Attacken auf Sorben – Verfahren steckt fest

Erstveröffentlicht: 
08.03.2016

Eigentlich sollte der Prozess gegen vier Angreifer längst begonnen haben. Doch die Anklage lässt auf sich warten.

Von Sebastian Kositz

 

Plötzlich sind die Vermummten da. Über ein Dutzend schwarz gekleideter Männer stürmt Mitte Oktober 2014 eine Disco in Schönau, bedrängt junge Sorben. Es bleibt bei Drohungen und verbalen Ausfällen, die Angreifer verschwinden, noch bevor die Polizei eintrifft. Anders, als wenige Wochen zuvor. In Ralbitz wird ein Sorbe niedergeschlagen und am Jochbein verletzt, wenige Tage später prügeln Männer während einer Musikveranstaltung in Ostro auf zwei sorbische Jugendliche ein.

 

Eine Serie von gezielter Gewalt gegen junge Sorben, die seinerzeit über die Grenzen der Lausitz hinaus für Schlagzeilen sorgte – und nun neuen Wirbel verursacht. Zwar konnten immerhin vier mutmaßliche Angreifer ermittelt werden. Doch auch eineinhalb Jahre nach den Attacken ist es zu bislang zu keinem Prozess gekommen. Die Akten liegen noch bei der Staatsanwaltschaft in Görlitz, die zunächst Anklage gegen die Männer erheben muss. Das ist bis heute nicht geschehen, weil in der Behörde das Personal offenkundig überlastet ist. 

 

Akten liegen bei der Staatsanwaltschaft


Doch der Reihe nach. Die Ermittlungen zu den Vorfällen hat damals das Operative Abwehrzentrum (OAZ) übernommen. Eine Spezialtruppe des Freistaats, die sich um rechtsextreme Straftaten kümmert. Das OAZ war zu diesem Zeitpunkt ohnehin bereits wegen der in der Region beschmierten und überklebten Ortseingangsschilder in sorbischer Sprache eingeschaltet. Den Beamten gelang es tatsächlich, einige junge Männer ausfindig zu machen, die an den Vorfällen Mitte Oktober in Schönau beziehungsweise Anfang September in Ralbitz beteiligt gewesen sein sollen. Im Frühherbst des vergangenen Jahres wanderten die Akten von der Polizei schließlich zur Staatsanwaltschaft nach Görlitz. Damit es nun zu Gerichtsprozessen kommt, muss die Behörde gewissermaßen nur die Anklage erheben. Ein eigentlich formaler Schritt.

 

Tatsächlich sollte das schon Anfang des Jahres geschehen. Doch der Staatsanwalt, der sich mit den sogenannten Staatsschutzverfahren – zu denen auch rechtsextreme Übergriffe zählen – im Landkreis Bautzen beschäftigt, kommt schlichtweg nicht dazu. „Im Moment gibt es sehr viele Staatsschutzverfahren, insbesondere wegen Propaganda, Volksverhetzung und Straftaten bei Versammlungen“, sagt Irene Schott, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft in Görlitz. Obendrein müsse der Kollege viele Stellungnahmen schreiben, die aus dem erhöhten Informationsbedarf des Landtags resultieren. Mehrbelastungen, die mit den Ereignissen und Vorfällen rund ums Thema Asyl in Zusammenhang stehen. 

 

Mit Kritik ist zu rechnen


Wann die Anklage gegen die vier Verdächtigen endlich erhoben wird, sei laut Irene Schott derzeit noch nicht genau abzusehen. Absehbar sind hingegen die Reaktionen, welche diese Erklärung jetzt nach sich ziehen. In ersten Stellungnahmen bezeichneten die sorbischen Abgeordneten Marko Schiemann (CDU) und Heiko Kosel (Die Linke) die Situation als nicht hinnehmbar. Besonders die Staatsschutzverfahren müssen aus Sicht beider Politiker Priorität genießen. „Vor allem im Bereich des Minderheitenschutzes braucht es schnelle Urteile, um die Rechtsstaatlichkeit zu wahren“, sagt Linkenpolitiker Heiko Kosel.

 

Marko Schiemann fordert nun, dass die „personellen Engpässe umgehend abgestellt werden. Noch deutlichere Worte findet Heiko Kosel. Der Linkenpolitiker aus Malschwitz, der auch der Sprecher für sorbische Angelegenheiten in seiner Fraktion ist, bezeichnet die Justiz- und Sicherheitsbehörden bei den sorbischen Minderheiten als „nur bedingt schutzbereit“. Nicht nur die Polizei, auch die Justiz müsse personell entsprechend ausgestattet werden. 

 

Umdenken gefordert


Beim Sorbenverband Domowina hält sich deren Vorsitzender Dawid Statnik indes mit Forderungen in Richtung Freistaat zurück. „Wir brauchen ein generelles gesellschaftliches Umdenken und ein Bekenntnis zur Demokratie und Toleranz“, sagt Dawid Statnik. Sich mit Schuldzuweisungen zu überfrachten, helfe nicht weiter.

 

Immerhin: Nach seiner Kenntnis gab es im vergangenen Jahr weniger Straftaten gegenüber Sorben als noch 2014. Allerdings seien mehrfach wieder Straßenschilder und Wegweiser überklebt worden. „Hier waren und sind die Behörden aber kooperativ und beseitigen derartige Sachbeschädigungen nach Kenntnisnahme schnellstmöglich“, so Dawid Statnik.