Essen. Belastungen für Beamte merklich größer geworden. Landtagsabgeordneter Witzel (FDP) erneuert Kritik am Blitzmarathon. Gewerkschaft pocht auf Ausgleich.
Mehr Einbrüche, Demo nach Demo, zunehmende „Fremdeinsätze“ der örtlichen Hundertschaft, neue Salafismusgefahren und eskalierende Familienfehden in der Innenstadt – die Herausforderungen für die Essener Polizei sind merklich größer geworden und mit ihnen die Belastungen für jeden einzelnen Beamten.
8000 Überstunden mehr als im Jahr zuvor
Ein deutliches Indiz dafür: Der Überstundenberg der Kreispolizeibehörde Essen ist im vergangenen Jahr deutlich auf mittlerweile 160 150 gewachsen. Das sind noch einmal über 8000 Dienststunden mehr als zum Vergleichsstichtag 31. Dezember 2014.
Dies geht aus einer aktuellen Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des Essener FDP-Landtagsabgeordneten Ralf Witzel hervor und ist doch nur „die Spitze des Eisbergs“, wie Heiko Müller, Chef der Essener Gewerkschaft der Polizei (GdP), betont.
Die Zahlen des Innenministers beziehen sich nach Darstellung der Gewerkschaft allein auf die dienstlich angeordnete und genehmigte Mehrarbeit. Zähle man die Stunden des nicht offiziell verfügten Einsatzes der Beamten hinzu, etwa wenn Anzeigen morgens oder abends außerhalb der regulären Dienstzeiten geschrieben werden, dürften die aufgelaufenen Stunden nahezu den doppelten Wert erreichen, so Müller.
Vor diesem Hintergrund kritisiert der Landtagsabgeordnete Witzel den immer wieder und zuletzt im April durch das Innenministerium verordneten Blitzmarathon scharf: „Ein sinnloseres Verheizen der ohnehin knappen Personalressourcen gibt es kaum, wie die aktuelle Auswertung des letztlich völlig belanglosen Blitzlichtgewitters belegt“. Da das Essener Polizeipräsidium sich der dienstlichen Anweisung, die eine „völlig falsche Prioritätensetzung“ bedeute, nicht widersetzen könne, rät Witzel dem Polizeipräsidenten Frank Richter „zu einer Durchführung von Jägers Show-Aktionen im Schmalspurformat“.
Mehrarbeit „nicht für die Katz“
Auch die Gewerkschaft hat ihre Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Blitzmarathons, der beim letzten Mal ein auf zwölf Stunden reduzierter „Halbmarathon“ war: „Die Nachhaltigkeit und die Wirksamkeit für mehr Sicherheit ist nicht erwiesen“, sagt Heiko Müller, der von einer „Publicity-Aktion“ spricht. „Die Stunden, die da verballert werden, sind entbehrlich.“ Zumal die Gewerkschaft derzeit darauf poche, dass die angefallenen Überstunden „nicht für die Katz“ geleistet wurden. Sie verfallen eigentlich zum 31. Dezember 2018, so der GdP-Chef: „Doch wie sollen die Beamten denn frei nehmen?“ In 2014 konnten noch nicht einmal 37 000 Mehrarbeitsstunden durch Freizeit ausgeglichen werden. Keine 22 000 wurden finanziell vergütet.
Die Auswertung des jüngsten Blitzmarathons
Für den vergangenen Blitzmarathon waren in Essen 45 Polizisten 339 Stunden im Einsatz. Die Bilanz: 376 von 8695 erfassten Verkehrsteilnehmern waren zu schnell unterwegs. Das entspricht einer Quote von 4,32 Prozent. Keiner der Kontrollierten hatte Alkohol oder Drogen konsumiert. Kein einziger „Gurtmuffel“ wurde erwischt. „Sonstige Verstöße“ wurden insgesamt neun festgestellt.