Protest gegen die "Alternative für Deutschland" in Heidenheim

Protest gegen die "Alternative für Deutschland" in Heidenheim

Über 250 Menschen kamen am 19. Februar vor dem Heidenheimer Konzerthaus zusammen, um gegen einen Wahlkampfauftritt von AfD-Spitzenkandidat Jörg Meuthen zu protestieren. Zu der Kundgebung aufgerufen hatten die undogmatische linke AG Kultur und Kampf sowie die Heidenheimer Flüchtlingsinitiative "Stick Together". 

 

Laut eines Presseberichts wichen die Rechten ins Konzerthaus aus, da sie im Vorfeld seitens der lokalen Gastronomie keine Räumlichkeiten bekommen konnten. Ein für denselben Tag angesetzter Wahlkampftermin in Hüttlingen bei Aalen musste zudem ausfallen, da in der Nacht zuvor die geplante Räumlichkeit, ein lokales Gasthaus, einen Farbangriff hinnehmen musste und die Besitzer die Veranstaltung daraufhin cancelten. 

 

Auch in Niederstotzingen (Kreis Heidenheim) verloren die AfD'ler kurz darauf eine Räumlichkeit, nachdem die Besitzer einer lokalen Pizzeria von dem politischen Hintergrund ihrer Gäste erfuhren und diese daraufhin vor die Tür setzten.

 

Zudem gab es in den vergangenen Wochen diverse spontane Protestaktionen gegen Wahlkamfpstände der AfD in Heidenheim. Im Zuge dessen fiel insbesondere der AfD-Ersatzkandidat für Heidenheim, Helmut Faix aus Giengen a.d. Brenz, durch Pöbeleien und Provokationen auf.

 

Der erwachende Widerstand gegen die rechten Demagogen der AfD im Kreis Heidenheim sowie dem Ostalbkreis lässt hoffen, dass der lange Zeit ungestört agierenden Partei in Zukunft ein anderer Wind entgegenweht. Dass in der einstigen Republikaner-Hochburg Heidenheim nach wie vor ein entsprechendes Wählerpotential an bürgerlichen Rassisten und Wohlstandschauvinisten besteht, muss angenommen werden und wird durch entsprechende Wahlergebnisse der Vergangenheit bestätigt (so sitzt mit dem Giengener Fahrlehrer Roland Hager ein Vertreter der AfD im Kreistag).

 

Umso entscheidener ist, dass die gesellschaftliche Polarisierung auch zu einem neuen antirassistischen und antifaschistischen Bewusstsein in Teilen der Gesellschaft geführt hat. Die bunte Mischung an Demonstrantinnen und Demonstranten auch außerhalb bestehender linker Strukturen stellt für Heidenheim einen Erfolg dar, auch aufgrund der kurzen Mobilisierungszeit.

 

Rede der AG Kultur und Kampf (in Teilen inspiriert durch treffende Analysen der FAU):


Die kommenden Landtagswahlen am 13. März werfen ihre Schatten voraus. Auch die selbsternannte "Alternative für Deutschland" hat gute Chancen auf einen Einzug in den Landtag, wodurch sich erstmals seit dem Niedergang der Republikaner wieder eine Partei rechts der CDU in der politischen Landschaft etablieren könnte.

 

Der Aufstieg der AfD muss natürlich vor dem Hintergrund der vielbeschworenen, sogenannten "Flüchtlingskrise" betrachtet werden. Drohte die Partei schon an inneren Grabenkämpfen zugrunde zu gehen, die das stramm rechte Lager der Partei für sich entscheiden konnte, so beschert nun die Frage des Umgangs mit den Geflüchteten der Partei neuen Zulauf aus der Masse der Besorgten, Verängstigten und Verhetzten.

 

Es ist viel über den rechtspopulistischen Charakter der AfD gesagt und geschrieben worden. Unter Populismus wollen wir aber zunächst nur eine bestimmte Art des Politikmachens verstehen: Das kampagnenartige Aufgreifen von stark emotionsgeladenen Themen, um daraus politisches Kapital zu schlagen. So gesehen sind auch die etablierten Parteien alles andere als frei von populistischer Rhetorik. Es war auch nicht die AfD, die einst das Asylrecht verschärfte und die Festung Europa ausbaute, an deren Grenzen bis heute tausende Menschen den Tod finden.

Dunkle Erinnerungen an die frühen 90er Jahre kommen hierbei auf, in denen ein Klima von Hass und rassistischer Gewalt viele Todesopfer in Deutschland forderte, und die etablierten Parteien mit der faktischen Abschaffung des Asylrechts reagierten. 

 

Es liegt uns also fern, die bundesdeutsche Parteienlandschaft gegen einen neuen, missliebigen Konkurrenten zu verteidigen. Auch die Einschränkung von Bürgerrechten und der Abbau des Sozialstaates ist keine Folge der AfD.

Eines ist jedoch gewiss, und der Grund, wieso wir hier stehen: Die AfD ist in dieser politischen Atmosphäre der Verschärfung sozialer Missstände, der Abschottung und Militarisierung der europäischen Außengrenzen, der kriegerischen Interessensvertretung des Kapitals und der inneren Aufrüstung des Sicherheitsstaates alles, nur keine Alternative zum ohnehin bestehenden Übel.

