"Notre-Dame-des-Luttes" – Widerstand um die ZAD in Westfrankreich

Bienvenue a la ZAD
Seit Jahrzehnten kämpft eine Region nördlich der französischen Sklaverei-Metropole Nantes gegen den Plan einen modernen Flughafen 20 km nördlich, in der Kommune Notre-Dame-des-Landes (hiernach NDDL), zu errichten. Der sehr vielfältige Widerstand spitzte sich zu als das zwischenzeitlich ruhende Projekt zur Wende des Jahrtausends wieder aufgegriffen wurde. 2008 wurde der projizierte Flughafen als "von öffentlichem Interesse" deklariert. Dem Aufruf der "historischen BewohnerInnen" folgend, installierten sich spätestens ab dem Klimacamp 2009 monatlich  dutzende neue BewohnerInnen, in Höfen die leer standen, Wagenburgen, Baumhäusern – die ZAD bildet seither einen widerständigen Rahmen sondergleichen. 

Dennoch wird seitens der Regierung auf eine baldige Räumung unserer FreundInnen zugearbeitet. Die "zu verteidigende Zone" ZAD wächst weiterhin und ihre BewohnerInnen und UnterstützerInnen laden unter anderem zu einer Großdemonstration am 8. Oktober vorort. Wir werden die ZAD niemals aufgeben und mit aller Kraft verteidigen!
Aktuelle Entwicklungen
Ein großes Bündnis an Bürgerinitiativen, BäuerInnen und Autonomen hat infolge massiver Räumungen 2012 (OP César) mit einer gigantischen Widerbesetzung (OP Astérix) des Gebiets bei NDDL geantwortet. Seither ist die ZAD ein dem Staat Frankreich entzogener Schandfleck. Diesen weiter zu Dulden könnte als weitere Zeichen der Schwäche einer krankenden PS-Sozialdemokratie gewertet werden, die im derzeit auch sozialpolitisch bewegten Frankreich versucht, den HetzerInnen der Clans Sarkozy und LePen, Herrin zu werden und den Terror zu bändigen. Es wurde eine Volksbefragung für den Flughafen in NDDL entschieden, doch die BewohnerInnen wehren sich weiterhin gegen die ab sofort für alle BewohnerInnen drohenden Räumungen. Wöchentlich gibt es Räumungsvorbereitungs-Trainings für groß und klein – Die Entschlossenheit ist trotz der Niederlage im Demokratischen-Spektakel groß.  
Die Volksbefragung für einen neuen Flughafen in NDDL im Sommer 2016 war eine Farce. Sie ging mit 55% BefürworterInnen aus und erziehlte ihre Stimmen in weit entfernten, weniger betroffenen Gemeinden. Die BewohnerInnen in NDDL, Vignieux und nah gelegenen Dörfern wählten mit Werten um die 80% und mehr gegen den Flughafen.  
Nun sei's drum. Viele anarchistisch geprägte Strömungen auf der ZAD hielten eh nichts von der Abstimmung – Sie bauten Staatdessen eine Kuppel unter dem Motto "Refaire un Dôme". 
In den letzten Monaten gab es von herrschender Seite Vergleiche mit "Zuständen wie in Mossul". Regionalpräsident Bruno Retailleau echauffierte sich gegen die "Terrortrainingslager unter offenem Himmel". Nachdem in den vergangenen Tagen auch Papiere zur Umsiedlung bzw. Vernichtung lokaler schützenswerter Tiere unterschrieben wurden, scheint sich der Apparat wieder auf den nächsten Versuch einer Räumung vorzubereiten. Das Großflughafenprojekt soll von VINCI realisiert werden, die ansonsten Knäste und Autobahnen bauen. Für die kommenden Wochen und Monate ist damit zu rechenen, dass viel Unterstützung zur Verteidigung der ZAD ansteht. Bereitet euch vor...   

