Wieder Sachsen. Das Entsetzen ist groß. Nach fremdenfeindlichen Attacken in Clausnitz und Bautzen steht die sächsische Polizei massiv in der Kritik. Rückendeckung kommt vom Dienstherren.
Clausnitz/Bautzen. Nach den fremdenfeindlichen Vorfällen in Clausnitz und Bautzen steht Sachsen bundesweit in der Kritik. Insbesondere die Polizei ist betroffen - aber auch Innenminister Markus Ulbig (CDU).
Im ARD-„Morgenmagazin“ forderte Grünen-Chef Cem Özdemir am Montag, das Thema zur Chefsache zu machen. „In Sachsen haben Ministerpräsidenten gesagt, Sachsen hat kein rechtes Problem. Jeder weiß es. Die ganze Welt weiß es, dass es in Sachsen ein Problem gibt mit Rechtsradikalismus. Das gab es schon zu DDR-Zeiten. Das kann man nachlesen“, sagte er. „Der Fisch stinkt in Sachsen vom Kopf her.“ Sachsens Linkspartei-Chef Rico Gebhardt sagte: „Langsam beginne ich, an eine selbstverordnete, rechtsäugige Blindheit von Teilen der sächsischen Polizei und vor allem ihres Dienstherrn zu glauben.“
Der CDU-Vorstand von Kanzlerin Angela Merkel verurteilte die fremdenfeindlichen Proteste und den Anschlag als verbrecherisch: „Wer solche Dinge wie in Clausnitz oder Bautzen macht, tritt die Werte unseres Landes mit Füßen. Das sind keine besorgten Bürger, sondern schlichtweg Verbrecher“, erklärte CDU-Generalsekretär Peter Tauber nach einer Telefonkonferenz des Bundesvorstands.
Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens (parteilos) sagte ebenfalls im ARD-„Morgenmagazin“: „Wir lassen uns das nicht gefallen. Wir lassen uns von ein paar Hohlköpfen nicht die Stadt kaputt machen.“ In der Vergangenheit sei in Sachsen bereits einiges schief gelaufen; zu lange seien Dinge relativiert worden. Auch geistiger Brandstiftung, wie der von Sachsens AfD-Vorsitzender Frauke Petry, müsse stärker entgegengetreten werden.
Mehrere Bundespolitiker erklärten, sie wollen die Vorfälle auch im Bundestag thematisieren. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) kündigte einen harten Kurs der Justiz an. Der Staat müsse angesichts solcher Straftaten „seine Kräfte bündeln“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Sächsische Polizei will aufklären und gegen Gaffer vorgehen
Die sächsische Polizei ist unterdessen bemüht, schnell die Verantwortlichen der Brandstiftung in einer geplanten Flüchtlingsunterkunft in Bautzen zu finden. Die Ermittler wollen aber auch gegen Gaffer vorgehen, die das Geschehen johlend verfolgt oder die Arbeit der Feuerwehr behindert hatten, hieß es. Innenminister Ulbig kündigte an, die Vorgänge zu untersuchen. Dies gilt insbesondere für den Vorfall in Clausnitz, für den die Polizei selbst massiv in der Kritik steht. Hintergrund ist, dass die Polizei eine Blockade der Menschenmenge nicht unterbunden hatte und stattdessen sich sträubende Flüchtlinge teilweise mit Zwang aus ihrem Bus geholt und in die Unterkunft gebracht hatte.
Linksparteichef Bernd Riexinger verlangte in der „Passauer Neuen Presse“: „Der zuständige Einsatzleiter muss gehen.“ Ulbig als Dienstherr verteidigte das Vorgehen jedoch: „Die Polizei musste konsequent handeln und hat das getan“, sagte er in Dresden. Die Ursache für den Einsatz sei ein „Mob mit menschenverachtenden Äußerungen“ gewesen. Die Flüchtlinge im Bus hätten Angst gehabt. Die Polizei habe deswegen einschreiten müssen. Ähnlich äußerte sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU): „Es war richtig, alle Asylbewerber schnell aus dem Bus zu bringen“, sagte er in der ARD.
Landrat zweifelt nicht am AfD-Heimleiter – Bruder organisierte Mob
Der Landkreis Mittelsachsen kündigte an, zu prüfen, ob es ein Fehlverhalten gegeben habe. Thema dürfte dabei auch sein, dass Thomas H., Leiter der Flüchtlingsunterkunft, Mitglied der rechtspopulistischen AfD ist. H. soll am 3. November 2015 an einer AfD-Demo vor dem Landratsamt in Freiberg teilgenommen haben, als Redner aufgetreten und in seiner Ansprache u.a. vor dem „ungezügelten 100.000-fachen Einmarsch von Wirtschaftsflüchtlingen“ gewarnt haben, der in seinen Augen ein „Verbrechen an der deutschen Nation“ darstelle.
Landrat Matthias Damm (CDU) sieht laut einem Bericht der Chemnitzer „Freien Presse“ vom Montag aber bisher keinen Grund, am Heimleiter zu zweifeln. Nach MDR-Recherchen wurden die fremdenfeindlichen Proteste vor der Flüchtlingsunterkunft vom Bruder des Einrichtungsleiters Karsten H. mitorganisiert. In einem auszugsweise vorab gezeigten Interview des Fernsehmagazins „Exakt“ drückte der Mann sein Bedauern aus. Man habe nur eine ruhige Demonstration gewollt und zum Ausdruck bringen wollen, dass man nicht mit der Asylpolitik in Deutschland einverstanden sei. Dass die Situation so eskaliert sei, habe man nicht gewollt und nicht verhindern können, so H. gegenüber den MDR-Reportern.
In Clausnitz hatte am Donnerstagabend etwa 100 Menschen versucht, die Ankunft eines Busses mit Bewohnern einer neuen Asylbewerberunterkunft zu verhindern. Dabei grölten sie „Wir sind das Volk“. Polizisten holten drei Flüchtlinge unter Zwang aus dem Bus. Ein Junge ist auf einem Video verängstigt und weinend zu sehen. Im sächsischen Bautzen wurde am Wochenende ein noch unbewohntes Asylbewerberheim in Brand gesetzt.