In Freiburg entsteht eine zweite deutsche Indymedia-Version / Auch in basisdemokratischen Medien geht nichts ohne Kontrolle
Von unserer Mitarbeiterin Anja Bochtler
Kürzlich bei der Aufdeckung der Kontakte des Freiburger Journalisten Andreas Strittmatter zur Neonazi-Szene durch die Antifa (Antifaschisten) spielte das linke, überwiegend übers Internet aktive Mediennetzwerk Indymedia eine Rolle: Dort — in der Schweizer Indymedia-Version — war unter anderem das Video zu sehen, in dem Andreas Strittmatter mit seinem Hakenkreuz-Pullover auftritt. In Deutschland gab’s jahrelang bundesweit nur eine Indymedia-Version (de.indymedia.org). Seit Frühling entsteht in Freiburg eine zweite, die im Januar online gehen soll (linksunten.indymedia.org).
Bundesweit hat Indymedia seine Hoch-Zeiten bei Ereignissen wie dem G-8-Gipfel in Heiligendamm: Damals sei die Startseite 660 000 Mal aufgerufen worden, sagen Freiburger Indymedia-Aktivisten. Sie wollen mit ihrer neuen Version „Indymedia linksunten“ ein dezentraler Ableger für die Region „links unten“ auf der Landkarte sein, näher dran an politischen Bewegungen vor Ort. Nach der Gründung von „Indymedia linksunten“ mutmaßten linke Zeitungen wie die Junge Welt und die tageszeitung, die Freiburger unter den Indymedia-Moderatoren seien ausgeschlossen worden, weil sie uneins mit den anderen Moderatoren und deren Zensurkriterien gewesen seien. Auch in linken, auf Basisdemokratie pochenden Medien geht nichts ohne Kontrolle — erst recht im Internet, wo jeder mitmischen kann.
Darum sortieren Moderatoren Beiträge auch mal aus, zum Beispiel weil sie rechtsextrem sind. Die Freiburger wollen allerdings nichts zu den Konflikten sagen. Sie betonen die Gemeinsamkeiten zwischen dem bundesweiten Indymedia und ihrem Ableger: „Wir haben eine gemeinsame Philosophie und sind der lokale Ausdruck davon“, sagen zwei Männer Anfang 30, die anonym bleiben wollen — auch, um für „Feinde“ aus der rechten Szene unidentifizierbar zu bleiben.
Die zwei sind seit langem daheim im linken Spektrum Freiburgs: Als Filmemacher bei „Cinerebelde“ (übersetzt: „rebellisches Kino“), in der Freiburger Antifa-Szene, als Artikelschreiber fürs bundesweite Indymedia. Einer der beiden gehörte zu den Freiburgern, die im bundesweiten Moderatorenteam mitgearbeitet hatten und dort ausgeschlossen wurden. Die zwei Indymedia-Versionen sind miteinander verknüpft: Beide verweisen auf ihren Websites aufeinander, beide sind Mitglieder des globalen Indymedia-Netzwerks. Den Schritt weg von der zentralisierten Bundesebene fanden die Freiburger überfällig. In Großbritannien zum Beispiel habe sich Indymedia früh dezentralisiert. Und es gibt längst viele Indymedias: Seit 1999 in der internationalen globalisierungskritischen Bewegung alles anfing, hat sich die Idee, eine digitale Gegenöffentlichkeit in Abgrenzung zu etablierten Medien zu schaffen, auf sechs Kontinenten verbreitet. Die funktioniert nach Einschätzung der Freiburger umso besser, je stärker sie lokal verankert ist. Nicht nur, weil Colmar von Freiburg aus näher liegt als Berlin. Sie verstehen Indymedia als Bewegung von denen, die aktiv werden — und selbst darüber schreiben statt über sich schreiben zu lassen. Das alte linke Ideal einer eigenen Geschichtsschreibung: Gibt’s dafür in Freiburg nicht schon das Archiv für soziale Bewegungen und Radio Dreyeckland? Denen wollen die Indymedia-Aktivisten keine Konkurrenz machen, sondern sie — auf Internet-Ebene — ergänzen.
Bei der Gründung in der autonomen KTS seien rund 30 Aktive dauerhaft dabei gewesen, sagen die Freiburger. „Indymedia linksunten“ richtet sich an den gesamten Südwesten. Beim Nato-Gipfel im April soll es „Zentrum des Protests“ werden.