Chronologie der ZAD in NDDL:
    
In den 1960er Jahren gründete sich die erste Widerstandsbewegung, als BewohnerInnen und LandwirtInnen Wind vom plan eines Großflughafen nördlich von Nantes bekamen: ADECA, (association de défense des exploitants concernés par le projet d’aéroport - Verein zur Verteidigung der vom Flughafenprojekt betroffenen LandwirtInnen). In den Nachbargemeinden enstehen Unterstützungskommitees.
1974 wird ein Dekret erlassen, der auf dem Gebiet eine 1650ha "ZAD" vorsieht (zone d’aménagement différé Gebiet mit abweichender Nutzung)
in den 1980er und 1990er Jahren liegt das Projekt auf Eis.
2000 wird das Projekt wieder aufgegriffen. Es entsteht die ACIPA, (association citoyenne intercommunale des populations concernées par le projet d’aéroport - Gemeindeübergreifender BürgerInnenverein der vom Flughafenprojekt betroffenen Bevölkerung. Es entsteht eine massive Informations-, Recherche- und Aufklärungskampagne.
2004 entsteht die Coordination des opposants au projet d’aéroport de Notre-Dame-des-Landes in der über 50 Vereine, politische Gruppen und Gewerkschaften beteiligt sind. Mehr Öffentlichkeitsarbeit wird gemacht.
2007 gibt es eine erste offizielle Besetzungsaktion der "Rosiers"
2008 wird ein Dekret erwirkt, der das Projekt als "von öffentlichem Interesse" brandmarkt. Seither gibt es offenen Widerstand gegen den Flughafen und "seine Welt". Es gründen sich die "Habitants qui résistent” (Widerständige Bewohner) die zu einer “Besetzung der ZAD” aufrufen.
2009 zum Klimaaktionscamp kommen verstärkt radikal-ökologische und antikapitalistische Strömungen in die ZAD
Im Mai 2011 besetzen 1.000 Menschen Land um eine Gärtnerei aufzubauen: Le Sabot. Nach und nach zeichnet sich ab, dass der VONCI-Konzern mit dem Vorantreiben des Projektes betreut werden soll. 
Im Frühjahr 2012 gibt es zahlreiche Verfahren und Räumungsklagen gegen die BewohnerInnen.
Am 24. März gibt es eine Demo gegen den Flughafen mit knapp 10.000 Menschen und 200 Traktoren in Nantes. 
Im Sommer treten mehrere GegnerInnen in einen Hungerstreik woraufhin die Regierung einen Teil der Räumungsbestrebungen gegen "historische Bewohner" zurückstellt.
Am 16 Oktober beginnt die Operation César bei der 2.000 Bullen über Wochen Beschäftigung finden sollten. Etwa zehn Häuser und andere Wohnungen werden geräumt und zerstört.Über 200 Unterstützungskommitees werden gegründet.
 
Am 17. November kommen 40.000 Menschen auf die Widerbesetzungsdemo. Inmitte des Rohanne-Waldes wird die "Chat-teigne" als kleines Dorf errichtet. Am 23. und 24. November greifen hunderte Bullen die neue Siedlung an, die Auseinandersetzung verlagert sich in den Wald und in die Straßen von Nantes . Am 24. bricht die Regierung den Angriff ab – 40 Traktoren bilden eine Burg um die Chat-teigne. 
Über fünf Monate sollten die Bullen nun die strategisch wichtigen Kreuzungen bewachen. Dennoch kann der Zuzug von NeubesetzerInnen nicht gestoppt werden.
Seit 2013 ist die ZAD eine vom Staat befreite Zone. Im Januar besetzt die BäuerInnengruppe COPAIN den Hof in Bellevue und das dazugehörige Land. 
Im April kündigt die "Dialogkomission" das Projekt benötige neue Prüfungen. Zwei Tage später zogen die Bullen ab. Im Rahmen der “Sème ta ZAD”-Aktion besetzen infolge des Abzuges tausende weitere Flächen auf dem Gelände um die Ernährungsautonomie der "Kommune von NDDL" zu steigern. Es entstehen zehn neue Gärtnereien.
Im Winter 2014 gibt es neue Ankündigungen, dass Flughafenprojekt solle weiter vorangetrieben und geschützte Arten ausgesiedelt werden.
Am 22 Februar demonstrieren 50.000 Menschen mit 500 Traktoren in Nantes. Es gibt zahlreiche Auseinandersetzungen mit den Bullen, die Innenstadt wird dadurch lahmgelegt. Die Regierung strauchelt ein weiteres Mal und stellt die Planungen erneut zurück.
Am 15. Oktober wird Rémi Fraisse von Bullen auf dem Staudammprotest im Tarn ermordet, auf der "ZAD Testet". Bei Solidaritätsaktionen kommt es zu viel Repression, auch in der Region.
 
