Die Linken haben die nach den Krawallen in Bautzen gegen jugendliche Flüchtlinge verhängte Ausgangssperre kritisiert. Die als „störend Empfundenen“ würden als Sündenböcke stigmatisiert, sagte die Migrationsexpertin der Landtagsfraktion, Juliane Nagel. Frank Richter, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung, fordert eine offene Diskussion in der Zivilgesellschaft.
Leipzig / Bautzen. Die Linken haben die nach den Krawallen in Bautzen gegen jugendliche Flüchtlinge verhängte Ausgangssperre kritisiert. Die als „störend Empfundenen“ würden als Sündenböcke stigmatisiert, sagte die Migrationsexpertin der Landtagsfraktion, Juliane Nagel, am Freitag in Dresden. „Und diejenigen, die den Unfrieden durch ihre Unverträglichkeit gegenüber allem scheinbar Fremden ausgelöst haben, dürfen sich nach Herzenslust ausbreiten.“ So würden Ruhe und Ordnung im demokratischen Sinne einer offenen Gesellschaft nicht funktionieren. Die Ausgangssperre sei ein vordemokratisches, autoritäres Sanktionsmittel, ein Eingriff in Grundrechte und eine Beschädigung von Integration. „So haben die Nazis erreicht, was sie wollten“, meinte Nagel.
Frank Richter, Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, wertet die Ausschreitungen zwischen Asylbewerbern und Einheimischen in Bautzen als Folge von lange angestautem Missmut. „Hier hat sich ganz offenbar über viele Monate, vielleicht über Jahre hin, ein Aggressionspotenzial aufgebaut“, sagte Frank Richter am Freitag im ZDF-„Morgenmagazin“. Aber auch aufseiten der Asylbewerber gebe es wohl Aggressionen.
Experte für Politik-Bildung: Aggressionen sind lange gewachsen
Verwaltung und Zivilgesellschaft in der Stadt müssten sich jetzt in einer offenen Diskussion der Problematik stellen. „Sachsen hat ein vergleichsweise großes Rechtsextremismusproblem, ich kenne niemanden, der das bestreitet“, sagte Richter. „Das ist langsam angewachsen und es wird folglich auch nicht von heute auf morgen verschwinden.“ In der Vergangenheit sei aber bereits viel dagegen getan worden. Die Zivilgesellschaft in Bautzen dürfe jetzt nicht pauschal in eine „Stigmatisierungsecke gesteckt“ werden.
Die Polizei bereitet sich auch in den nächsten Tagen auf weitere Einsätze vor. „Die Lage wird von uns weiter so eingeschätzt wie in den letzten Tagen, und entsprechend haben wir unsere Einsatzkräfte auch für das Wochenende geplant“, sagte ein Sprecher der Polizeidirektion Görlitz am Freitag. Mit einer „hohen polizeilichen Präsenz“ sollen weitere Krawalle verhindert werden. Zahlen nannte er nicht.
Die Polizei richtete unterdessen einen sogenannten Kontrollbereich ein. Dort können ab sofort alle Personen in dem Bereich rund um den Kornmarkt jederzeit angehalten und kontrolliert werden. Die Maßnahme gelte zunächst bis zum 26. September und solle der Verhinderung schwerer Straftaten dienen. Nach Informationen des in Berlin erscheinenden «Tagesspiegels» (online) hat das Landratsamt Bautzen den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen empfohlen, auch vor der ab 19.00 Uhr geltenden Ausgangssperre im Heim zu bleiben beziehungsweise sich auf dessen Gelände aufzuhalten.
Eine ursprünglich von rechten Gruppen für Freitag angekündigte Demo in Bautzen wurde kurzfristig abgesagt. „Ab sofort werden wir Bautzens Politikern die Möglichkeit geben, Taten folgen zu lassen“, hieß es in einer unter anderem im Namen der Gruppen „Nationale Front Bautzen“, „rechtes-kollektiv.BZ“ und „Die Sachsen Demonstrationen“ bei Facebook verbreiteten Erklärung. Man werde nun wöchentlich entscheiden, „ob wir neu mobilisieren“.
Bundesregierung: "Unseres Landes nicht würdig"
Die Bundesregierung hat die jüngsten Ausschreitungen zwischen Deutschen und Flüchtlingen im sächsischen Bautzen scharf verurteilt. „Das ist unseres Landes nicht würdig“, sagte die Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Freitag. „In Deutschland ist kein Platz für derartige Gewalt, Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Extremismus.“ Die Regierung verurteile aggressive, fremdenfeindliche und gewalttätige Ausschreitungen auf das Schärfste. Demmer betonte: „Ohne jetzt auf den konkreten Fall einzugehen, müssen wir natürlich dafür sorgen, dass die Gesetze sowohl von Flüchtlingen als auch von einheimischen Bürgern eingehalten werden.“