Vor allem Anti-Asyl-Demonstrationen verschaffen den Kameradschaften m Landkreis Bautzen Zulauf. Gegenzusteuern ist schwierig.
Sachsens Verfassungsschutz warnt: Die rechtsextreme Szene im Landkreis Bautzen wächst. Besonders unter jungen Leuten gewinnen die Kameradschaften an Einfluss. Zulauf gewinnen sie vor allem über Demonstrationen gegen das Asylrecht. Seit 2014 gab es im Landkreis zahlreiche dieser Aufmärsche. Ihre Teilnehmerzahl lag nach Einschätzung der Verfassungsschützer deutlich über dem szenetypischen Potenzial. Mit dieser Entwicklung einher geht ein Erstarken der rechtsextremen Organisationen: So verfügt die NPD-Nachwuchs-Organisation Junge Nationaldemokraten (JN) seit 2014 wieder über einen Stützpunkt in der Region. In Hoyerswerda, Bautzen und im Raum Radeberg haben Neonazis feste Kameradschaftsstrukturen.
Neben diesen existiert eine rechtsextreme Subkultur. Das sind Jugendliche, die keiner festen Organisation angehören. Deutliches Indiz für das Erstarken dieser Szene ist die steigende Zahl der Straftaten. 157 rechtsextremistisch motivierte Vorfälle zählte der Verfassungsschutz 2014 im Landkreis Bautzen – so viele wie in keinem Jahr zuvor. Ein Trend, der sich 2015 fortsetzt: Die Zahl der Rechtsextremisten im Kreis nehme weiter zu. Auch weil diese vermehrt um junge Leute werben, die bislang nicht zur rechten Szene gehören, sagt der Sprecher des Landesamtes für Verfassungsschutz, Falk Kämpf. Ein Alarmsignal.
„Rechtes Gedankengut unter Jugendlichen ist ein Problem, das wir nicht unterschätzen dürfen“, warnt auch Matthias Knaak, der im Jugendamt des Landkreises unter anderem für die Prävention zuständig ist. Extremistische Einstellungen gar nicht erst entstehen zu lassen, ist für ihn deswegen das beste Mittel, um gegenzusteuern. Der Landkreis ist da auch nicht knausrig. Im Bereich der präventiven Jugendarbeit hat es in den letzten Jahren keine Kürzungen gegeben. Mehr als zwei Millionen Euro stehen pro Jahr für Präventionsarbeit zur Verfügung, ein großer Teil davon für Projekte für Toleranz und gegen Extremismus und Gewalt.
Wie die Jugendlichen erreichen?
Doch genügt das? Werden damit tatsächlich die richtigen Jugendlichen erreicht? „Das ist sicherlich ein Problem für uns“, gibt Bernadette Zeller vom Netzwerk für Kinder- und Jugendarbeit zu. „Rechtes Gedankengut ist verbreitet, aber in der Öffentlichkeit wenig präsent“, sagt sie. „Was die breite Masse denkt, ist schwierig zu erfassen.“ Bernadette Zeller weiß, dass auch viele Jugendliche regelmäßig zu den Pegida-Demonstrationen nach Dresden fahren. Und dass das in der Regel eben nicht diejenigen sind, die von den Jugend-Projekten erreicht werden. Was braucht es also, um junge Leute mitzunehmen und für Demokratie und Toleranz zu begeistern?
Vielleicht Projekte wie an der Pestalozzi-Oberschule Radeberg, die das Siegel „Schule ohne Rassismus“ trägt. Wie im übrigen seit Kurzem auch die 2. Oberschule in Kamenz. „Bei uns wird nicht mehr toleriert, wenn jemand fremdenfeindlich ist oder etwas gegen Flüchtlinge hat“, sagt der Kamenzer Schülersprecher Mehmet, 15, der selbst aus einer deutsch-türkischen Familie stammt. 50 Asylbewerberkinder aus Kamenz und Umgebung lernen derzeit an der Schule. Es gibt keinerlei Probleme, sagt der Schülersprecher. Schulleiter Stefan Cyriax – der für die CDU im Wachauer Gemeinderat sitzt – bestätigt das. „Rechtes Gedankengut ist bei uns kein Thema“, unterstreicht der Wachauer.
Auch Vereine haben Verantwortung
„Wichtig ist es, dass wir Jugendliche ernst nehmen, ihnen zuhören, mit ihnen reden“, sagt Matthias Knaak vom Kreis-Jugendamt. Knaak ist auch Kommunalpolitiker und Stadtrat in Bautzen. „Wir müssen an ihren Interessen andocken“, sagt er. Gerade auf dem Land hätten da auch Sportvereine oder die Feuerwehr eine große Verantwortung. Oft bieten sie die einzige Freizeitmöglichkeit der Jugendlichen im Ort.
Um überhaupt erst einmal zu erfahren, wie Jugendliche, zumindest diejenigen, die noch zur Schule gehen, denken und wie sie sich fühlen, läuft gerade eine großangelegte, anonyme Schülerbefragung im ganzen Landkreis – ein Projekt des Präventionsnetzwerks Ostsachen, unterstützt von Landkreis, Bildungsagentur und Polizeidirektion. Die Schüler bekommen einen seitenlangen Fragebogen, den sie anonym ausfüllen. Es geht um Themen wie Stressbewältigung, Gewaltprävention, Suchtprävention, Konfliktbewältigung, Mobbing, Medienkompetenz. Es geht auch um die Frage, wie wohl sich Jugendliche in ihrem Umfeld fühlen und wie zufrieden sie sind. Die Initiatoren versprechen sich viel von den Ergebnissen. Sie sollen Grundlage für eine neue, zielgerichtete Präventions-Strategie im Landkreis sein, eine Strategie, die möglichst alle erreicht.