Bochum/Herne. Polizisten machen immer mehr Überstunden. Die Zahl im Polizeipräsidium Bochum - zu dem auch Herne gehört - stieg um 17,3 Prozent auf 271.000.
Die Polizei schiebt immer mehr Überstunden vor sich her. Im Bereich des Polizeipräsidiums Bochum, zu dem auch Herne und Witten zählen, haben sich 2015 271.000 Überstunden angehäuft. Das sind 40.000 Stunden mehr als 2014 und entspricht einem Plus von 17,3 Prozent. Das teilt Polizei-Sprecher Frank Lemanis auf Anfrage der Redaktion mit.
Um einzuschränken: Aufgrund unterschiedlicher Erfassungsmethoden seien die Zahlen nicht direkt vergleichbar. Aber, fügt er an, sie zeigten durchaus ein realistisches Bild der Entwicklung. Demnach machte jeder Beamte 2015 im Schnitt 142,63 Überstunden.
Dass die Überstunden zu „einem Riesenbatzen“ angewachsen seien, liegt laut Lemanis „am vermehrten Einsatzaufkommen“. Mehr Einbrüche, mehr Demos, zunehmende „Fremdeinsätze“ der beiden Hundertschaften etwa bei Fußballspielen oder Präsenz auf Weihnachtsmärkten zur Terrorabwehr – das sind nur einige seiner Schlagworte. Die Folge: Die Herausforderungen für die Polizei seien merklich größer geworden und mit ihnen die Belastungen für jeden einzelnen Beamten. „Da wirkt sich am Ende jede Stunde aus“, so der Polizeisprecher.
GdP: Noch mehr Überstunden
Den Überstundenberg abzubauen, sei nicht leicht, weiß Lemanis. Werde etwa die Hundertschaft zu einer Demo gerufen, „können wir ja nicht sagen, wir können nicht.“ Er sei aber „guter Dinge“: „Der Trend wird sich über kurz oder lang umkehren.“ Er verweist auf neue Kräfte, die kommen sollen.
Das sieht Arno Plickert, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), völlig anders. „Perspektivisch wird der Überstundenberg bis 2022 noch zunehmen“, sagt der Wanne-Eickeler. Auch im Bereich Bochum sei keine Besserung in Sicht: „Die Kollegen kommen nicht mehr aus ihren Stiefeln heraus.“ Dass neue Beamte angekündigt seien, dürfe man nicht schön reden. Dadurch würden allenfalls dramatische Personalkürzungen vermieden, aber keinesfalls Überstunden abgebaut. Würden die Polizisten ihre Überstunden nehmen, „wäre die Funktionsfähigkeit der Polizei gefährdet“.
Ein Hauptkommissar aus dem Polizeipräsidium Bochum berichtet gegenüber der WAZ von seiner Arbeitsbelastung, vor allem in der Einsatzhundertschaft. Er möchte anonym bleiben.
Ein Polizeibeamter erzählt aus der Praxis
„Nach meinem Studium befand ich mich ein Jahr im Wach- und Wechseldienst. Auch hier baut man zwangsläufig Überstunden auf. Danach befand ich mich drei Jahre in der Einsatzhundertschaft. In dieser Zeit muss man völlig neu denken.
Das Leben und die Freizeit werden fremd bestimmt. Das Einsatzgeschehen bestimmt die Freizeit. Eine Teilnahme am kulturellen Leben ist fast nicht mehr möglich, freie Wochenenden gibt es kaum. In einem Jahr waren es insgesamt drei freie Wochenenden. Die Teilnahme an einem tollen Konzert, wo man sich die Karte schon ein Jahr im voraus kaufen muss – unmöglich.
In Bochum sind wir in der Fußballzeit von Freitag bis Montag, in der vierten Liga bis hin zur ersten Liga stets unterwegs. Hinzu kommen auch noch die vermehrten Einsätze in den anderen Bundesländern. Das Schlimmste ist die Wiedereinführung des mittleren Dienstes, schlechte Bezahlung heißt dies im Umkehrschluss. Hinzu kommt noch häufig schlechtes Essen – es ist verschimmelt oder das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen – und schlechte Unterkünfte. Die drei Jahre sind schon eine starke psychische Belastung und zehren auch an der Familie, die darunter leidet. Oft zerbrechen Beziehungen daran.“