Gewaltnacht in Bautzen: Rechte und Flüchtlinge gehen aufeinander los

Erstveröffentlicht: 
15.09.2016

Ein Polizeigroßaufgebot musste am Abend rund 80 Gewaltbereite aus dem rechten Spektrum sowie 20 Asylbewerber in Bautzen trennen. Auf Beamte flogen Flaschen und Holzlatten, auch ein Krankenwagen wurde angegriffen. Durch die Straßen schallte der Wenderuf "Wir sind das Volk".

 

Bautzen. Es flogen Flaschen, Steine und Holzlatten: Zwischen Einheimischen, Flüchtlingen und der Polizei ist es am Mittwochabend in Bautzen zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen. Rund 80 gewaltbereite Männer und Frauen – laut Polizei zum Großteil aus dem politisch rechten Spektrum – sowie 20 junge Asylbewerber standen sich auf dem Kornmarkt in der Innenstadt gegenüber. Ein Polizeigroßaufgebot von 100 Beamten musste beide Lager trennen. Es gab mehrere Verletzte.

 

Wie die Beamten in Görlitz mitteilten, wurden die Ordnungskräfte gegen 20.50 Uhr von Bürgern per Notruf alarmiert. Die Einheimischen skandierten den Angaben zufolge „Parolen, wonach Bautzen und der Kornmarkt den Deutschen gehören würde“. Auf einem Internetvideo, das vom Abend stammen soll, sind "Wir sind das Volk"-Rufe zu hören. Die Polizei forderte die Gruppen auf, den Platz zu verlassen. Aus der Reihe der Flüchtlinge wurden die Beamten mit Flaschen und Holzlatten beworfen. Es seien daraufhin Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt worden. Nach Zeugenaussagen sollen die Tätlichkeiten am Abend von den Asylbewerbern ausgegangen sein. 

 

Krankenwagen mit Steinen attackiert


Um der Lage Herr zu werden, forderte die Polizei alle verfügbaren Streifenkräfte, Unterstützung der Bundespolizei sowie aus Dresden, Leipzig und Zwickau an. Die Flüchtlinge zogen – von den Einheimischen verfolgt – zur Asylbewerberunterkunft für unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) in der Dresdener Straße. Um Übergriffe zu verhindern, positionierten sich die Beamten vor dem Gebäude. Die 32 Bewohner wurden gebeten, das Heim nicht zu verlassen.

 

Die Rechtsextremen stoppten einen Rettungswagen, der zur Versorgung eines verletzten 18-jährigen Marokkaner angefordert wurde, bei der Anfahrt zum Heim. „Dieser wurde von mehreren augenscheinlich rechtsmotivierten Männern an der Friedensbrücke an der Anfahrt gehindert und mit Steinen beworfen. Daraufhin brachen die Sanitäter die Anfahrt ab“, so die Polizei. Unter dem Schutz der Beamten wurde ein zweiter Rettungswagen anschließend zu dem Heim geleitet und brachte den 18-Jährigen ins Krankenhaus. Ein 20-jähriger Libyer wurde zudem am Kopf verwundet. Die Verletzungen soll er sich laut Polizei allerdings mit einer Bierflasche selbst zugefügt haben. 

 

Bürgermeister spricht von "zunehmender Gewalt"


Erst nach knapp sechs Stunden – gegen 2.30 Uhr – war der Polizeieinsatz beendet. Festnahmen gab es offenbar keine. Zu weiteren Auseinandersetzungen sei es nicht mehr gekommen. Die Kriminalpolizei ermittelt wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung und sucht Zeugen. Diese können sich beim Polizeirevier Bautzen oder telefonisch unter der Nummer 03591 / 356-0 melden.

 

Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens warnte am Abend, noch vor den jüngsten Ereignissen, vor einer "Zuspitzung der Lage" und kündigte an, Streetworker und Ordnungsdienst auf dem im Volksmund "Platte" genannten Platz zu verstärken. "Die zunehmende Gewalt bei Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Gruppen verurteile ich auf das Schärfste, ganz unabhängig davon von wem – ob Milieu, Asylbewerber oder andere Gruppierungen - sie im einzelnen Fall auch ausgehen mag. Das werde ich nicht tolerieren!", so Ahrens in einem Beitrag auf seiner Facebookseite.

 

 

In Bautzen leben nach Angaben des Landkreises derzeit 685 Flüchtlinge. Insgesamt gibt es vier Gemeinschaftsunterkünfte, darunter zwei für die sogenannten UMA. Im Zentrum der ostsächsischen 40.000-Einwohner-Stadt war es in den vergangenen Monaten immer wieder zu Konflikten gekommen. Zuletzt wurde am Dienstagabend ein 32 Jahre alter Bautzener durch einen Flaschenwurf verletzt. Im Februar hatten Schaulustige einem Brand in einer Flüchtlingsunterkunft zugesehen und die Löscharbeiten behindert. Im März war Bundespräsident Joachim Gauck bei einem Besuch in Bautzen beschimpft und beleidigt worden. Damals hatte er mit Bürgern über die Flüchtlingskrise diskutiert.

 

Von Robert Nößler / Matthias Roth