Mehr Neonazis, weniger Pegida

Erstveröffentlicht: 
01.08.2016

Rückläufige Teilnehmerzahlen und deutliche Neonazi-Präsenz bei rechtem „Merkel muss weg“-Aufzug in Berlin.

 

Zum mittlerweile dritten Mal sind am Samstag über tausend Rechte in Berlin zur flüchtlingsfeindlichen „Merkel muss weg“-Demonstration in der Hauptstadt aufgelaufen, laut Polizeiangaben waren es rund 1350 Teilnehmer. Damit ist die Zahl der Besucher bei dem von „pro-Deutschland“-Funktionär Enrico Stubbe angemeldetem Aufzug weiter rückläufig. Waren zum Auftakt im März noch fast 3000 Personen erschienen (bnr.de berichtete), hatte sich die Teilnehmerzahl im Mai bereits fast halbiert. (bnr.de berichtete) Die Sorge von Beobachtern, dass die extremen Rechten womöglich in Folge der Anschläge von Würzburg und Ansbach wieder Zulauf erhalten könnten, hatte sich somit nicht bestätigt.

 

Auch die Zusammensetzung des Aufzugs wird immer eindeutiger: Dominierten anfangs vor allem rechte Wutbürger aus flüchtlingsfeindlichen Initiativen und den regionalen Pegida-Ablegern, sind es mittlerweile überwiegend unterschiedlichste Neonazi-Gruppierungen, die auch ganz offen als solche auftreten: T-Shirts mit „Widerstand Mecklenburg“ oder „Division Brandenburg“,  mit NPD-Logo, „HKN KRZ“-Kürzel oder „Patrioten Berlin“ samt Reichsadler, Shirts von Neonazi-Bands wie „Weiße Wölfe“ oder „Gigi & die braunen Stadtmusikanten“ oder Fahnen wie von den „Freien Kräften Prignitz“. Teilnehmer von DML (Deutschland muss leben) e.V.  forderten ganz offen einen „Nationalen Sozialismus“ auf ihrem Transparent.

 

„Nationaler Sozialismus jetzt“-Rufe

 

Die Neonazis interessierten sich mehrheitlich nicht für die Redebeiträge aus dem Dunstkreis der Pegida-Ableger, wie der Schweizer Rechtspopulist Ignaz Bearth, Viktor Seibel aus Kassel, der Südtiroler Eric Graziani oder Manfred Rouhs von „pro Deutschland“. Sie pöbelten lieber die wenigen Gegendemonstranten an oder riefen Parolen wie „Nationaler Sozialismus jetzt“.

 

Zwar waren auch bei den vorhergegangenen Aufmärschen Neonazis vor Ort, allerdings noch nicht als bestimmender Teil des Aufzuges, der sogar die Parolen vorgab. Das die Organisatoren um Stubbe von „Wir für Deutschland – Wir für Berlin“ damit ein Problem haben, kann bezweifelt werden, da der Vorsitzende der Neonazi-Partei „Die Rechte“ in Sachsen, Alexander Kurth sogar als Redner eingeplant war.

 

Auch die schwächelnden Pegida-Ableger wie der „Bürgerprotest Hannover“, „Thügida“, die „Bürgerbewegung Altmark“ oder das „Bürgerbündnis Havelland“ zeigten mit Transparenten Präsenz, aber mit deutlich kleineren Delegationen als noch vor zwei Monaten. Wieder waren auch mehrere Russland-Fahnen und Putin-Shirts zu entdecken.

 

Querschnitt der aktuellen rechten Berliner Szene

 

Auffällig ist die zahlenmäßig geringe Teilnahme von Berliner Rechtsextremisten. Mit Jan Sturm und Jens Irgang von der NPD-Neukölln, fünf Anhängern der „Autonomen Nationalisten Berlin“, darunter der NPD-Kandidat Lukas Lippitz, einigen Rechten aus Marzahn-Hellersdorf, vereinzelten Aktivisten der „Identitären Bewegung“ und „Bärgida“ sowie Enrico Schottstädt und anderen Mitgliedern seines wieder gegründeten „Bündnis Deutscher Hools“ bildet der Aufmarsch zwar weiterhin einen Querschnitt der aktuellen rechten Szene Berlins, scheint für sie aber kaum mehr Relevanz zu besitzen. Wenig überraschend war die Anwesenheit von „pro-Deutschland“ Chef Manfred Rouhs als Redner sowie am Fronttransparent.

 

Mindestens zwei Personen wurden während der Veranstaltung von der Polizei festgenommen: Einer wegen einer verbotenen Parole auf dem Shirt, ein anderer wegen eines Hitlergrußes. Am 5. November soll dann eine vierte Auflage der „Merkel muss weg“-Demo stattfinden. Ob dann überhaupt noch eine vierstellige Anzahl an Teilnehmern kommt, dürfte zu bezweifeln sein.