Buhrufe und Applaus für die AfD

Erstveröffentlicht: 
25.02.2016

Eine Veranstaltung der Alternative für Deutschland in Backnang mit den beiden Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen und Frauke Petry ruft mehrere Hundert Gegner der umstrittenen Partei auf den Plan – und ebenso viele Sympathisanten.

 

Donnerstagnachmittag – noch ist es ruhig rund um die gute Stube der Stadt Backnang. Die Polizei hat aber bereits die Zufahrtsstraßen zum Bürgerhaus abgesperrt. Später werden gleich nebenan auf dem Schillerplatz mehrere Hundert Demonstranten gegen die Wahlveranstaltung der Alternative für Deutschland (AfD) protestieren und innen der Saal prall gefüllt sein.

 

Jörg Meuthen ist bereits in der Stadt. Der Bundesvorsitzende der AfD ist der Backnanger Wahlkreiskandidat für die Landtagswahl am 13. März. Später wird er zusammen mit seiner Co-Vorsitzenden Frauke Petry und der stellvertretenden Bundessprecherin Beatrix von Storch im Bürgerhaus auftreten – auch, um „den Leuten die Angst vor den vermeintlichen AfD-Dämonen zu nehmen“, wie Petry sagt. Die beiden Frauen haben kürzlich Schlagzeilen gemacht, wegen ihrer Äußerungen zum Schusswaffengebrauch an den deutschen Grenzen. Meuthen sagt am Nachmittag, die Polizei habe ihm geraten, nicht allein in der Stadt herumzulaufen – das sei zu gefährlich. Meuthen sagt am Nachmittag, die Polizei habe ihm geraten, nicht allein in der Stadt herumzulaufen – das sei zu gefährlich.

 

„Die AfD braucht Alternativen“

Gegen 17.30 Uhr füllt sich der Schillerplatz langsam. Viele Menschen tragen Plakate mit Slogans wie „Blau ist das neue Braun“, „Die AfD braucht Alternativen“, „Ihr seid nicht die Mehrheit“ und „Euer Hass ist so 1935“. Zu der Demo hatte ein Bündnis mehrerer Organisationen und Parteien aufgerufen, zu dem unter anderem die Initiative Rems-Murr nazifrei, das Jugendzentrum Backnang, die Antifaschistische Jugend, die Jusos, die Grüne Jugend, der Ortsverband Backnang der Grünen, die Linke sowie die Deutsche Kommunistische Partei gehören. Das Motto der Veranstaltung: „Keine Ruhe den rechten Hetzern.“

 

Um 18 Uhr, die Kirchenglocken läuten, beginnt die Kundgebung. Ein Sprecher der Antifa ruft ins Mikro: „Die AfD kooperiert mit Faschisten“, die Partei sei für Atomkraft und gegen Abtreibung, sie sei homophob und ganz bestimmt „keine Alternative“. Zum Thema Flüchtlinge erklärte der Redner: es sei gut machbar in Europa, wo rund eine halbe Milliarde Menschen lebten, ein paar Millionen Flüchtlinge aufzunehmen. Tosender Applaus.

 

Eine Vertreterin der Initiative nazifrei geißelt die Verschärfung des Asylrechts und sagt, Gewalt gegen Flüchtlinge sei kein ostdeutsches Problem. Sie erinnert an den Brandanschlag auf ein noch unbewohntes Asylbewerberheim im Nachbarort Weissach im Tal im Sommer 2015. Dagmar Uhlig von der Linken sagt mit Blick in Richtung Bürgerhaus: „Die AfD ist hier nicht willkommen.“ Ein Vertreter der Piratenpartei nennt die AfD Rattenfänger, diese rechtspopulistische Partei habe „in Deutschland nichts zu suchen“. Götz Poppitz von den Grünen bekommt für seine Aussage, die AfD sei „eine normale“ Partei Buhrufe. Er meint mit dieser Aussage wohl, dass man halt akzeptieren müsse, dass die Partei im Bürgerhaus tagen dürfe. In Backnang war darüber diskutiert worden, ob die Stadt versuchen solle, der AfD die Anmietung der kommunalen Immobilie zu verweigern. Die Verwaltung hat sich dagegen entschieden, denn die Gerichte hätten wohl für die AfD gestimmt.

 

Draußen Polizei, drinnen Ordner und Sicherheitsdienst

Derweil trudeln Sympathisanten und Interessenten im Bürgerhaus ein. Allein 25 Ordner stellt die AfD, dazu einen Sicherheitsdienst, der die Gäste am Eingang kontrolliert. An den Eingangswegen zeigt die Polizei starke Präsenz, wie viele Beamte im Einsatz sind, will ein Sprecher nicht beziffern: „Es sind ausreichend.“Um 18.40 Uhr ist die Kundgebung zu Ende. Einige Teilnehmer gehen heim. Geschätzt 200 allerdings bleiben – und gehen zum Eingang des Bürgerhauses. Sie rufen „Rechtspopulismus stoppen“. Wer jetzt noch ins Bürgerhaus will, muss einmal um den Gebäudekomplex herum gehen und den Eingang auf der anderen Seite nehmen.„Es ist traurig, dass solche Maßnahmen nötig sind“, sagt ein 73-Jähriger aus Backnang, der betont, dass er sich über die AfD informieren wolle, weil sie wichtige Themen anspreche. Ob er die Partei wählen werde, wisse er noch nicht. Er habe nichts gegen Flüchtlinge, aber was die momentane Regierung tue, sei gefährlich. Er hat sich wie ein Paar aus Heilbronn, beide 26 Jahre alt, gerade noch rechtzeitig einen Platz in der vorletzten Reihe gesichert. Auch sie wollen sich informieren, die Kandidaten live erleben. Es ist ihr erster Besuch einer Politikveranstaltung überhaupt. Der Spitzenkandidat Meuthen frohlockt: „Die Hütte ist voll.“ Dass draußen vor der Tür einige Demonstranten noch lange „Nazis raus, Nazis raus“ rufen, hört er nicht.

 

Meuthen: Grenzen kurzfristig schließen

Drinnen hingegen bekommt er viel Beifall für seine Kritik an dem „dicken Brei der Einheitsparteien“, insbesondere der CDU, und ihrer Kanzlerin Angela Merkel, die in der Flüchtlingsfrage hilflos umher laviere. Deutschland müsse in dieser aktuellen Lage politisch verantwortlich handeln und seine Grenzen kurzfristig schließen, das Asylrecht ändern und Nichtasylberechtigte konsequent abschieben. Mit rechtsextremen Positionen habe das nichts zu tun.

 

Frauke Petry will „im Schweinsgalopp durch unser Wahlprogramm“ aufzeigen, dass es noch weitere Themen gibt, bei denen die AfD „den Finger in die Wunde legen“ und die „Demokratie auffrischen“ will – was dringend nötig sei. Das Erneuerbare Energien Gesetz etwa müsse abgeschafft, die Europäische Union neu erdacht werden. „Wir müssen den Mut haben, irrsinnige Projekte zu beenden.“ Der Staat müsse sich auf seine Kernkompetenzen – innere und äußere Sicherheit – konzentrieren und sich aus anderen Dingen raushalten. „Eltern müssen wieder das letzte Wort in der Erziehung haben.“

 

Während Beatrix von Storch für solche und ähnliche Aussagen ebenfalls tosenden Applaus aus dem Publikum erhält, löst sich die verbliebene Demonstrantengruppe draußen langsam auf. Rund 600 waren es laut Polizeiangaben gewesen und im Bürgerhaus etwa 750 Gäste.