Sprache einer Protestbewegung - Pegida: Sprache als Waffe

Erstveröffentlicht: 
18.04.2016

In gewohnter Regelmäßigkeit versammeln sich die selbsternannten "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" in Dresden und anderen Städten zu Kundgebungen. Kritiker werfen den Rednern vor, Wortbeiträge bewusst drastisch zu gestalten und damit eine klare Strategie zu verfolgen.

 

Entwürdigend, beleidigend, diskriminierend - so beschreiben Beobachter die Sprache bei Pegida. Die Publizistin Liane Bednarz sieht darin eine Strategie: Gegner und Kritiker würden entmenschlicht und zu Feindbildern gemacht. So sagte etwa Lutz Bachmann am 11. April in Dresden: "Denn eines sei euch heute und hier versprochen: Sobald der unvermeidliche Politik- und Regierungswechsel eingetreten ist, werden alle Täter von heute, jeder Einzelne dieser Verbrecher, gnadenlos vor Gericht gestellt und einer ordentlichen Strafe zugeführt."

 

Nach fast eineinhalb Jahren Pegida in Dresden habe sich die Rhetorik ihrer Protagonisten verschärft, beschreibt Jürgen Kasek, der Landesvorsitzende der Grünen in Sachsen, seine Eindrücke. Ihre Schlagworte seien meist kurz und einprägsam. Viele Begriffe würden neu ausgerichtet und scheinbar harmlose Wörter verwandelten sich so in Kampfbegriffe.

 

Wir erleben bei Pegida und den Wortführern dieser Bewegung eine immer weitere Verrohung der Umgangsformen. Da wird ausdrücklich aufgerufen, zu Mistgabeln zu greifen und Politiker und Pressevertreter aus ihren Amtsstuben zu prügeln.

Jürgen Kasek, Landesvorsitzender der Grünen in Sachsen

Kasek sieht darin die Grundlage für real ausgeübte Gewalt. Pegida-Gründer Lutz Bachmann bezeichnet er als "geistigen Brandstifter", der mit seinen Worten auch für die Vorkommnisse in Heidenau im letzten Jahr verantwortlich sei. 
Feindbilder werden geschaffen

Wie der deutsche Journalist Wolfgang J. Reus sagte, kann Sprache nicht nur ein Werkzeug sein, sondern ebenso wie ein Medikament missbraucht oder falsch angewendet werden. Das wissen auch die Verantwortlichen bei Pegida. In ihren Beiträgen auf Kundgebungen, aber auch in sozialen Netzwerken oder anderen Medien, kommt dies unmissverständlich zum Ausdruck. Pegida-Wortführerin Tatjana Festerling sucht bei ihren Reden bewusst den Tabubruch:

 

Und wehe diese bigotten, links-grün verkommenen Subjekte kommen uns jetzt wieder mit ihrer Hohlfloskel ‚Empathie‘. Ihr links-grünen Terroristen, ihr Refugee-Mörder, ihr habt bewiesen, dass es euch nie um Menschenleben ging, sondern nur um Erpressung und Nötigung der Politik.

Tatjana Festerling auf der Pegida-Kundgebung am 21.03.2016 in Dresden

Die Pegida-Rhetorik gehe jedoch über Schmähungen und Beschimpfungen hinaus, sagt die Münchner Publizistin Liane Bednarz. Gezielt würden Feindbilder erschaffen. Mit Worten wie "Lohnschreiberlinge", "Volksverräter", "Humanitätsdödel" oder "links-grün verkommene Subjekte" würden diejenigen bezeichnet, die Kritik an der Bewegung äußern oder nicht in deren Sinne berichten. Bednarz hat sich intensiv mit Pegida und der Neuen Rechten beschäftigt und verweist darauf, dass die Rhetorik der Bewegung ganz bewusst darauf abzielt, Politiker, Andersdenkende, Journalisten und Vertreter des Staates zu diskreditieren und damit zu entmenschlichen. 

 

Grenzen von Meinungsfreiheit


Grünen-Chef Kasek sagt, dass sich Pegida bei diesen Äußerungen immer wieder auf das im Grundgesetz verankerte Recht auf freie Meinungsäußerung berufe. Die Meinungsfreiheit, so Kasek, kenne jedoch gewisse Grenzen. Diese würden dort geregelt, wo es um Beleidigung, Ehrverletzung und die pauschale Herabsetzung der Menschenwürde gehe. 

 

Aufruf zum Widerstand

 

Neben der Herabsetzung von Institutionen und Einzelpersonen, sagt Liane Bednarz, gehe es Pegida und der Neuen Rechten Szene vor allem um den Sturz der Regierung. Gastredner wie der Publizist Götz Kubitschek, würden die Zuhörer mittlerweile ganz gezielt zum Widerstand gegen Staat und Gesellschaft aufstacheln. Er beziehe sich dabei immer wieder auf das vermeintlich so im Grundgesetz verankerte Abwehrrecht des Bürgers gegenüber einer rechtswidrig ausgeübten Staatsgewalt.

 

Ich halte es für notwendig, im Sinne der Staatsidee gegen die konkrete Staatswirklichkeit zu handeln.

Götz Kubitschek auf der Pegida-Kundgebung am 05.10.2015 in Dresden

 

Die Bundesrepublik werde auf Basis dieser Argumentation von weiten Teilen der Bewegung als Diktatur betrachtet, sagt Bednarz. Kubitschek sei mehrfach Redner bei Pegida und deren Ablegern gewesen. Als Aktivist versammle er die führenden Köpfe der Neuen Rechten um sich. Außerdem habe der Publizist und Herausgeber der Zeitschrift „Sezession“ im letzten Herbst eine achtteilige Artikelserie mit dem Titel "Widerstandsschritte“ verfasst, in welcher er detaillierte Anleitungen zum zivilen Ungehorsam und zu Sabotageakten gibt.

 

Was ihn so mächtig macht, sind seine Vernetzungen, die auch europaweit bestehen. Er flirtet beispielsweise mit den italienischen Neofaschisten rund um ‚Cassa Pound‘. Aber es ist vor allem sein Verlag, wo die Fäden zusammenlaufen.

Liane Bednarz, Publizistin

Bachmann vor Gericht

 

Ab dem 19. April soll das Amtsgericht Dresden klären, ob Pegida-Chef Lutz Bachmann sich der Volksverhetzung schuldig gemacht hat oder nicht. In dem Verfahren geht es um einen Facebook-Eintrag Bachmanns aus dem September 2014, als die Pegida-Bewegung noch nicht existierte. In der Veröffentlichung hatte er Flüchtlinge und Asylbewerber unter anderem als "Gelumpe", "Viehzeug" und "Dreckspack" bezeichnet.