"Zur Quellwiese“ Etwas mehr deutsch

Manni Haas führt die Kneipe "Zur Quellwiese" seit rund 18 Jahren. - Bildquelle: Merkurist
Erstveröffentlicht: 
26.06.2016

Die Mombacher Kneipe „Zur Quellwiese“ provoziert: In einem Meer aus schwarzrotgoldenen Fahnen hängen auch Reichskriegsflaggen. „Ich bin kein Nazi“, sagt der Wirt. Ein Besuch in seiner Kneipe.

 

Nur schwer kommt man durch die Eingangstür, so tief hängen die Fahnen in schwarzrotgold und schwarzweißrot an der Fassade. Innen klebt der Geruch von kaltem Rauch, Wände und Decke sind tapeziert mit Deutschlandflaggen, Mainz 05-Schals und Bildern von Ultras und Hooligans. Im Hintergrund läuft Radio Paloma, Ralf Christian singt vom Schloss am Wörthersee. Ab und an piept der Spielautomat, zischt ein Kronkorken, klirrt ein Glas. Es ist Nachmittag und Manni Haas, der Wirt der Kneipe „Zur Quellwiese“, sitzt an einem der Tische.

 

Haas, 69, hat graues Haar, tätowierte Arme und ledrige Haut. Man sieht ihm an, dass er gerne Urlaub im Süden macht, mit seinen Jungs geht es dann nach Mallorca, erzählt er später. Aber eigentlich, ja, eigentlich ist er am liebsten in Deutschland. „Ich bin halt etwas mehr deutsch, ich bin Patriot hoch drei“, sagt er. „Aber kein Nazi.“ Die Fahnen vor den Fenstern färben das Licht in der Kneipe rötlich, als die Barfrau den ersten Kümmerling bringt.

 

Seit rund 18 Jahren führt Haas die Kneipe in der Nestléstraße in Mombach, und gerade jetzt, zur Fußball-Europameisterschaft, fällt sie besonders auf. Dutzende Deutschlandfahnen hängen am Haus und ziehen die Blicke der Passanten auf sich. Nach der EM sollen die Flaggen wieder verschwinden. „Vielleicht ist es ein bisschen übertrieben, aber das hab ich ja mit Absicht gemacht“, sagt Haas und blickt nach draußen. „Meinen Gästen gefällt das, und der Rest – weiß nicht, ob ich die unbedingt als Gäste haben will.“ Die Reaktionen auf die Deko sind nicht immer positiv, Kritik gibt es vor allem an der Reichsflagge. „Die Reichskriegsflagge ist für mich alles, was vor dem Krieg war“, sagt Haas. „Was hat der Hindenburg mit dem Hitler zu tun? Die Leute haben keine Ahnung von Geschichte.“ Er greift nach dem Anhänger an seiner Halskette. „Das Eiserne Kreuz, das ich trage, nennt man heute Verdienstkreuz“, sagt er. „Für mich bedeutet es einfach Stolz, deutscher Stolz. So wie die Russen Hammer und Sichel haben und die Türken den Mond, haben wir das.“ 

 

Fast nur Fußball


Früher war die Quellwiese eine Fankneipe des 1. FC Kaiserslautern, erzählt Haas und zieht den Ärmel hoch. Ein kleiner roter Teufel, Symbol des Fußballclubs, ist dort tätowiert. Irgendwann sei sie dann zur 05er-Fankneipe geworden. „Ich liebe halt den Fußball, alles was ich hab, ist fast nur Fußball“, sagt er. „Ich hab die Ultras in mein Herz geschlossen, die richtigen Fans, die immer dabei sind.“ Deshalb trägt er die Sonne der Ultras als Tattoo auf der Brust.

