Ausschreitungen in Bautzen - Polizei: Gewalt ging von Asylsuchenden aus

Erstveröffentlicht: 
15.09.2016

In Bautzen ist es in der Nacht zum Donnerstag zu schweren Zusammenstößen zwischen Flüchtlingen und zumeist gewaltbereiten Rechtsextremen gekommen. Nur ein Großaufgebot der Polizei konnte die Lage beruhigen. Offenbar schwelen die Konflikte schon seit Tagen. Nun soll die Polizeipräsenz verstärkt werden. Für die betroffenen Flüchtlinge sollen ein Alkoholverbot und eine Ausgangssperre verhängt werden.

 

Die Polizei ermittelt nach den Krawallen in Bautzen gemeinsam mit dem für Extremismus zuständigen Operativen Abwehrzentrum (OAZ). Wie der stellvertretende Leiter der Polizeidirektion Görlitz, Klaus Mehlberg, am Donnerstag in Bautzen sagte, wird derzeit Videomaterial ausgewertet. Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs sowie gefährlicher Körperverletzung. Zahlreiche Personalien seien aufgenommen worden, eine Reihe von Personen der Polizei bereits bekannt. 

 

Polizei räumt Versäumnisse ein

 

Die Polizei kündigte zudem an, ihre Präsenz auf dem Kornmarkt in Bautzen zu verstärken. "Wir werden auch in den nächsten Tagen vor Ort sein und das Problem in den Griff bekommen", sagte Mehlberg. Dafür seien noch mehr Zusatzkräfte als bisher geplant. Die Polizei wurde nach eigener Darstellung von der Zuspitzung der Lage überrascht. Mehlberg räumte ein, es sei "nicht optimal" gelaufen, was die verfügbaren Polizeikräfte betreffe. 

 

Alkoholverbot und Ausgangssperre für Flüchtlinge

 

Der Leiter des Polizeireviers Bautzen, Uwe Kilz, sieht die Polizei nach den wiederholten Einsätzen der vergangenen Tage an der Grenze. Er erklärte, die gewalttätigen Ausschreitungen seien von Asylsuchenden ausgegangen. Aus einer Gruppe von 15 bis 20 unbegleiteten, minderjährigen Asylbewerbern seien Flaschen und Steine in Richtung der Rechten geflogen, so Kilz.

Einige der Rechtsextremen hätten später versucht, an das Flüchtlingsheim der Minderjährigen zu gelangen. Die jungen, vorwiegend rechten Frauen und Männer, seien "relativ eventbetont unterwegs gewesen" und hätten Bier getrunken. Bereits bei einer Konfrontation am vergangenen Freitag wäre Gewalt zunächst von jungen Flüchtlingen ausgelöst worden. Der Landkreis Bautzen will den etwa 30 in der Stadt lebenden jugendlichen Flüchtlingen nun ein Alkoholverbot und eine Ausgangssperre ab 19:00 Uhr aussprechen. Zudem wurden vier Flüchtlinge im Alter zwischen 15 und 20 Jahren an andere Standorte gebracht. Sie gelten als Anführer und sollen keinen Einfluss mehr auf ihre Mitbewohner ausüben.

 

Ausländer in Bautzen Von den aktuell 40.000 Einwohnern in Bautzen stammen knapp 1.800 aus dem Ausland. Ihr Bevölkerungsanteil beträgt damit 4,4 Prozent. Rund ein Drittel der Ausländer sind Asylbewerber. 30 von ihnen sind unbegleitete Minderjährige. 

 

Rechte skandieren Parolen

Die seit Tagen andauernden Auseinandersetzungen zwischen Asylbewerbern und Einheimischen waren in der Nacht zum Donnerstag eskaliert. Nur ein Großaufgebot der Polizei konnte die Lage wieder beruhigen. Nach Angaben der Polizei waren rund 100 Beamte im Einsatz.

Etwa 20 Asylbewerber standen einer Gruppe von 80 Männern und Frauen gegenüber. Bei den meisten handelte es sich laut Polizei um gewaltbereite Rechtsextreme. Sie hätten Parolen skandiert, wonach Bautzen und der Kornmarkt den Deutschen gehöre. Zwischen beiden Lagern hatte es laut Polizei verbale und tätliche Auseinandersetzungen gegeben. 

 

Polizisten wehren sich mit Pfefferspray

 

Als die Polizei beide Lager trennen wollte, wurde sie auch von Flüchtlingen angegriffen. Diese hätten Flaschen, Holzlatten und andere Gegenstände auf die Polizisten geworfen. Die Polizei setzte Pfefferspray und Schlagstöcke ein.

