In Bautzen ist es in der Nacht zum Donnerstag zu schweren Zusammenstößen zwischen Flüchtlingen und zumeist gewaltbereiten Rechtsextremen gekommen. Nur ein Großaufgebot der Polizei konnte die Lage beruhigen. Offenbar schwelen die Konflikte schon seit Tagen. Nun soll die Polizeipräsenz verstärkt werden. Für die betroffenen Flüchtlinge sollen ein Alkoholverbot und eine Ausgangssperre verhängt werden.
Die Polizei ermittelt nach den Krawallen in Bautzen gemeinsam mit dem für Extremismus zuständigen Operativen Abwehrzentrum (OAZ). Wie der stellvertretende Leiter der Polizeidirektion Görlitz, Klaus Mehlberg, am Donnerstag in Bautzen sagte, wird derzeit Videomaterial ausgewertet. Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs sowie gefährlicher Körperverletzung. Zahlreiche Personalien seien aufgenommen worden, eine Reihe von Personen der Polizei bereits bekannt.
Polizei räumt Versäumnisse ein
Die Polizei kündigte zudem an, ihre Präsenz auf dem Kornmarkt in Bautzen zu verstärken. "Wir werden auch in den nächsten Tagen vor Ort sein und das Problem in den Griff bekommen", sagte Mehlberg. Dafür seien noch mehr Zusatzkräfte als bisher geplant. Die Polizei wurde nach eigener Darstellung von der Zuspitzung der Lage überrascht. Mehlberg räumte ein, es sei "nicht optimal" gelaufen, was die verfügbaren Polizeikräfte betreffe.
Alkoholverbot und Ausgangssperre für Flüchtlinge
Der Leiter des Polizeireviers Bautzen, Uwe Kilz, sieht die Polizei nach
den wiederholten Einsätzen der vergangenen Tage an der Grenze. Er
erklärte, die gewalttätigen Ausschreitungen seien von Asylsuchenden
ausgegangen. Aus einer Gruppe von 15 bis 20 unbegleiteten,
minderjährigen Asylbewerbern seien Flaschen und Steine in Richtung der
Rechten geflogen, so Kilz.
Einige der Rechtsextremen hätten
später versucht, an das Flüchtlingsheim der Minderjährigen zu gelangen.
Die jungen, vorwiegend rechten Frauen und Männer, seien "relativ
eventbetont unterwegs gewesen" und hätten Bier getrunken. Bereits bei
einer Konfrontation am vergangenen Freitag wäre Gewalt zunächst von
jungen Flüchtlingen ausgelöst worden. Der Landkreis Bautzen will den
etwa 30 in der Stadt lebenden jugendlichen Flüchtlingen nun ein
Alkoholverbot und eine Ausgangssperre ab 19:00 Uhr aussprechen. Zudem
wurden vier Flüchtlinge im Alter zwischen 15 und 20 Jahren an andere
Standorte gebracht. Sie gelten als Anführer und sollen keinen Einfluss
mehr auf ihre Mitbewohner ausüben.
Ausländer in Bautzen Von den aktuell 40.000 Einwohnern in Bautzen stammen knapp 1.800 aus dem Ausland. Ihr Bevölkerungsanteil beträgt damit 4,4 Prozent. Rund ein Drittel der Ausländer sind Asylbewerber. 30 von ihnen sind unbegleitete Minderjährige.
Rechte skandieren Parolen
Die seit Tagen andauernden Auseinandersetzungen zwischen Asylbewerbern
und Einheimischen waren in der Nacht zum Donnerstag eskaliert. Nur ein
Großaufgebot der Polizei konnte die Lage wieder beruhigen. Nach Angaben
der Polizei waren rund 100 Beamte im Einsatz.
Etwa 20
Asylbewerber standen einer Gruppe von 80 Männern und Frauen gegenüber.
Bei den meisten handelte es sich laut Polizei um gewaltbereite
Rechtsextreme. Sie hätten Parolen skandiert, wonach Bautzen und der
Kornmarkt den Deutschen gehöre. Zwischen beiden Lagern hatte es laut
Polizei verbale und tätliche Auseinandersetzungen gegeben.
Polizisten wehren sich mit Pfefferspray
Als die Polizei beide Lager trennen wollte, wurde sie auch von
Flüchtlingen angegriffen. Diese hätten Flaschen, Holzlatten und andere
Gegenstände auf die Polizisten geworfen. Die Polizei setzte Pfefferspray
und Schlagstöcke ein.
