Die fremdenfeindlichen Ereignisse in Bautzen in den vergangenen Tagen haben auch die Frage in den Vordergrund gerückt, wie die rechtsextremen Strukturen in Bautzen und Umgebung verankert sind. Rassismus scheint in der Region zum Alltag zu gehören. Lange waren die Sorben Opfer solcher Angriffe. Vor zwei Jahren häuften sich die Übergriffe auf Jugendliche. Diese Bedrohung verunsichert bis heute große Teile der sorbischen Jugend.
von Ine Dippmann, MDR AKTUELL
Ein Jugendclub in Nucknitz, im Landkreis Bautzen. Sorbisches Kernland. Die Gespräche vor der Tür werden auf Sorbisch geführt. Für den 22-jährigen Ignac Wjesela selbstverständlich: "Du musst als Sorbe einfach ein guter Patriot sein und immer versuchen, so viel wie möglich sorbisch zu reden." Doch genau dafür werden die Jugendlichen von Deutschen immer wieder angegriffen.
Vor allem auf sorbischen Feiern gebe es immer wieder Provokationen und Schlägereien, erzählt Ignac Wjesala: "Das krasseste war ein Konflikt mit Securitys. Ein Freund von mir wurde drei Mal zu Boden geprügelt. Der Kommissar hat mir alles versprochen. Der war richtig scharf darauf, die Leute auch zu kriegen. Nach einem Jahr ist dann ein Brief gekommen, dass die Ermittlung eingestellt wurde."
Übergriffe häuften sich vor zwei Jahren
Das Problem ist vielschichtig. Teile der Security-Mannschaften, die für sorbische Feiern engagiert werden, sind in der rechten Szene verankert. Solche Schlägereien münden nur in Ausnahmefällen in Anzeigen. Als sich die Übergriffe vor zwei Jahren häuften, erfuhren die Sicherheitsbehörden erst aus der Zeitung davon.
Das Operative Abwehrzentrum, das für den polizeilichen Staatsschutz verantwortlich ist, schaltete sich ein. Sieben Tatverdächtige wurden bis April 2015 ermittelt. Der sorbische Linken-Abgeordnete Heiko Kosel sagt rückblickend: "Die Polizei hatte endlich mal in Fragen antisorbischer Straftaten einen Ermittlungserfolg. Auf Seiten der Staatsanwaltschaft geschah aber nichts."
Ein Großteil der Straftaten wird nicht aufgeklärt
Jetzt haben Vertreter von Polizei und Staatsanwaltschaft das erste Mal im Jugendclub vom Nucknitz mit Jugendlichen darüber diskutiert. Es zeigt sich: Erwartungen und Realität der Strafverfolgung klaffen auseinander. Das bekommt der Görlitzer Staatsanwalt Jürgen Ebert hier zu spüren: "Ein Großteil der Straftaten konnte letztlich nicht aufgeklärt werden. Zwei Täter wurden bekannt. Gegen einen erfolgte eine Verfahrenseinstellung nach Jugendrecht. Gegen einen anderen Täter wurde der Erlass eines Strafbefehls beim Amtsgericht Kamenz beantragt."
Hasskommentare im Internet im Visier der Justiz
Dieses Verfahren läuft also noch. Der Linken-Abgeordnete Kosel sieht auch darüber hinaus Handlungsbedarf: "Der Freistaat Sachsen muss sich im Rahmen der Justizminister der Bundesländer massiv für eine Stärkung der Verfolgung von Hasskriminalität, insbesondere auch gegenüber nationalen Minderheiten wie Sorben, stark machen."
Im Visier habe das Justizministerium in diesem Zusammenhang vor allem die Hasskommentare im Internet, sagt Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow: "Deswegen haben wir reagiert und bei der Generalstaatsanwaltschaft in Dresden eine Einheit gegründet, die sich mit Computerkriminalität befasst. Sie ermöglicht damit den Staatsanwaltschaften, auch diese Hasskriminalität im Internet zu verfolgen."
Forderung nach sorbischsprachigen Polizisten
Doch wenn im sorbischen Siedlungsgebiet, wie vor zwei Jahren geschehen, sorbische Ortsnamen auf Schildern geschwärzt, Kruzifixe an Feldrainen beschädigt und Jugendliche auf ihren Feiern angegriffen werden, braucht es mehr, meint Kosel: "Ich halte es für wichtig, dass man unbedingt sorbischsprachige Polizisten hier in der Region einsetzen sollte. Das ist wichtig, um das Vertrauen der sorbischen Jugendlichen zu Polizei und Staatsanwaltschaft zu fördern."
Einen kleinen Erfolg kann der Abgeordnete aus dem Jugendclub in Nucknitz mitnehmen. Ab Januar sollen Straftaten gegen Angehörige nationaler Minderheiten und damit auch gegen die Sorben in der Polizeilichen Kriminalstatistik gesondert erfasst werden. Das verkündete ein Vertreter des Operativen Abwehrzentrums.