 

Tätowiert ist Haas erst seit zehn Jahren. Davor war er Supermarktleiter, unter anderem in Wiesbaden und Bretzenheim. „Ich habe mich tätowiert, weil ich anders sein wollte. Ich hab 25 Jahre Anzug getragen, dann wollte ich mich einfach abheben von den sogenannten lieben Menschen.“ Er streicht über seinen linken Unterarm. Ein geflügelter Totenkopf prangt da, daneben seine Initialen. Natürlich sei es ein bekanntes Motiv, es habe ihm eben gefallen. „Es darf ja auch nicht jeder tragen.“ Haas denkt nach und einen Moment lang ist es beinah still im Raum. Dann fängt er wieder an zu sprechen: „Es ist eine Sache der Einstellung, was man will im Leben. Die einen gehen in den Fußballverein, die anderen in den Kirchenchor“, sagt er. „Und ich bin halt in den Gruppen drin, die mir gefallen.“ 

 

Stolze Männer


Seinen rechten Unterarm hingegen ziert ein Schriftzug. Kaum lesbar auf den ersten Blick steht dort in altdeutscher Schrift „Blut und Ehre“. „Blut und Ehre für meine Familie, Frau, Kinder, für Mainz, für meine Freunde“, zählt Haas auf. „Ich hab es in altdeutscher Schrift gemacht – es ist ja bekannt, warum man das macht.“ Er zögert. „Weil ich ein alter Deutscher bin“, sagt er und lacht kurz auf. Das Radio rauscht ein paar Mal, draußen hagelt es mittlerweile.

 

Haas war verheiratet, mit seiner Exfrau hat er eine Tochter. Getrennt sind sie schon seit rund 25 Jahren. „Ich bin viel unterwegs gewesen. Meine Exfrau hat meine Hobbys auch nicht mehr so geteilt“, erzählt er. „Aber ich hab ja Familie überall, meine Jungs von den Ultras, die Alten Herren Gustavsburg. Wir unternehmen viel.“ An den Wänden hängen Collagen, nicht nur von den Ultras, sondern auch von einer Hooligangruppe, der Mz-Army. „Danke Manni“ steht auf einem der Bilder. „Die Army war früher eine gute Clique“, sagt Haas. „40, 50 gute Männer, alles Männer, die, sage ich mal, Rückgrat haben. Stolze Männer.“ Ob die noch richtig aktiv sind, wisse er jedoch nicht. Wegen eines Schlaganfalls im vergangenen Jahr war er fast ein Jahr weg. „Das war nicht so nett, aber ich bin immer noch da“, sagt er. „Wenn man mich braucht, bin ich hier.“ 

 

Die Leute ärgern


Ein paar Männer kommen in die Kneipe, begrüßen ihn und gehen ins Nebenzimmer. „Jetzt spielen wir gleich wieder Skat“, sagt er, wie jeden Mittwoch und Freitag. „Hab ja nichts mehr sonst. Fußball war schon immer, ich bin fanatisch, besessen.“ Früher, erzählt Haas, wenn seine Jungs wieder da waren, waren am Spieltag oft Zivilpolizisten vor der Kneipe, um aufzupassen, falls etwas passiert. Er war gerne unterwegs, ein „bisschen aggressiv“, erzählt er. Heute sei das nicht mehr so. „Ich lieb das ja, aber man wird älter, und die Fanszene wird immer schmutziger. Es gibt keine Hemmschwelle mehr.“

 

Draußen hat sich das Unwetter längst gelegt, Radio Paloma beschallt die Quellwiese wieder ganz ohne Rauschen. Udo Jürgens singt „Ich war noch niemals in New York“ und Haas spricht über die Fußball-EM. Natürlich wird Deutschland Europameister, da ist er sich sicher. „Ich kann nie denken, dass wir nicht gewinnen“, sagt er. „Vielleicht bin ich ja dann beim Endspiel dabei. Ich packe zwei, drei Freunde ein, und dann Party machen. Da bin ich kurzentschlossen.“ Was seine Kneipe angeht, da blickt er jedoch weit in die Zukunft. „Die hab ich noch zehn Jahre“, sagt er. „Nur um die Leute zu ärgern.“