 

Was sich in der AfD manifestiert und was sie stark macht, ist ein Sammelbecken unterschiedlicher reaktionärer rechter Strömungen – markradikale Wohlstandschauvinisten, die ihre Privilegien durch wirtschaftlich Schwache und Einwanderer gleichermaßen gefährdet sehen. 
Christliche Fundamentalisten, die ihr rückständiges Familien- und Wertebild durch mehr Toleranz und Aufklärung an Schulen bedroht sehen. Rechtskonservative, denen die CDU mittlerweile zu "links" ist und die sich einen strengen, autoritären Staat wünschen, der ihr Eigentum ebenso verteidigt wie er Abweichler unnachgiebig sanktioniert.

 

Und nicht zuletzt völkische Nationalisten und Faschisten. Diese träumen von der großen deutschnationalen Wiedererweckung und sehen in der AfD eine Chance, ihren menschenverachtenden Ideologien endlich wieder die große politische Bühne zu bieten, die diesen in Parteien wie der NPD verwehrt blieb. Ihnen allen ist gemein, dass sie dazu beitragen wollen, den politischen Diskurs in Deutschland auf allen Ebenen weiter nach rechts zu rücken.

Was die AfD so gefährlich macht, ist auch ihr Zusammenspiel mit anderen neuen rechten Bewegungen. Pegida, Hogesa oder die homophoben "Demos für alle" in der Landeshauptstadt sind die bedrückendsten Beispiele dieser neuen rechten Allianzen, dieser informellen Bündnisse aus Parteikadern und dem prügelnden Mob auf den Straßen, die an die dunkelsten Zeiten Deutschlands erinnern. 

 

Der Aufstieg der neuen Rechten kann jedoch nur verstanden werden, wenn wir ihn in dem europäischen Kontext betrachten, der ihn befördert. Egal ob Front National, Golden Dawn, UKIP oder FPÖ. So unterschiedlich die rechten Parteien in Europa erscheinen mögen – in ihrer sozialen Funktion sind sie sich sehr ähnlich.

Sie alle hängen dem großen Mythos der nationalen Erzählung an, in der sich eine starke Volksgemeinschaft gegen innere und äußere Feinde verteidigen muss. Sie sehen sich als Erretter einer als dekadent empfundenen Gesellschaft, in der der Rückgriff auf scheinbare Traditionen und antiquierte Wertvorstellungen Halt und Sicherheit bieten soll. 
Lüftet man diesen ideologischen Schleier, wird klar, welchen Interessen diese nationalistischen Mythen letztlich dienen. Abstiegsängste, soziale Not und Perspektivlosigkeit werden durch rechte Strategen aufgegriffen und gegen andere Menschengruppen gerichtet, die als vermeintlich Schuldige an der eigenen Misere ausgemacht werden.

 

So gesehen ist rechte Ideologie ein einziges Ablenkungsmanöver: Sie führt den Blick weg von den abstrakteren, nicht immer leicht zu erfassenden Zwängen von Herrschaft und Ausbeutung, denen wir alle tagtäglich unterworfen sind.

Diese einfachen Angebote an Sündenböcken sind der ideologische Vorsprung, den rechte Gruppierungen vor einer fortschrittlichen Linken haben. Sie müssen nur an Hass, Angst und Ressentiment appellieren, um Menschen auf ihre Seite zu ziehen. Komplexe Gesellschaftskritik ist hier um einiges schwerer zu vermitteln.

 

Das Erstarken rechter Bewegungen in Europa hält uns dabei eines deutlich vor Augen: 
Einen Kampf, der sich nur in Gegenprotest ergießt, können wir zwangsläufig nur verlieren. Zwar sind Gegenproteste sicher trotzdem besser als keinerlei Einspruch zu erheben. Mittelfristig können wir dem sich ausweitenden rechten Gedankengut jedoch nur mit eigenen Lösungsstrategien und Erklärungsmustern begegnen.

Wir müssen vermitteln, dass die von rechts präsentierten Forderungen, d.h. Repression, Abschottung und aggressive Außenpolitik, die globale Prekarisierung und Verelendung, den eigenen Fall bestenfalls auf Kosten der eigenen Freiheit und des Lebens anderer für eine Weile abbremsen. 
Wir müssen vermitteln, dass Ungerechtigkeit, Entmündigung und Perspektivlosigkeit eines überwiegenden Teils der Weltbevölkerung eine Notwendigkeit des Kapitalismus darstellen, und dass der Traum von der gesicherten Vollbeschäftigung ein für alle Mal vorbei ist.

Schließlich müssen wir auch darüber aufklären, dass die Hauptfluchtursachen und die Traumatisierung vieler Geflüchteter eben gerade in der Aufrechterhaltung dieser Wirtschaftsordnung begründet liegen. Gerade der Kapitalismus lebt von der Deklassierung, brutaler Unterdrückung und dem Krieg in ganzen Kontinenten.