Schließlich hätten sich die Gruppen von
dem Platz entfernt. Auf dem Weg zu ihrer Unterkunft wurden die
Asylbewerber von den Rechtsextremen verfolgt. Auf Handyvideos ist zu
sehen, wie dabei "Wir sind das Volk"-Rufe skandiert wurden. Die
Asylbewerber flüchteten schließlich in ihre Unterkunft, die von der
Polizei abgeriegelt wurde. Die Bewohner wurden aufgefordert, das Gebäude
nicht zu verlassen. Die Polizei sicherte in der Nacht drei weitere
Flüchtlingsunterkünfte in Bautzen und Umgebung ab.
Krankenwagen mit Steinen beworfen
Ein Krankenwagen, der einen 18 Jahre alten Flüchtling mit einer
Schnittwunde versorgen sollte, wurde zunächst von augenscheinlich
Rechtsextremen mit Steinen beworfen. Erst unter Polizeischutz konnte der
Rettungswagen seine Fahrt zur Flüchtlingsunterkunft in der Dresdner
Straße fortsetzen. Der Marokkaner wurde schließlich in ein Krankenhaus
gebracht.
Angesichts des massiven Polizeiaufgebotes beruhigte
sich die Lage schließlich. Die Kriminalpolizei ermittelt nun wegen
Verdachts des Landfriedensbruch und gefährlicher Körperverletzung.
Oberbürgermeister Ahrens "wütend und entsetzt"
Oberbürgermeister Alexander Ahrens verurteilte die jüngsten Gewaltausbrüche auf das Schärfste. Die zunehmende Gewalt werde nicht toleriert, egal von wem sie ausgehe, erklärte er am Mittwoch - wenige Stunden vor der Eskalation. Ahrens kündigte den Einsatz von Streetworkern sowie verstärkte Polizeipräsenz an. Am Donnerstag brach er seine Dienstreise in Düsseldorf ab und machte sich auf den Weg nach Bautzen.
Er sei "wütend und entsetzt", teilte Ahrens am Donnerstag mit. Er warnte zugleich davor, "auf eigene Faust für Ordnung in der Stadt zu sorgen". "Das Gewaltmonopol liegt in unserem Staat bei der Polizei - und daran gibt es keinen Deut zu rütteln", so der parteilose Ahrens, der von einer "neuen Qualität der Auseinandersetzungen" spricht. Zwar gebe es seit etwa zwei Wochen auf dem Kornmarkt ein Problem mit jugendlichen Flüchtlingen. Auch sei es gelegentlich zu Pöbeleien und Beleidigungen gekommen. "Nun aber geht es um anderes Level", sagte Ahrens. "Es kann nicht sein, dass Bautzen zum Spielplatz von gewaltbereiten Rechten wird."
"Aus zahlreichen Rückmeldungen von Bautzener Bürgerinnen und Bürgern - aber auch von Touristen und Gewerbetreibenden - konnte ich entnehmen, dass die Zustände auf unserer 'Platte' gravierende Ängste und Sorgen auslösen.
Sachsens Innenminister Markus Ulbig hat nach den Ausschreitungen Konsequenzen angekündigt. "Wir werden Gewaltexzesse wie die in der vergangenen Nacht in Bautzen nicht tolerieren, und die Polizei wird mit aller Konsequenz gegen derartige Straftäter vorgehen - egal, aus welcher Richtung sie kommen", sagte Ulbig am Donnerstag.
Besucher meiden Innenstadt - Runder Tisch angedacht
Unterdessen beobachten die Händler des Kornmarktcenters, dass die seit
Wochen andauernden Auseinandersetzungen vor dem Einkaufszentrum
Auswirkungen auf den Besucherstrom haben. In einer MDR SACHSEN
vorliegenden internen Mitteilung heißt es: "Ich habe selbst mehrfach
beobachtet, wie junge Mädchen, ältere Leute und auch Touristen den
Kornmarkt in weitem Bogen meiden. Aus meiner Sicht ist es erst mal
zweitrangig, ob dafür Flüchtlinge, Trinker oder Rechte oder wer auch
immer hierfür verantwortlich gemacht werden kann. Tatsache ist, dass
immer mehr Menschen den Bereich meiden. Wir werden täglich von
Mitarbeiterinnen aus dem Center angesprochen, die Angst vor dem Heimweg
haben."
Die Polizei, so heißt es weiter, tue alles, was in ihrer
Macht steht, um die Lage zu beruhigen. Angedacht sei jetzt ein Runder
Tisch mit Politik, Ordnungsamt, Polizei, Sicherheitsdiensten und
Händlern.