Im Herbst 2015 verkündigt der Premierminister erneut, der Großflughafen müsse vorangetrieben werden. Es gibt neue Räumungsklagen gegen MieterInnen und LandwirtInnen im Gebiet.
Am 22. September wird die ganze Zone verbarikadiert um den besuch der Enteignungs-Justiziare zu verhindern.
Im November gibt es eine Rad&Trecker-Karawane von Notre-Dame-des-Landes nach Versailles gegen den Weltklimagipfel COP 21 – trotz Demoverbot und Ausnahmezustand.
Am 27. Februar 2016 besetzten 50.000 DemonstrantInnen die Westautobahn zu Nantes und protestierten erneut mit 500 Traktoren.
Am 10. Juli demonstrierten 25.000 Menschen auf der ZAD um gegen die verlogene Politik zu protestieren.
Im August und September finden zahlreiche Vernetzungen und Trainings zur Verteidigung der ZAD statt. Für den 8. Oktober ist die nächste Großdemo geplant.
Mittlerweile hat die autonome Zone ZAD bei bis zu hundert Wohnräumen gute 300 BewohnerInnen erreicht. Tendenz steigend.


Internationaler Aufruf für den 8. Oktober
8. - 9. Oktober 2016 – Verteidigt die zad – ein Aufruf zur internationalen Solidarität 

Seit über 50 Jahren haben LandwirtInnen und Einheimische sich dem Bau eines neuen Flughafens für die französische Stadt Nantes widersetzt (die im Übrigen bereits einen hat). Heute blüht in diesen reichhaltigen Feldern, Wäldern und Feuchtgebieten, welche das multinationale Vinci mit Beton bedecken will, ein Experiment, das tägliche Leben im Kampf neu zu Erfinden. Radikale aus aller Welt, lokale LandwirtInnen und DorfbewohnerInnen, BürgerInnengruppen, HandelsgewerkschaftlerInnen und NaturalistInnen, Flüchtlinge und AusreißerInnen, BesetzterInnen und Klimarechts-AktivstInnen und viele Andere organisieren sich, um die 4000 Morgen Land gegen den Flughafen und seine Welt zu Verteidigen. RegierungssprecherInnen haben das Land als „für die Republik verlorenes Gebiet“ erklärt. Seine BesetzterInnen nannten es: la zad (zone a défendre), zu verteidigende Zone.
 