 

Es ist insofern bezeichnend für das kritische Bewusstsein großer Teile der Bevölkerung, wenn nicht die von der Merkel-Regierung vorangetriebene brutale Sparpolitik auf dem Rücken der Lohnabhängigen Europas nun ihren Sturz bedeuten soll - sondern ihre vermeintliche Bereitschaft, nicht mehr so viele Menschen jämmerlich im Mittelmeer ersaufen zu lassen, wie noch vor einigen Monaten.

Umso fataler ist es auch, wenn Geflüchtete nicht nur seitens rechter Gruppierungen gegen einheimische Arbeiterinnen und Arbeiter ausgespielt werden sollen. 
Die Sanierung des europäischen Kapitalismus auf dem Rücken der Lohnabhängigen, die einher geht mit zunehmender Prekarisierung inbesondere der Menschen in den südeuropäischen Ländern, ist nicht durch die Menschen verschuldet, die vor Armut und Krieg aus ihren Heimatländern fliehen. Vielmehr sind die Flüchtlinge die ersten Opfer von Verwertungslogik und Nützlichkeitsrassismus, der Menschen in brauchbare und unbrauchbare Objekte einteilt.

Der Kampf der Lohnabhängigen kann daher nur als gemeinsame und solidarische Unternehmung aller Menschen gedacht werden, die von Ausbeutung und Unterdrückung betroffen sind. Rechte Ideologie zieht Grenzen zwischen Menschen, wo keine hingehören, und spaltet diejenigen, die Seite an Seite stehen sollten, anstatt sich gegeneinander aufhetzen zu lassen. 

 

Oft ist von der Bekämpfung von Fluchtursachen die Rede. Doch was die deutsche Bundesregierung hierunter versteht, ist an Zynismus und Fahrlässigkeit kaum noch zu überbieten. Während wir hier stehen, attackiert das NATO-Mitglied Türkei mit schwerer Artillerie kurdische Ziele in Nordsyrien. Also jene kurdischen Kämpferinnen und Kämpfer, sowie Zivilisten, die nicht nur die erste und stärkste Front gegen den islamistischen Terror bilden, sondern es auch geschafft haben, in den Wirren des syrischen Bürgerkrieges den basisdemokratischen Aufbau im Norden des Landes voranzutreiben.

Erdogan kann sich dabei der politischen Rückendeckung der deutschen Bundesregierung ebenso sicher sein wie einer guten wirtschaftlichen und militärischen Zusammenarbeit. Mehr noch: Der deutsche Staat kriminalisiert und verfolgt weiterhin Menschen aus der türkischen und kurdischen Linken, die den Kampf in Nordsyrien für Demokratie unterstützen, wie z.B. der Fall der türkischen Arbeiterföderation ATIK zeigt, deren Mitgliedern in diesem Frühjahr in München der Prozess gemacht werden soll.

Freie Hand hat Erdogan vor allem deswegen, weil er im Interesse Deutschlands die Türkei bzw. deren Außengrenzen zum großen Flüchtlingsgefängnis umbauen soll, um die Menschen daran zu hindern, weiter nach Europa zu drängen. Dass der türkische Staat durch seine Unterstützung des islamistischen Terrors und seinen Krieg gegen die kurdische Bewegung das gebeutelte Syrien sowie den Südosten des eigenen Landes noch mehr destabilisiert, wird dabei seitens der deutschen Regierung toleriert.

 

Wir sehen also, was Bekämpfung von Fluchtursachen hier meint: Voranschreitende Militarisierung der europäischen Außengrenzen sowie Aufrüstung und politische Unterstützung verbrecherischer Regime, die uns die Geflüchteten vom Leib halten sollen. 
Dass rechte Parteien wie die AfD auf die desolate Lage deutscher Außenpolitik wiederum nur mit Rufen nach mehr Abschottung bis hin zum Schießbefehl reagieren, zeigt nicht nur deren zynische Menschenverachtung, sondern auch deren politische Blindheit.

Wir sagen: Der Kampf gegen die Verhältnisse, die Fluchtursachen ständig neu reproduzieren und die auch die Menschen in Europa in die soziale Verelendung treiben, ist ein Kampf, den wir nur gemeinsam und solidarisch führen können. 
Wir stehen dabei für eine transnationale Solidarität mit allen fortschrittlichen demokratischen und revolutionären Kräften. Für den Wiederaufbau der zerbombten, vom Krieg geschundenen Regionen. Für ein Ende des Embargos gegen das syrische Rojava! Gegen jede Unterstützung der Despoten und Terror-Paten im Mittleren Osten!

 

Für einen gemeinsamen Kampf der Lohnabhängigen, der Prekären und Ausgegrenzten in den Ländern Europas, und für eine Solidarität mit den Menschen, die vor Not, Krieg und Verfolgung fliehen! 
Und keinen Fußbreit denen, die für reaktionäre und menschenverachtende Antworten eintreten und dabei den Blick versperren auf die tatsächlichen massiven Probleme, denen wir uns gegenüber sehen!
Die einzige Alternative zum Bestehenden ist eine solidarische Gesellschaft!