Schließlich hätten sich die Gruppen von dem Platz entfernt. Auf dem Weg zu ihrer Unterkunft wurden die Asylbewerber von den Rechtsextremen verfolgt. Auf Handyvideos ist zu sehen, wie dabei "Wir sind das Volk"-Rufe skandiert wurden. Die Asylbewerber flüchteten schließlich in ihre Unterkunft, die von der Polizei abgeriegelt wurde. Die Bewohner wurden aufgefordert, das Gebäude nicht zu verlassen. Die Polizei sicherte in der Nacht drei weitere Flüchtlingsunterkünfte in Bautzen und Umgebung ab. 

 

Krankenwagen mit Steinen beworfen


Ein Krankenwagen, der einen 18 Jahre alten Flüchtling mit einer Schnittwunde versorgen sollte, wurde zunächst von augenscheinlich Rechtsextremen mit Steinen beworfen. Erst unter Polizeischutz konnte der Rettungswagen seine Fahrt zur Flüchtlingsunterkunft in der Dresdner Straße fortsetzen. Der Marokkaner wurde schließlich in ein Krankenhaus gebracht.

Angesichts des massiven Polizeiaufgebotes beruhigte sich die Lage schließlich. Die Kriminalpolizei ermittelt nun wegen Verdachts des Landfriedensbruch und gefährlicher Körperverletzung. 

 

Oberbürgermeister Ahrens "wütend und entsetzt"


Oberbürgermeister Alexander Ahrens verurteilte die jüngsten Gewaltausbrüche auf das Schärfste. Die zunehmende Gewalt werde nicht toleriert, egal von wem sie ausgehe, erklärte er am Mittwoch - wenige Stunden vor der Eskalation. Ahrens kündigte den Einsatz von Streetworkern sowie verstärkte Polizeipräsenz an. Am Donnerstag brach er seine Dienstreise in Düsseldorf ab und machte sich auf den Weg nach Bautzen.

 

Er sei "wütend und entsetzt", teilte Ahrens am Donnerstag mit. Er warnte zugleich davor, "auf eigene Faust für Ordnung in der Stadt zu sorgen". "Das Gewaltmonopol liegt in unserem Staat bei der Polizei - und daran gibt es keinen Deut zu rütteln", so der parteilose Ahrens, der von einer "neuen Qualität der Auseinandersetzungen" spricht. Zwar gebe es seit etwa zwei Wochen auf dem Kornmarkt ein Problem mit jugendlichen Flüchtlingen. Auch sei es gelegentlich zu Pöbeleien und Beleidigungen gekommen. "Nun aber geht es um anderes Level", sagte Ahrens. "Es kann nicht sein, dass Bautzen zum Spielplatz von gewaltbereiten Rechten wird."

 

"Aus zahlreichen Rückmeldungen von Bautzener Bürgerinnen und Bürgern - aber auch von Touristen und Gewerbetreibenden - konnte ich entnehmen, dass die Zustände auf unserer 'Platte' gravierende Ängste und Sorgen auslösen.

Alexander Ahrens Oberbürgermeister Bautzen
Innenminister Ulbig: Werden Polizeikräfte anpassen

Sachsens Innenminister Markus Ulbig hat nach den Ausschreitungen Konsequenzen angekündigt. "Wir werden Gewaltexzesse wie die in der vergangenen Nacht in Bautzen nicht tolerieren, und die Polizei wird mit aller Konsequenz gegen derartige Straftäter vorgehen - egal, aus welcher Richtung sie kommen", sagte Ulbig am Donnerstag. 

 

Besucher meiden Innenstadt - Runder Tisch angedacht


Unterdessen beobachten die Händler des Kornmarktcenters, dass die seit Wochen andauernden Auseinandersetzungen vor dem Einkaufszentrum Auswirkungen auf den Besucherstrom haben. In einer MDR SACHSEN vorliegenden internen Mitteilung heißt es: "Ich habe selbst mehrfach beobachtet, wie junge Mädchen, ältere Leute und auch Touristen den Kornmarkt in weitem Bogen meiden. Aus meiner Sicht ist es erst mal zweitrangig, ob dafür Flüchtlinge, Trinker oder Rechte oder wer auch immer hierfür verantwortlich gemacht werden kann. Tatsache ist, dass immer mehr Menschen den Bereich meiden. Wir werden täglich von Mitarbeiterinnen aus dem Center angesprochen, die Angst vor dem Heimweg haben."

Die Polizei, so heißt es weiter, tue alles, was in ihrer Macht steht, um die Lage zu beruhigen. Angedacht sei jetzt ein Runder Tisch mit Politik, Ordnungsamt, Polizei, Sicherheitsdiensten und Händlern.