Im Winter 2012 haben tausende BereitschaftspolizistInnen versucht die Zone zu räumen, aber ihnen trat ein bestimmter und vielseitiger Widerstand gegenüber. Dieser gipfelte in einer 40.000 Personen starken Demonstration, um Teile dessen, was vom französischen Staat zerstört wurde, wieder aufzubauen. Weniger als eine Woche später sah sich die Polizei gezwungen, das was sie „Operation Cesar“ nannten, zu stoppen. Während der letzen drei Jahre war die zad eine herausragende Forschungsstätte für neue Lebensweisen, die in der Zusammenarbeit zwischen all jenen, die die Vielfalt dieser Bewegung ausmachen, wurzeln. Es gibt sogar ein Liste von sechs Punkten (siehe unten) zum radikalen Überdenken, wie man das Land ohne Flughafen organisieren und bearbeiten kann, basierend vielmehr auf der Schaffung von Gemeingut, auf einer Vorstellung der Nutzung, als auf Eigentum und der Forderung, dass jene, welche für das Land gekämpft haben auch die sind, die über seine Verwendung entscheiden.
Jetzt ist die Räumung der gesamten Zone fällig, um mit dem Bau dieses absurden Flughafens zu beginnen. Premierminister Valls hat ein „RendezVous“ für diesen Oktober versprochen, um jede/-n die/der in der Zone lebt, arbeitet, baut und wirtschaftet gewaltsam zu vertreiben.
Am 8. Oktober werden sich zehntausende Menschen in der zad versammeln, um zu demonstrieren, dass die Entschlossenheit der Bewegung so stark ist wie eh und je. Um die zurückliegenden Kämpfe der LandwirtInnen zu ehren, werden wir alle mit hölzernen Wanderstäben kommen und sie in der Zone zurücklassen, als ein Zeichen der Zusicherung zurück zu Kommen und sie wieder aufzuheben, falls nötig. Des Weiteren werden wir eine Scheune aufrichten, die während des Sommers von dutzenden Zimmerleuten gebaut wurde, welche als Basis genutzt werden wird, sollten Räumungen stattfinden.
Wir rufen alle internationalen Gruppen und Bewegungen dazu auf, entweder am 8. Oktober in die Zone zu kommen oder ihre Solidarität zu der zad in den eigenen Gemeinden und Städten an diesem Tag durch Aktionen zu zeigen, die an die französische Regierung oder das multinationale Vinci gerichtet sind.
Der Flughafen wird niemals gebaut werden. Das Leben in der zad wird weiterhin gedeihen!
 
Sechs Punkte für die Zukunft der zad.
Da es keinen Flughafen geben wird…
Bei Aufgabe des Flughafenprojekts wollen wir:
 
1. Dass die BewohnerInnen, BesitzerInnen oder MieterInnen, die von einer Enteignungs- oder Ausweisungsprozedur betroffen sind, in der Zone bleiben können und wieder zu ihren Rechten kommen.
 
2. Dass die betroffenen LandwirtInnen, die sich geweigert haben, AGO-VINCI nachzugeben, ihr Land frei bearbeiten können, ihre Rechte wiedererlangen und ihre Aktivität unter guten Bedingungen weiterführen können.
 
3. Dass die neuen, zur Besetzung der zad gekommenen BewohnerInnen in der Zone bleiben können. Dass alles was seit 2007 in der BesetzerInnenbewegung als Landwirtschaftsexperiment, selbstgebaute oder leichte Wohnungen (Hütten, Wohnwägen, Jurten, usw.), Lebens- und Widerstandsformen entstanden ist, bestehen bleiben und fortgeführt werden kann.
4. Dass das Land, das jedes Jahr von der Landwirtschaftskammer für AGO-VINCI in Kurzpachtverträgen verteilt wird, von einer Einheit der verschiedenen Komponenten der BesetzerInnenbewegung übernommen wird. Dass also die Anti-Flughafen-Bewegung und nicht die üblichen Institutionen über die Benutzung des Landes bestimmen.
 
5. Dass dieses Land für neue landwirtschaftliche und nicht-landwirtschaftliche Niederlassungen dient und nicht der ständigen Erweiterung der Betriebe.
 
6. Dass diese Grundlage durch unsere kollektive Entschlossenheit Realität wird. Wir werden unsere Achtsamkeit darauf richten, eventuelle Konflikte, die bei der Umsetzung entstehen, zu lösen.
Wir säen und erstellen bereits eine vielfältige und kohärente Zukunft ohne Flughafen. Es ist an uns allen, sie heute zu verteidigen und dafür zu sorgen dass sie sich entfalten kann.
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