KiK muss wegen Fabrikbrands vor Gericht Landgericht Dortmund entscheidet positiv über Prozesskostenhilfe für pakistanische Kläger gegen Textildiscounter
Ziemlich genau vier Jahre ist sie her, die Brandkatastrophe in der Textilfabrik Ali Enterprises im pakistanischen Karachi. 260 Menschen starben damals in den Flammen, 32 wurden verletzt. Hauptkunde der Textilfabrik war der deutsche Discounter KiK. Aus diesem Grund haben vier Betroffene – ein Überlebender und drei Angehörige – im März 2015 Klage in Deutschland eingereicht. Sie fordern Schadensersatz in Höhe von je 30.000 Euro pro Opfer.
Am Montag hat sich die 7. Zivilkammer des Landgerichtes Dortmund nun für zuständig erklärt und entschieden, dass die Betroffenen Prozesskostenbeihilfe erhalten. Anders als üblich, sieht das Gericht darin aber keine Vorentscheidung. »Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat im vorliegenden Fall keinerlei Präjustiz für das Hauptsacheverfahren«, teilten die Dortmunder Richter mit. Zwar wird in den meisten Fällen Prozesskostenhilfe nur bewilligt, wenn Aussicht auf Erfolg in der Hauptsache besteht. In Ausnahmen können die Richter diese jedoch bewilligen, ohne bereits die Erfolgsaussichten einzuschätzen.
Im Verfahren gegen KiK gehe es um die Anwendung pakistanischen Rechts, für das zunächst ein Gutachten eingeholt werden muss. Darin soll geklärt werden, ob ein Schadensersatzanspruch nach pakistanischem Recht gegeben ist. Die vier Kläger gründen ihre Einschätzung darauf, dass der Discounter bei seinem Lieferanten in Karachi nicht oder nicht ausreichend auf die Einhaltung von Sicherheitsstandards und brandschutzrechtlichen Vorgaben hingewirkt habe. Dies sei versäumt worden, obwohl KiK seinen Geschäftsbeziehungen einen Verhaltenskodex über angemessene Arbeitsbedingungen zugrunde gelegt habe. Die Modefirma hat den Zulieferer zeitweise zu 75 Prozent ausgelastet, was die Kläger mit einer Scheinselbstständigkeit bei Arbeitnehmern vergleichen.
Der Textildiscounter vertritt laut Gericht dagegen die Ansicht, dass die Verhaltensregeln durch unabhängige Dritte kontrolliert worden seien. Zudem seien diese Regeln freiwillig und nicht erzwingbar, hieß es. Eine Rechtspflicht zur Überwachung des Fabrikbetreibers habe deshalb nicht bestanden. Sollte das Gutachten am Ende für die Kläger entscheiden, wird es zur mündlichen Verhandlung kommen und die Beweisaufnahme beginnen, so das Landgericht.
Der Anwalt der Kläger, Remo Klinger, bewertete die Entscheidung gegenüber »nd« dennoch als »richtungsweisend«. Er gehe davon aus, dass die Klage erfolgreich sein kann. Auch das European Center for Con-stitutional and Human Rights (ECCHR), das die Klage gemeinsam mit der Nichtregierungsorganisation medico international unterstützt, begrüßte die Entscheidung. »Die Profiteure dieses ungerechten Systems können in Deutschland jetzt erstmals rechtlich zur Verantwortung gezogen werden«, sagte ECCHR-Generalsekretär Wolfgang Kaleck.
Für Thomas Seibert von medico international zeigt die Klage auch: »Der Druck aus dem globalen Süden nimmt zu.« Immer mehr ArbeiterInnen seien »bereit, für ihre Rechte und gerechte Arbeitsbedingungen vor Gericht zu ziehen, auch in Deutschland«. Ein Erfolg der Klage würde für zahlreiche Konzerne wegweisend sein, da sind sich internationale Rechtsexperten einig. Die Klage gegen KiK belege aber auch, wie nötig rechtliche Reformen seien, erklärte Kaleck. Er forderte die Bundesregierung auf, »endlich einklagbare Sorgfaltspflichten für deutsche Unternehmen im Ausland«