In Bonn hält die Kampagne für ein libertäres Zentrum [LIZ] seit 21 Tagen ein Gebäude der Signa Holding besetzt. Das ist die längste und erfolgreichste Hausbesetzung in Bonn seit mindestens 27 - Jahren. Sowohl die SIGNA als auch die Stadtverwaltung verweigern bisher Gespräche mit den Besetzern. Eine Duldung wurde gleichermaßen nicht ausgesprochen. Um weiter Druck gegen Leerstand und für politische Freiräume zu machen starten wir jetzt eine Aktionswoche, bei der wir auf überregionale Beteiligung hoffen.
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Direkt in der Innenstadt, in der Rathausgasse 6, wurde in den letzten drei Wochen für viele Menschen ein Freiraum etabliert. Doch endgültig verstetigt hat sich die Struktur noch lange nicht, denn sie ist permanent einer Räumungsgefahr ausgesetzt. Die Aktionswoche soll einige der vielen hässlichen Gesichter des Kapitalismus angreifen: Ausschluss, Verwertung und Verdrängung sind Bestandteil des kapitalistischen Alltags, den wir aufbrechen werden. Das von uns besetzte Gebäude ist Teil eines größeren Komplexes, der gegenwärtig der SIGNA Holding gehört. Die SIGNA will hier alles abreißen und eine Shopping-Mall bauen. Um dieses Ziel durchzusetzen wurden die Gebäude systematisch entmietet und stehen seitdem leer. Die Leerstandspolitik der Signa Holding*1 ist ein Paradebeispiel dafür, dass die Interessen von größeren wirtschaftlichen Akteur*innen oft diametral zu den Bedürfnissen vieler anderer Menschen stehen. Das ist kein Zufall, sondern dem Kapitalismus inhärent. In der Praxis sieht das Ganze dann so aus, dass Wohnviertel und Schwimmbäder Einkaufszentren weichen müssen. Was in dieser Stadt fehlt, sind bezahlbare Wohnungen und Orte, an denen sich Menschen ohne Schranken begegnen dürfen. Ein Einkaufszentrum ist ein Ort an dem mensch nichts anderes als Konsument*in sein darf. Hier kann sie sich nur von der Werbung ihres selbstständigen Denkens berauben lassen, um Scheiße zu kaufen, die sie nicht braucht, von Geld, das sie nicht hat. Der soziale Kampf, der hier stattfindet, soll dabei durch das eine oder andere Feigenblatt verschleiert werden. So behauptete die SIGNA, sie habe vor, neue Kitas zu errichten, was eine Lüge war, oder der OB der Stadt Bonn stellte in den Raum, dass vielleicht Geflüchtete übergangsweise in den leerstehenden Wohnungen wohnen könnten. Die von uns besetzten Räume stehen seit drei Jahren leer. Die Pläne zur Versorgung von Geflüchteten werden aber erst seit unserer Besetzung konkret. Dass ein eigentlich benutzbares Gebäude so lange leersteht ist kein Zufall. Denn eine der Grundlagen des vorherrschenden ökonomischen Systems ist das durch den Staat verbriefte und durchgesetzte Recht auf Eigentum und die unbedingte freie Verfügung darüber. Privates Eigentum an nur kollektiv zu nutzenden Gütern, wie zum Beispiel Häusern, lehnen wir ab. Denn dadurch werden die Menschen in ein Gefüge von Ungleichheit und Hierarchie gezwungen. Unsere Freiheit wird durch die Menschen um uns herum realisiert, nicht durch das Anhäufen von Besitz.
Wir verlangen daher selbstverwaltete, herrschaftslose Freiräume, in denen neben den existenziellen auch die kulturellen und politischen Bedürfnisse der Menschen selbstorganisiert erfüllt werden können. In diesen Räumen der tausend Möglichkeiten wird der Zwang zur Konkurrenz abgeschwächt und die Grundlagen eines selbstbestimmten und solidarischen Lebens werden erkennbar.
Dass die Verantwortlichen bis jetzt nicht tätig geworden sind, um uns aus den von uns gestalteten Räumen zu werfen, führen wir nicht auf deren Wohlwollen zurück, viel eher scheint abgewartet zu werden, bis sich die Sache von selbst erledigt. Doch das werden wir nicht zu lassen. Wir sind nicht gekommen, um uns wieder zu verpissen, sondern um uns hier zu organisieren und zu wachsen. Sich die Räume zu nehmen, ist nur der Anfang und der Kreative Prozess ist gerade erst eingeleitet. Dass das, was wir hier schaffen, im Rahmen des gewollten Ausnahmezustands stattfinden muss, in dem wir in besonderem Maße auf unsere eigene Sicherheit achten müssen, ist eine Zumutung und eine Duldung ist die einzig akzeptable Lösung.Erst, wenn wir hier in Ruhe arbeiten können, ohne der ständigen Bedrohung durch die Polizei ausgesetzt zu sein, kann ein libertäres Zentrum seinem eigenen Anspruch wirklich gerecht werden. Denn der fruchtbare Austausch mit denen, die sich beteiligen wollen wird durch die latente Belagerungssituation verunmöglicht. Solange die Barrikaden bereit stehen (müssen), bleibt unser Raum ein exklusiver, was wir nicht wollen. Um ernsthaft mit unseren Mitmenschen in Kontakt zu treten und an unseren Utopien zu arbeiten, laden wir dazu ein, zur Aktionswoche zu kommen. Denn nur, wo wir mit verschiedenen Vorstellungen vom schönen Leben zusammen kommen, werden wir uns weiter entwickeln können. Lasst uns gemeinsam das schöne Leben nicht nur fordern sondern errichten! Angesichts dieses hehren Zieles laden wir alle dazu ein, in Bonn praktische Solidarität zu leben. Die Häuser denen, die sie nutzen!
*1 "Die SIGNA Holding will das Viktoriaviertel abreißen und dort ein Einkaufszentrum bauen. Ihr gehört aber bisher nur ein Teil der Gebäude und sie möchte die restlichen Gebäude dazu erwerben, um alles im Block abzureißen. Dagegen gab es ein Bürgerbegehren und diesem wurde im Stadtrat stattgegeben. Es sieht also so aus als könnte die SIGNA dort kein Einkaufszentrum bauen. Was tut sie also? Da ihr schon ein erheblicher Teil der Immobilien im Viktoriaviertel gehören, lässt sie die bestehenden Mietverträge einfach auslaufen, schmeißt die Mieter*innen raus und lässt die Häuser leerstehen. Scheiß doch eins auf unsere "Demokratie"."