremisten registriert – die allermeisten gegen Ausländer. „Sie werden bedroht, beleidigt und angespuckt. Viele Zuwanderer leben in einer permanenten Bedrohungslage“, sagt Jens Wolfer. Diese Vorgeschichte müsse bei der Beurteilung der Ereignisse vom 14. September mit bedacht werden. Genau darauf, so sein Eindruck, hätten es die Rechten vorab auch angelegt. Die Eskalation sei kein Zufall gewesen.
Eine andere spannende Frage ist derweil, welche Rolle eigentlich die in Bautzen ansässige Gruppe „Arian Brotherhood Eastside“ spielt. Der Name hat einen eindeutig rassistischen Bezug. Ende August hatte die krude Bruderschaft mit Rockerattitüden ihr fünfjähriges Bestehen gefeiert. Einige ihrer Mitglieder waren am 9. September auf der rechten Demo auf dem Kornmarkt dabei, auch an den folgenden Tagen hatten Augenzeugen die kräftigen Männer mit ihren Westen und der Aufschrift „125“ dort gesehen. Die Ziffern stehen dabei für die Reihenfolge der Buchstaben A, B und E im Alphabet, dem Kürzel der Gruppe.
Auch hier ist offen, inwieweit die Mitglieder von Arian Brotherhood am 14. September an der Gewalt beteiligt waren. Ein Augenzeuge will in der Menge einen jungen Mann gesehen haben, auf dessen Shirt der Slogan „125 Supporters“ stand. Das MDR-Magazin „Fakt“ sieht in jedem Fall auch eine Beziehung zu Stream BZ. Beide Gruppen hätten einen Pakt geschlossen, hieß es jetzt in einem Fernsehbericht. (SZ)